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Hitman 2: Willkommen im Dschungel

Ihr wisst, wie es läuft - macht euer Ding, was immer das sein mag!

Ich bin nicht sicher, inwieweit das neue und verbesserte Blattwerk jetzt den größten Unterschied macht, wenn es darum geht, wie man als Agent 47 seine Ziele um die Ecke bringt. Ich weiß das hübsch inszenierte Laub vor allem dafür zu schätzen, wie es den ansehnlichen Kolumbien-Level kleidet, den ich vergangenen Donnerstag zu Gast bei Warner in Hamburg anspielte. Und natürlich ist auch die Gelegenheit, sich selbst sowie die Leichen und Bewusstlosen, die im Verlauf einer Mission so anfallen, im satten Regenwaldgrün zu verbergen, sehr willkommen. Aber im Großen und Ganzen muss das Fazit meiner ausgedehnten Anspielsession lauten: das hier ist wieder Hitman, wie man sich 2015 in das letzte episodische Abenteuer verliebte.

Dazu gehört auch, dass man das viele Werkzeuge im Koffer von Nummer 47 bereits kennt: Ich kann nicht sagen, wie oft ich in einem dieser Titel schon Zielen oder unwissentlichen Komplizen Abführmittel oder anderes Gift in ihren Drink gekippt habe - ein Klassiker! -, um sie dann in aller Seelenruhe auf dem Klosett zu erledigen oder mir ihre (Ver-)Kleidung zu borgen. Und kann nicht sagen, dass es mich überraschte, dass es auch hier wieder der eine der ungezählten Möglichkeiten auf dem Weg zu einem der Ziele war. Genauso wenig wurde ich diesem Patentrezept fürs unentdeckte Ausschalten überdrüssig, was in erster Linie daran liegt, dass IO Interactive einfach Meister darin sind, bitterböse Spielplätze zu bauen. Wer einem solche schönen Sandkästen hinstellt, dem kann man unmöglich ankreiden, dass er immer wieder ein Schippchen mit reinlegt.

Nicht die feine Art. Funktioniert aber.

Kolumbien, das IO Interactive und Warner sichtlich stolz vorführten, war ein wunderbar weitläufiger und nachvollziehbar segmentierter Schauplatz. Unten das von kleinen Häuschen, Bars und Buden dominierte Hafenstädtchen, schwer bewachtes Herrenhaus und Koka-Plantage etwas ins Land hinein und dazwischen der Dschungel, der in erster Linie dazu da ist, zwischen den Gebieten abzukürzen und sich zu verziehen, sollte die Luft doch mal dicker werden. Nahtlos integriert mal wieder die optionalen Kills, die immer ein wenig mehr über die Figuren oder Schauplätze erzählen. Ich belausche zwei Backpacker, die sich darüber unterhalten, dass ein berühmter Tätowierer sich in dem Örtchen aufhalten soll. Im Missionsmenü werden mir daraufhin Einzelheiten über diese Alternativroute erzählt, was die Planung des perfekten Anschlags erheblich erleichtert, ihn gleichzeitig aber nicht trivialisiert.

Denn seht ihr: Nicht nur Drogenbaron Rico Delgado steht auf eurer Abschussliste, sondern auch sein greiser Kokain-Koch Jorge Franco und die ehemalige Marketingmanagerin Andrea Martinez, die sich aktuell für beide verdingt. Viele der speziellen Attentate schließen zugleich eine oder mehrere andere Optionen aus und sich aus dem Geflecht der Möglichkeiten das zusammen zu puzzeln, was man als optimalen Weg bezeichnen würde, macht wie immer den größten Reiz von Hitman aus. Tempo, Heimlichkeit, keine Kollateralschäden, so wenige Leichen wie möglich - das sind die Dinge, die Fans dieser Reihe interessieren und die dafür verantwortlich waren, dass die Veröffentlichung des Vorgängers im Episodenformat den Verantwortlichen seinerzeit als gute Idee erschien.

Auch nicht die feine Art. Funktioniert traditionell aber deutlich schlechter.

Womit wir wieder beim Brechmittel wären: Niemand wird gezwungen, diese oder jene Tools in die Hand zu nehmen. In meinem Fall wollte ich Delgado aber nur zu gerne in der Verkleidung des für seine Reality-TV-Show weltberühmten Tattoo-Artists P-Power umlegen. Also musste es das Brechmittel sein, das ich irgendwo in einem Regal eines Lädchens mitgehen ließ, in dem ich nichts verloren hatte. Zunächst noch den Barkeeper durch das Rumfummeln am Sicherungskasten in den Hinterhof gelockt und schon schüttete ich dem frustrierten Tätowierer in einem Moment der Unachtsamkeit Geheimzutat X in sein Cerveza. Ein Wiedersehen auf der Toilette später hatte ich Mütze, mit Stirnband darunter natürlich, Jeansweste, Stiefel und Patronengürtel am Leib und machte mich auf dem Weg zum Ziel.

Es steckt nach wie vor viel Freude darin, in den teils selten dämlichen Outfits diesem gemeinen Tagwerk nachzugehen. Im selten dämlichen Aufzug des Herrn Power - dessen auffällige Arm-Tattoos sich 47 gleich mit überstülpte. Nicht schlecht! - bitte ich dann um Einlass zum Herrenhaus und staune mehr als ich vermutlich sollte, als ich im schwer bewachten Anwesen gefilzt werde. Auf meine schallgedämpfte Pistole reagierte niemand hier besonders gut, weshalb ich meinen Spielstand neu lud und das gute Stück in den Büschen vor dem Tor entsorgte, bevor ich an die Türe klopfte.

So viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Drei stehen da in lila.

Meine Begegnung mit Delgado selbst fiel dann wie immer wahnsinnig angespannt aus, vor allem weil der Möchtegern-Escobar sich offen feindselig zeigt und sogar bemerkt, dass ich überhaupt nicht aussehe wie im Fernsehen. Schließlich entschließt er sich aber doch, mir zu vertrauen und schickt sogar seine Frau und seinen nervösen Leibwächter weg. Das ist dann auch der Zeitpunkt, an dem der Gute die Tätowiernadel durchs Ohr direkt ins Gehirn bekommt. Die Leiche verschwindet erstmal im Badezimmer dahinter, ebenso wie der Körper des Leibwächters, der nach kurzer Zeit kommt, um nach dem Rechten zu sehen und den ich per Würgegriff schlafen lege. Ein Tresor an der Wand und geheime Dokumente und ein Sportwagenschlüssel auf dem Schreibtisch, mit denen ich in meiner Situation nichts anfangen konnte, versprechen wie von dieser Reihe gewohnt noch reichlich mehr Geheimnisse und Geschichten, die dieser Level in sich birgt. Man grübelt schon direkt nach Erfüllung eines Etappenziels sofort, wie man es noch besser hätte machen können. Das ist die große Kunst dieser Reihe.

Mit den anderen beiden Zielen verfuhr ich aus Zeitgründen deutlich konventioneller, obwohl auch sie jeweils Gegenstand mehrerer spezieller Attentatsmöglichkeiten sind, die zu entdecken man die Level mit offenen Augen und Ohren abgrasen sollte. An einer Stelle wurde Martinez beinahe von einer gigantischen Bronzestatue erschlagen, deren Sockel ich mit einem Schraubenschlüssel aus ihrer Verankerung gelöst hatte, nur um dann festzustellen, dass sie ein Stück zu weit hinten stand und ich auf dem eingeschlagenen Weg nicht dazu kommen würde, den pompösen Metallmann meinen Job für mich verrichten zu lassen.

Also verfolgte ich sie in ihr Anwesen, kletterte in der passenden Verkleidung in einem günstigen Moment unentdeckt die Dachrinne ins Obergeschoss empor und begab mich in den Besprechungsraum, wo sie gerade mit ihrer Sekretärin eine Unterredung hielt. Die Angestellte setzte der geworfene Schraubenschlüssel vorübergehend außer Gefecht und noch bevor Martinez begreifen konnte, wie ihr geschah, hatte ich sie auch schon im Würgegriff. Es ist nach wie vor ein oft etwas bitter schmeckender Job, den man hier macht, auch wenn IO immer wieder gute Gründe dafür liefert, diesen Figuren den Garaus zu machen.

Der Dschungel als Komplize. Nur kräftig zupacken.

Das Kokain-köchelnde Mastermind Jorge Franco bekam ich auf seinem o-beinigen Rundgang über die Plantage leider nicht von seiner eigenen Trockenanlage geröstet, weshalb ein schallgedämpfter Schuss aus einem sicheren Versteck den Job erledigte, bevor ich mich mit einem Hubschrauber aus dem Staub machte. Wollte ich noch optimieren, dieser Level gäbe mir reichlich Gelegenheit dazu. Ich habe ja noch nicht einmal den Überwachungsraum gefunden, in dem ich die Aufzeichnungen der zahlreichen Kameras hätte löschen können, deren Star ich im Verlauf der Mission für meinen Geschmack ein wenig zu häufig wurde.

Also ja: Hitman 2 ist auf dem besten Wege, die packende Kollektion an akribisch durchgeplanten Mordsszenarien zu liefern, auf die man seit 2016 hoffte - ob man nun ein Fan des Episodenformats war oder nicht. Die angesprochene Vertrautheit ist in diesem Fall der Bonus, der dabei hilft, sich in diesen ausschweifend verzahnten Computerwelten nicht zu verlieren. Ich bin nicht sicher, wie viele neue Freunde die Reihe hiermit finden wird - die Größe des möglichen Publikums dürfte bei dieser Thematik irgendwo auch gedeckelt sein. Wer 47 aber bisher die Treue hielt, dem gibt Hitman 2 keinen Anlass, daran etwas zu ändern.


Entwickler/Publisher: IO Interactive/Warner - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Geplante Veröffentlichung: 13. November - Angespielt auf Plattform: PS4 Pro

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
In diesem artikel

Hitman 2

PS4, Xbox One, PC

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