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Hitman 2 - Test: Theater des Todes

In der Hauptrolle: Du, du und du!

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Wenige Neuerungen, aber viele hochgeschätzte, wohlvertraute Qualitäten machen auch das zweite Hitman zu einem lange packenden Mordssimulator

Hitman 2 richtig zu verkaufen, war von Anfang an kein leichtes Unterfangen. Der letzte Teil perfektionierte die Formel für ein riesiges, interaktives Mordstheater, das man ohne Genussverluste theoretisch beliebig erweitern könnte. Und dann wurde es mit der häppchenweise Erweiterung nichts, weil sich Square Enix von Entwickler IO Interactive trennte. Das umstrukturierte und neuerdings unabhängige Studio war unter Zugzwang, ein Spiel zu verkaufen, musste aber losgelöst von der logistischen Basis, die Hitman nun mal darstellte, eine separate Plattform entwickeln.

Und die kommt nun sogar in den Menüs haargenau so daher wie der letzte Teil. Beide Titel gleichen sich auf den ersten Blick wie ein kahlrasierter Schädel von hinten dem anderen und in Sachen Spielgefühl fügt Hitman 2 dem Patentrezept von 2015 wenig hinzu. Das dürfte dem einen oder anderen bereits bekannt gewesen sein, macht die Überlegungen, ob man sich den zweiten kaufen sollte, aber nicht einfacher. Jedenfalls nicht, wenn man beim Spielekauf vor allem auf das gewisse Etwas wert legt, das beim ersten Erleben eines komplett neuen Spiels immer mitschwingt.

Mumbai ist einer der eindrucksvollsten Orte, die IO Interactive je geschaffen hat.

Trotzdem ist Hitman 2 eigentlich genau das, was es sein musste. Der letzte war sträflich unterschätzt und fand einen wunderbaren Weg, maximales Spielerengangement aus seinen Umgebungen zu ziehen. Die Elusive Targets, an denen sich jeder Spieler nur einmal versuchen durfte, die Contracts, bei denen man Hits für sich und andere Spieler definiert und sich so ein bisschen battlen darf und nicht zuletzt die fantastischen Eskalationen, in denen man Ziele unter bestimmten Voraussetzungen ausschalten muss, während der Level immer schwieriger wird - das alles sind wunderbare Arten, die Spieler immer und immer wieder in die detailfreudigen Spielwelten zu schicken. Und auch im zweiten Teil sind sie wieder mit dabei und veranlassen dazu, jeden der sechs Orte - Hawke's Bay, Neuseeland (leider sehr klein), Miami, USA, Santa Fortuna, Kolumbien, Mumbai, Indien, Whittleton Creek, USA und Isle of Sgail im Nordatlantik - kennenzulernen, wie den eigenen lederbehandschuhten Handrücken.

Denn so ist es eben: Wer will, düst an zwei mittellangen Abenden gut unterhalten durch die Kampagne. Dann entgehen einem aber die vielen, vielen kreativen Kills und Verkleidungen und die perfiden Pläne, die man so schmiedet, wenn man sich mit fahlem Teint als alter indischer Schneider ausgibt und sich komplett akzentfrei um Zugang zu seinem Ziel bewirbt. Jeder Level - nun gut, der atmosphärisch starke, aber arg nach Tutorial schmeckende erste in Neuseeland mal außen vor - ist ein ausuferndes Bühnenbild für eine böse Aufführung, in der man alle möglichen Rollen ausfüllen kann. Herauszufinden, welche das sind, darin liegt die Faszination von Hitman. Eine andere Analogie wäre ein Sandkasten, der nur dann anfängt langweilig zu werden, wenn man immer die gleichen Löcher buddelt.

Der alte Kistentrick.

Nein, ein guter Hitman-Level - genaugenommen hat Hitman 2 zwei gute, zwei ausgezeichnete und den vielleicht besten in der Reihe (Whittleton) - ist ein endloser Fundus aus mal lustigen, mal fiesen, aber immer irgendwo ironischen Kills. Sogar einige wirklich gute Gags schleichen sich immer wieder in Umgebungsdialoge oder in 47s Gespräche mit seinen Opfern ein. Die Leute, die man in diesen Welten richtet, müssen es verdient haben, wenn man danach urteilt, wie selten irgendeiner der Passanten nach einem der vielen "Unfälle" einen Rettungsversuch unternimmt. Sie reagieren kurz bestürzt, ein bisschen fassungslos. Dass aber einer mal seinem Boss ins Wasser hinterhergesprungen wäre, nachdem er von seinem eigenen Mini-U-Boot in sein nasses Grab befördert wurde, ist offenbar zu viel verlangt. Hitman zieht nach wie vor viel Wonne aus dem Moment unmittelbar nach der Tat, in dem man das kurze Chaos im Rückwärtsgang beobachtet und sich innerlich (manchmal auch tatsächlich) "Dubdiduuu ..." summend aus dem Staub macht.

Die Neuerungen - in hüfthohen Pflanzen verstecken, wie in den mittleren Assassin's Creeds in der Menge untertauchen oder die Tatsache, dass die KI 47 nun auch im Spiegel herannahen sieht - sind allesamt nett, stellen das Spiel aber nicht auf den Kopf. Sie sind direkt so selbstverständlich, dass man kaum glauben kann, dass sie bisher nicht Teil des Spiels waren. Das ist ein Merkmal eines guten Updates. Zum Teil kann dieser Eindruck allerdings auch daran liegen, dass Besitzer des letzten Teils dessen Missionen als Download für den zweiten erhalten - aufgebohrt um ebendiese mechanischen Neuerungen. Das ist sicherlich für die eine oder andere zusätzliche Stunde gut - und wer weiß, vielleicht entdeckt ihr so ja die eine oder andere neue Mordsgelegenheit, die vor zweieinhalb Jahren noch nicht da war.

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So oder so: Ich hatte eine Menge Spaß daran, jeden Level auf all seine gemeinen Gelegenheiten, diesem blutigen Tagwerk nachzugehen, abzuklopfen. Die Jagd nach der perfekten Missionsbewertung zieht ebenso wirksam wie das Erfüllen der vielen Herausforderungen, für die es ebenfalls reichlich Punkte setzt, die aber nicht immer das Optimum für die Lösung eines Levels darstellen müssen. Hitman 2 kennt unfassbar viele valide Spielweisen und das ist einer der wichtigsten Bausteine dafür, dass der letzte Teil von seinen Fans so ausdauernd gespielt wurde.

So richtig neu ist im Grunde nur der neue Ghost-Modus, in dem zwei Spieler zeitgleich in ihrer jeweils eigenen Instanz um die Wette auf die Jagd nach zufallsgenerierten Zielen gehen, zunächst nur im Miami-Level. Die anderen folgen nach und nach. Euren Gegenspieler seht ihr immer, nicht aber die NPCs in "seinem" Level und was sie tun. Wird man beim Mord entdeckt, bekommt man keine Punkte, tötet man andere NPCs als das Ziel - auch Sicherheitspersonal -, setzt es sogar einen Punktabzug. Punktet der eine Spieler, hat der andere 20 Sekunden Zeit, es ihm unentdeckt gleichzutun, sonst geht der Punkt für dieses Ziel allein an den Erstmordenden.

Ohne Worte.

Nach ein paar chaotischen und nicht sehr befriedigenden Partien im Ghost-Modus - ich bin in Hitman ein sehr abwartender Spieler und kannte zu Anfang den Level noch nicht gut genug -, kam ich aber immer mehr in den Rhythmus und genoss es schließlich sehr, wie mich das Spiel zu risikofreudigeren Aktionen zwang, während ich wegen meines Gegenspielers förmlich die Uhr ticken hören konnte. Nettes Feature, das ich erst spät bemerkte: Die Geist-Münze, die man werfen kann, um NPCs in der Instanz des Gegners auf den Zielort aufmerksam zu machen. So kann man sich gegenseitig ein wenig in die Quere kommen. Da ist Schadenfreude vorprogrammiert. Könnte durchaus etwas werden, das ich immer wieder spiele, während ich auf die Elusive Targets, den Anfang macht Sean Bean in nicht ganz zwei Wochen, und neue Eskalationen warte.

Optisch und technisch macht das Spiel einen kleinen Sprung. Es ist nach wie vor sichtbar die Glacier-Engine, aber schon der erste kurze Ausflug an einen neuseeländischen Strand erfreut mit detaillierter Sand- und Kiesdarstellung und allgemein wirkt das Spiel erfreulich scharf. Etwas mehr nach Low-Budget sehen unterdessen die Zwischensequenzen aus, die nun in teilanimierten Standbildern erzählt werden anstatt in Full-Motion Video wie noch zuletzt. Tut der Stimmung in der Kampagne aber keinen Abbruch, weil die Sprecher erneut sehr gute Darbietungen abliefern. David Bateson hat als emotionslose Nummer 47 hörbar eine Menge Spaß.

Alex spielt den ersten Level aus Hitman 2.Auf YouTube ansehen

Und so fällt am Ende das Urteil recht eindeutig aus: Wer sich nach Hitman wünschte, dass es mehr oder weniger direkt so weitergehen würde, bekommt hier die gleichwertige Fortsetzung eines der besten Spiele 2016 (und dank der Elusive Targets sicher auch noch 2017) und einen vollumfänglich empfehlenswerten Mordssandkasten, der nur noch besser wird, je tiefer man sich in seinen blutgetränkten Dreck hineinkniet - und je länger IO ihn mit Eskalationen, Elusive Targets und anderen neuen Inhalten versorgt. Es ist noch immer eine wunderbar frische Art, ein Stealth-Spiel zu inszenieren, weshalb es mich dieses Mal nicht stört, dass die Dänen die Evolution des Konzepts aufs nächste Mal vertagt haben. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.


Entwickler/Publisher: io Interactive / Warner - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: 60 Euro - Erscheint am: 13. November - Sprache: Deutsch, Englisch - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: PC


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