Hogwarts kann dichtmachen: Das hier ist das wirklich beste Spiel über Zauberer
Tactical Breach Wizards kann einfach alles.
Im Grunde wusste ich schon vorher, dass ich das hier lieben würde. Tom Francis, ehemaliger Spielkritiker und mittlerweile Game-Design-Wunderkind hat mit Gunpoint und Heat Signature zwei absolut wunderbare Indie-Favoriten erschaffen. Mit der Ankündigung von Tactical Breach Wizards war im Grunde klar, dass auch hier sein untrügliches Gespür für fesselnde, schräge Gameplay-Einfälle zum Tragen kommen würde – und dass ich mir den Titel einfach anschauen musste.
Was ich nicht erwartet hatte, waren die lustigsten Dialoge dieses Jahres und eine Geschichte, die trotz des absurden Szenarios erstaunlich mitreißend und feinfühlig erzählt ist.
Wenn die Gegner euch mit Geisterautos überfahren wollen
Tactical Breach Wizards spielt in einer Welt, die der unseren kulturell und technologisch nicht komplett unähnlich ist. Nur eben, dass hier Magie tatsächlich existiert und Zauberer ihre Talente auch der Armee und der Polizei anbieten. Alles beginnt mit einem Einsatz, bei dem die Partnerin und Mentorin von “Navy Seer” Zan Vesker entführt wird. Ein paar Jahre später taucht sie wieder auf – und richtet allerlei schlimme Dinge an, die die Welt auf den fünften Weltkrieg zusteuern. Zusammen mit der Freelance Hexe und Privatdetektivin Jen Kellen startet Zan zu nicht ganz 15 Stunden Rundentaktik-Einsätze mit wunderbar verspieltem, willkommen heißendem Regelwerk und schart immer mehr coole Charaktere um sich.
Zans persönliche Art von Magie ist der Schlüssel zu dem zentralen Gameplay-Kniff: Wo in anderen Taktikspielen schon mal ein falscher Klick dafür sorgt, dass ihr einen Zug oder eine Aktion verschenkt, kann Zan genau eine Sekunde in die Zukunft sehen, was das Spiel als überzeugende Ausrede nutzt, dass ihr bis zum Anfang einer Runde wirklich jede einzelne Aktion rückgängig machen könnt. Bevor ihr euren Zug beendet, dürft ihr sogar das Resultat begutachten – also die Reaktion eurer Gegner auf eure Taten – und dann eventuell noch einmal neu planen. So verzeihend sind Taktikspiele selten und ich muss sagen, es macht mich zu einem besseren Breach Wizard, in diesem Fall. Ich lerne unmittelbar aus meinen Fehlern – und wie ich meine Fähigkeiten optimal einsetze.
Jens Fähigkeit dreht sich darum, Gegner auf Distanz durch die Gegend zu schubsen und es wäre kein Tom-Francis-Spiel, wenn ihr das nicht regelmäßig dazu einsetzen würdet, Feinde zu “defenestrieren”. Ein Begriff, den das Spiel sehr gern selbst als Missionsziel benutzt und dankenswerterweise beim ersten Mal auch direkt die Definition dafür mitliefert (“Verb: Zum Fenster hinausstürzen”). Außerdem hat sie, wie ihr nach einem halben Dutzend Missionen praktischerweise wieder einfällt, einen Besen, auf dem sie durch ein Fenster heraus und zu einem anderen wieder hereinfliegen kann.
Dessa Banks ist unterdessen die Ärztin im Bunde, die euch wiederbelebt, sooft ihr wollt, euch dafür aber oft genug vorher erst einmal mit ihrem Revolver erschießen muss, weil euch die Feinde meist nur ausknocken. Außerdem schießt sie einen geisterhaften Totenkopf namens Gary durch die Gegend, der von Wänden abprallt und allen Gegnern auf seiner Flugbahn schadet. Jeder von ihnen hat noch den einen oder anderen weiteren Skill, die man mit maßgeblichen Upgrades ausstatten darf, sobald man einen Level aufgestiegen ist – und tatsächlich kommen im weiteren Verlauf noch zwei weitere Zauberer hinzu. Aber eine der größten Freuden an diesem Titel ist es, herauszufinden, auf welche Weise die nächste Figur die Regeln beugt und wie man ihn verstärkt. Daher – und weil ich selbst noch nicht alle habe – findet ihr die Einzelheiten besser selbst heraus.
Wenn das danach klingt, als wäre Tactical Breach Wizards kein schweres Spiel, dann stimmt das in vollem Umfang. Bis etwa zur Mitte des Spiels, wo ich mich gerade befinde, ist es beinahe unmöglich, einen Level nicht zu schaffen. Die Herausforderung kommt daher, einen Raum so sauber und effektiv wie möglich zu säubern – und dabei bestenfalls noch die optionalen Zusatzziele für jeden beteiligten Zauberer zu erfüllen. Hier wird es dann wiederum sehr puzzelig und nicht gerade einfach. Es ist ein zügiges Taktikspiel mit maximalem Spielraum für Experimente, denn “mal eben schauen, was passiert”, ist hier kein Quicksave-Cheesing, sondern Teil eines Konzepts, das darauf abzielt, euch zum taktischsten Breach Wizard überhaupt zu erziehen.
Das lustigste Spiel des Jahres?
Vor allem aber liebe ich, wie lustig die Dialoge geschrieben sind, ohne dass die Figuren zu Karikaturen verkämen. Es sind plastische Charaktere, deren Sorgen, Hoffnungen und Reue immer wieder überraschend ehrlich zwischen den flapsigen Dialogen hindurch blitzen. Mit untrüglichem Timing bilden sie einen angenehmen Kontrast zum Wortwitz und den absurden Situationen, in denen sich eure Zauberer wiederfinden.
Tactical Breach Wizards ist ein Spiel, das wirklich alles kann: Es motiviert mit smarten, einfallsreichen Mechaniken, fesselt mit einer Geschichte, die zugleich spannend, lustig und ehrlich ist und rollt zugleich eine Welt aus, die ich gern noch tiefergehend ergründen würde. Mehr Spiele in diesem Universum - gern auch in unterschiedlichen Genres - das wäre was. Dass sich Tom Francis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hiernach wieder etwas anderem zuwenden wird, macht Tactical Breach Wizards nur umso kostbarer. Eins der besten dieses Jahr.