Hitman: Absolution - Vorschau
Agent 47 ist mit frisch polierter Glatze unterwegs in Chinatown, um den König des Viertels auszuknipsen. Am besten gleich mehrfach!
Als Actionheld ist eine Glatze unheimlich praktisch. Nach dem Duschen (Abenteuer sind schweißtreibend) ist man viel schneller fertig. Bösewichte können nicht mehr an den Haaren ziehen. Keine Strähne trübt den Blick durchs Zielfernrohr. Manche Frauen finden die Platte sogar besonders männlich. Kurz: Üppiges Haupthaar wäre ziemlich störend, wenn Vin Diesel als Riddick Aliens massakriert, Bruce Willis Terroristen mit Kugeln durchsiebt oder Jason Statham sich mit markig geschorenem Schädel austobt. Auch der steingesichtige Profikiller Agent 47 schwört auf einen rasierten Skalp. Ich hab mich bei der Hitman-Reihe trotzdem immer gefragt, weshalb ein groß gewachsener Glatzkopf im Anzug niemandem auffällt? Von wegen "Silent Assassin" und so.
Zum Beispiel in Hitman: Absolution bei einem Auftrag in Chinatown, den ich kürzlich während eines Events von Square Enix in München ausprobiert habe. In dieser zweiten Mission des Spiels stapft ihr als Agent 47 über einen Markt mit sage und Schreibe 500 Touristen und Einheimischen, doch keinem kommt der stoische Schlips-Träger mit Barcode auf dem Hinterkopf merkwürdig vor? Das soll der mal auf dem Oktoberfest probieren ...
Naja, spielerisch ist eine derartige kollektive Blindheit natürlich wichtig, denn nur so kommt ihr nahe genug an den selbst ernannten "König von Chinatown" heran, den ihr in dem Auftrag möglichst unauffällig um die Ecke bringen sollt. Wie ihr das anstellt, bleibt euch überlassen. Natürlich bewegt ihr euch stets auf den Pfaden, die von IO Interactive vorgezeichnet wurden, aber wie in den Vorgängern oder einem guten Adventure müsst ihr geschickt knobeln und die Umgebung nutzen, um eure Zielperson elegant auszuschalten.
Im konkreten Beispiel macht ihr euch am Besten die Gewohnheiten des baldigen Opfers zu Nutze, von denen ihr via Funk oder durch das Belauschen von Gesprächen erfahrt, während ihr über den chinesischen Markt schlendert. Solche Hinweise gibt's in den ersten beiden Schwierigkeitsgraden von insgesamt fünf noch wie am Fließband. Wer die härtere Mörder-Dosis braucht, sollte einen schwierigeren Modus wählen, in dem die Wachen euch schneller erkennen, kompliziertere Patrouillen laufen und sich insgesamt unberechenbarer verhalten.
Außerdem werden sowohl Wachleute als auch Zivilisten schneller misstrauisch. Wer unbefugt in bestimmten Bereichen herumschnüffelt oder mit einem Messer herumschleicht, erregt natürlich Aufmerksamkeit. Auch eine Verkleidung schützt im höheren Schwierigkeitsgrad nicht vor eurer Enttarnung, sobald ihr einem NPC zu nahe kommt, der den ehemaligen Besitzer des Outfits kennt.
Im höchsten Schwierigkeitsgrad (Purist) wird neben sämtlichen Anzeigen wie Rest-Munition etc. obendrein auch der zuschaltbare Instinkt-Modus komplett gestrichen, der ansonsten kurzzeitig die Zeit verlangsamt, sowie Ziele und benutzbare Objekte markiert oder Feinde hinter Wänden seht. Eine kleiner Balken am Bildrand verrät euch, wie lange ihr den Modus benutzen könnt. Diesen müsst ihr aber erst durch lautlose Kills oder geschicktes Verhalten füllen. Bestimmte Achievements erhöhen die Zeit, die euch im Instinkt-Modus zur Verfügung steht.
Während der ersten Spielminuten erfahre ich: Der König liebt sein Auto und delikaten Fisch. Außerdem schnupft er Koks, verbringt den Tag unter dem Dach eines Pavillons mitten auf dem Markt, umgibt sich mit korrupten Polizisten und schreit gerne nützliche Hinweise für Profikiller in sein Mobiltelefon. Zum Beispiel, dass sein Dealer ihm gefälligst Nachschub heranschaffen soll.
Der herbeizitierte Rauschgifthändler holt sich zunächst einmal eine Standpauke vom Chef ab und schlendert dann zu seinem Drogenversteck. Ich folge ihm zu ein paar Müllcontainern abseits des Trubels und lasse ihn von Agent 47 leise überwältigen. Flugs die Klamotten des Bewusstlosen überziehen, ihn in den Container hieven und weiter geht's zur Wohnung des Dealers. Unterwegs schaue ich noch beim Fischmarkt vorbei und klaue unbemerkt einen Happen Kugelfisch (Fugu) vom Tisch einer Garküche, der bekanntermaßen extrem tödliches Gift enthält.
Der Wachmann an der Wohnungstür schöpft im gewählten Schwierigkeitsgrad keinen Verdacht, ansonsten müsste ich den Moment abpassen, wenn er in seinen Fernseher vertieft ist. Drinnen schnappe ich mir ein Überwachungsband vom Tisch (wie in den Vorgängern gibt es Boni, wenn ihr keine Spuren hinterlasst) und vermische das schnupfbereite Koks mit dem Fisch-Gift. Dann geht's zurück zum König, der mich (ohne genau hinzusehen *hust*) für seinen Dealer hält und mir dann in die Wohnung folgt. Zwei Nasen voll Fugu-Schnee und er haucht leise sein Leben aus. Gemütlich verlasse ich durch einen Hinterausgang den Markt. Auftrag erledigt.
Belohnt werdet ihr mit einer hübsch animierten Zwischensequenz, in der die Story weitererzählt wird. Hier hüllen sich IO Interactive und Square Enix noch in Schweigen. Bekannt ist allerdings, dass ihr eine Frau namens Victoria finden und beschützen sollt.
Hitman: Absolution wäre freilich eine lausige Fortsetzung der Reihe, wenn das Kugelfisch-Koks der einzige Weg zur Erfüllung dieser Mission wäre. Von laut bis leise und schnell bis verzwickt gibt's in dem kleinen Einstiegslevel zahlreiche Möglichkeiten. Mit einigen Varianten lassen sich so genannte Challenges erfüllen, die parallel zu den Achievements am Ende eines Auftrags Belohnungen gewähren, wie einen größeren Instinkt-Modus-Balken oder längeres Anhalten des Atems bei Präzisions-Schüssen. Andere Herausforderungen beinhalten zum Beispiel das Anziehen aller möglichen Verkleidungen oder Erfüllen von Aufträgen innerhalb einer bestimmten Zeit. Dies soll den Wiederspielwert eurer Einsätze erhöhen und euch zum Experimentieren mit Mordmethoden motivieren.
Zum Beispiel könnt ihr in Chinatown den König in einen Schacht schubsen, während er sich die Beine vertritt. Oder ihr vergiftet heimtückisch sein Essen, während der Koch nicht aufpasst. Wer lieber ballert findet in der Wohnung des Dealers ein Scharfschützengewehr für einen flotten Blattschuss aus dem Fenster. Alternativ könnt ihr den Wagen eurer Zielperson mit Sprengstoff präparieren, den Auto-Alarm auslösen und King samt Karre in den Orbit sprengen.
Wer solch subtile Vorgehensweisen blöd findet, ersticht oder erschießt den Typen einfach aus nächster Nähe, muss sich dann aber gegen die korrupten Polizisten wehren. Wenn euch Kugeln um die Ohren fliegen, war das in den bisherigen Teilen immer das sicherste Zeichen, dass ihr einen Fehler gemacht habt. Das ist auch in Hitman: Absolution nicht anders. Es gibt jetzt zwar ein Deckungssystem und die Steuerung ist intuitiv wie immer, aber längere Schusswechsel dürfte man vor allem im höheren Schwierigkeitsgrad kaum überleben.
Ein interessanter Kniff wird möglich, wenn ihr von Polizisten mit vorgehaltener Waffe gestellt werdet. In einer solchen Situation kann sich Agent 47 zum Schein ergeben, einen nahen Officer schnappen und ihn als menschliches Schutzschild benutzen.
Die Passanten spielen während des Einsatzes eine wichtige Rolle. Wie eingangs erwähnt, zaubert die Glacier 2-Engine nicht nur eine beeindruckend authentische Markt-Atmosphäre voller Gemüsestände, Straßenküchen, Leuchtreklamen und dreckiger Hinterhöfe inklusive manipulierbarer Gegenstände, sie kann auch locker Hunderte individuell agierende NPCs koordinieren. Diese laufen lebensecht von Stand zu Stand, bilden Gruppen und dienen euch als Sichtschutz. Das soll aber nicht wie bei anderen Schleich-Games wie Splinter Cell oder Assassin's Creed nach dem Motto ablaufen: "Spieler steht zwischen fünf Leuten und wird deswegen völlig unsichtbar."
Gleichzeitig werden die Leute zum unberechenbaren Faktor, wenn ihr anfangt zu schießen oder etwas in die Luft jagt. Dann geraten die Massen in Panik, rennen wild durcheinander und blockieren im schlimmsten Fall euren Fluchtweg. Da wird der Ausgang einer Mission zum Lottospiel. Später sollen Einsätze kommen, bei denen ihr bis zu 15 Ziele ausschalten müsst und die fast schon Open-World-Charakter haben. Sobald euch hier ein paar hundert Zivilisten gleichzeitig in die Schusslinie laufen, weil sämtliche Alarmglocken läuten, dürfte es ziemlich happig werden. Für jedes unschuldige Opfer hagelt es nämlich nach der Mission Minuspunkte.
Falls ihr befürchtet habt, dass die Hitman-Reihe mit dem neuen Teil zum Action-Reißer mit stumpfer Ballerei verkommen würde, kann ich euch nach meinem Probespiel erst einmal beruhigen. Wie es aussieht schleicht, verkleidet und taktiert Agent 47 in Hitman: Absolution wie es seine Fans von ihm erwarten. Vor allem das plausible Verhalten der NPCs hat mich beeindruckt. In anderen Spielen verhält sich die KI weit weniger "realistisch", wenn man sie mit Explosionen oder dem Diebstahl eines Messers vom Tisch des Küchenchefs konfrontiert. Ich bin schon sehr gespannt auf die Einfälle der Entwickler für die nächsten Missionen.