Hitman 2 findet immer noch Wege, mich zu überraschen
Warum einfach, wenn man jemanden auch glorreich um die Ecke bringen kann?
Vergessen wir die Diskussion darüber, ob dieser Teil nun Hitman 2 heißen musste oder ob "Season 2" nicht treffender gewesen wäre. Es war einfach nicht machbar, allein schon aus rechtlichen Gründen, nachdem der letzte Teil immer noch dem einstigen io-Interactive-Besitzer Square Enix gehört. Weitere Kapitel auf dem Rücken von dessen Infrastruktur zu veröffentlichen ... wie sollte das gehen? Also ist Hitman 2, was wir bekommen. Als stramm geschnürtes Komplettpaket anstatt episodisch und mit vielen Neuerungen auf der wunderbar maßvollen Seite des Spektrums, in dem man einen Nachfolger mit der nächstgrößeren Zahl im Titel gemeinhin verortet.
Und hey: Ich habe den Verdacht, das war genau der richtige Weg, denn Hitman war eines der besten Spiele des ohnehin schon ausgezeichneten 2016er Jahrgangs. Jeder, der ihm die Chance gab, wäre mit der bloßen Order "mehr davon" vollauf zufrieden gewesen, und io Interactive geht mit Teil zwei sehr wohl darüber hinaus. Aber eigentlich auch egal, dass neue Features wie etwa Spiegel, auf die Leisetreter nun achtgeben müssen, besseres und die Spieler zuverlässig versteckendes Laub und neue NPC-Interaktionen erstmals mit dabei sind: Dieses Spiel lebt von seinen Schauplätzen und den Morden, die sich dort ereignen. Hier liefert io - zumindest im angespielten Rennstrecken-Level - zuverlässig einige der besten Momente, die ich in der Reihe bisher erlebte.
Meine assistierte Anspielsession gipfelte in einem der kreativsten Kills überhaupt, der wahnsinnig viel Vorbereitung, lange Wege, etliche Winkelzüge und Kostümwechsel vor die Erfüllung meines Auftrages setzte und dabei eine mörderische Vorfreude erzeugte. Das merkte ich nicht nur an mir selbst, sondern auch daran, dass sich hinter mir mit der Zeit eine veritable Zuschauertraube gebildet hatte. Da war jemand gespannt, wie der Versuch für mich enden würde. Nun gut, ich hatte Hilfe, und ohne die hätte ich in der guten Stunde, die ich die Rennstrecke in Miami erkundete, das unscheinbare Fläschchen Booster-Flüssigkeit in einem Werkzeugregal in der Boxengasse vermutlich nicht entdeckt. Oder ich hätte nicht begriffen, was ich damit hätte anstellen können. Trotzdem kribbelte hier jeder Schritt, den ich für den aufwendigsten der möglichen Morde an Rennfahrerin Sierra Knox unter Anleitung eines Entwicklers durchlief.
Zunächst war aber ohnehin ihr Vater dran, Robert Knox, Chef der Technologie-Firma Kronstadt Industries und, wie seine Tocher, heimlicher Waffenschieber. Hier ging's bereits wunderbar perfide los, als ich dem in der Entwicklung befindlichen Kampfroboter im Labor oberhalb der Rennstrecke in der Tarnung eines Wissenschaftlers ein Foto von Knox auf den Zielcomputer spielte. Als Knox auf seiner Runde vor die Killermaschine tritt, ist die Hälfte meines Jobs mit einem kurzen Bleistakkato aus einer vollautomatischen Pistole erledigt. Und weil ich wohl ein bisschen irre in mich reingegrinst haben muss, trat in dem Moment ein begeisterungsfähiger io-Mitarbeiter an mich heran und fragte, ob ich mal was richtig Wildes sehen wollte.
Und wie ich wollte. Der merkwürdige Cocktail aus tiefschwarzer Schadenfreude und dem guten Gefühl einer bösen Tat, das wohl auch die schlechten Menschen dieser Welt antreibt, ist eine seltsam beschwipsende Mixtur, die in dieser Form kein anderes Spiel auf dem Kasten hat. Schwer zu beschreiben, wie köstlich falsch sich Nummer 47s Job trotz moralisch einwandfreier Rechtfertigung anfühlt. Und so ging es dann los, aus dem Entwicklungslabor in Richtung Boxengasse, um da die oben erwähnte, höchst brennbare Booster-Flüssigkeit mitgehen zu lassen. Danach unentdeckt zurück unter die Leute, in Richtung VIP-Bereich, wo dann große Vorsicht geboten war, weil hier hochrangige Sicherheitsleute die meisten Tarnungen durchschauten. Die eine, in der man nicht auffliegt, stapfte hier am Körper von Sierra Knox' Erzrivalen Moses Lee durch die Lounge.
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Es ist nicht gerade einfach, Lee bei der Zigarette zu erwischen, die er gelegentlich an der frischen Luft nimmt, aber zwei schlafende Sicherheitsleute später gelingt es mir und ich kann mich frei bewegen - und vor allem in Lees Stiefel das blonde Gift zu einem Trinkspiel herausfordern. Aber auch vor diesen letzten Schritt hatte io ein wenig Vorbereitung gesetzt, denn zunächst musste ich noch an ein Kellnerkostüm kommen, um einem der Drinks mit der Booster-Flüssigkeit die entscheidende Würze zu geben. Also das Personal in der Küche mit einem rohen Fisch geohrfeigt und wenige Schritte später schwimmt das Präparat in einem der Shots, die als russisches Schnapsroulette auf einem Drehteller angerichtet sind.
Als die auf Konfrontation gebürstete Sierra sich mit ihrem Zippo den ersten Tequila anzündet, denkt sie sicher noch, es gehe hier darum, wer am Ende den Drink mit dem Extraspritzer megascharfer Chili-Soße erwischt - während 47 sich zweifelsohne über die kostenlosen Getränke freut, die er auf der Arbeit so selten bekommt. Wie dieser Mord präsentiert ist, erwischte mich in jedem Fall auf dem falschen Fuß und war jeden Schritt wert, den das Spiel und mein anleitender Entwickler mich zuvor durchexerzieren hatten lassen: Der Titel wechselte die Perspektive und ließ mich unter der breiten Krempe von Lees Hut hindurch auf den Tisch mit den Getränken blicken: Ich spielte selbst das Trinkspiel mit Sierra, anstatt dass den Rest eine Zwischensequenz für mich erledigte.
Nach jedem Dreher des Tellers musste ich mir selbst die Position des tödlichen Trunks merken und dann einen wählen, der sicher war. Es war nicht unbedingt schwer, erzeugte aber trotzdem eine fabelhafte Spannung - und die dummen Sprüche der feindseligen Blondine die maximale Genugtuung, als sie mit dem letzten Glas plötzlich lichterloh in Flammen steht.
Hitman ist nach wie vor grandios darin, einem gerade lang genug den Spiegel vorzuhalten, dass man sich vor dem schwachen Charakter mit den niederen Instinkten, den man da kurz sieht, ein wenig erschrecken kann. Aber die debil grinsende Fratze, die da in meine Richtung zurückschaut, hat auf den zweiten Blick immer dieses süffisante Alles-nur-Spaß-Funkeln in den Augen, das geringere Spiele als dieses hier nicht kennen und deshalb zynisch oder böswillig wirken. In einem Spiel, das euch freigiebig Mühen wie die beschriebenen schultern lässt, nur um jemanden mit maximalem Stil abtreten zu lassen, ist das eine nicht zu unterschätzende Kunst.
Entwickler/Publisher: io Interactive/Warner - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Geplante Veröffentlichung: 13. November - Angespielt auf Plattform: PC