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Hometown Story - Test

Noch langweiliger als das echte Leben hinter der Kasse.

Wo ist der Anspruch, wo ist die Abwechslung? Die Macher von Harvest Moon liefern hier pure Langeweile in niedlicher Verpackung ab.

Ich habe es wirklich versucht. Trotz andauernder Langeweile über 20 Stunden durchgehalten. Enttäuscht wartete ich auf den Moment, in dem es endlich Klick machen würde. Wenn sich schließlich doch sämtliche Elemente zu einer fertigen Vision verbinden. Doch der Moment kam nie. Ich wollte Hometown Story mögen. Die nächsten Wochen wie damals bei Harvest Moon: Friends of Mineral Town in meine kleine Stadt investieren, die Leute kennenlernen und meinen Besitz erweitern. Ich habe es versucht...

Keine Chance

Denn Charme besitzt Hometown Story. Sehr viel sogar. Es schreit mit seinen putzigen Figuren, der zauberhaften Musik und einer ländlichen Waldatmosphäre förmlich danach, geliebt zu werden. In diesen Aspekten liegt es auf einer Höhe mit den besten Harvest-Moon-Teilen und entsprang den Ideen desselben Schöpfers. Doch was die drollige Agrarsimulation darüber hinaus schafft, ist permanente Motivation. Selbst abseits von Feldern, Schafen und Kühen bietet euch die Welt eine Vielzahl weiterer Aktivitäten, die euch beschäftigen. Genau dieser Aspekt fehlt Hometown Story.

Nachdem ihr euch für das Geschlecht und Aussehen eures Charakters entschieden habt, übernehmt ihr einen kleinen Laden inmitten des verschlafenen Ortes. Hier präsentiert ihr eure Ware auf Tischlein und wartet, bis Kunden hereinströmen. Nehmt an der Kasse ihr Geld entgegen und stellt anschließend neue Gegenstände auf die Verkaufsfläche.

Für jeden Gegenstand müsst ihr den Preis einzeln festlegen. Ihr könnt beispielsweise nicht Äpfel automatisch für 200 Gold anbieten.

Leider gestaltet sich dieser Ablauf viel zu langatmig. Zu Beginn könnt ihr gerade einmal fünf Objekte gleichzeitig ausstellen und müsst geduldig warten, bis genügend Käufer zu euch kommen. Da ihr einen Multiplikator erhaltet, wenn ihr mehrere Verkäufe hintereinander abwickelt, wartet ihr meist ein bis zwei Minuten, bevor sich eine Schlange vor der Kasse gebildet hat. Danach stockt ihr die Waren auf und wiederholt das Ganze. Als ich realisierte, dass ich nicht wirklich mehr machen kann, legte ich zwischen dem Abkassieren meinen 3DS zur Seite und ging anderen Tätigkeiten nach.

Zwar dürft ihr die Preise für jedes einzelne Produkt festlegen, doch eine ernsthafte Taktik dafür braucht ihr nicht. Während meiner gesamten Spielzeit zog ich die Preise ungefähr 20 Prozent an. Kein Kunde beschwerte sich oder zeigte sich unzufrieden. Generell fehlen euch die Daten, um überhaupt genügend Schlussfolgerungen zu ziehen. Praktisch alles verkauft sich in eurem Laden. Natürlich besitzt jeder der insgesamt 100 Dorfbewohner eigene Präferenzen, allerdings haben diese keine Auswirkungen auf euren Umsatz.

"Hometown Story schreit mit seinen putzigen Figuren, der zauberhaften Musik und einer ländlichen Waldatmosphäre förmlich danach, geliebt zu werden."

Dialoge bieten das übliche Niveau typischer NPCs. Viel Blabla mit wenig Inhalt.

Denn bis ihr den Laden nicht mehrfach ausgebaut habt, könnt ihr nur eine begrenzte Zahl an Waren anbieten. Wenn euch dann nur wenige Leute auf Nachfrage überhaupt erzählen, was sie gerne einkaufen möchten, habt ihr gar nicht die Möglichkeit, spezifisch auf die Wünsche einzugehen. Ihr legt einfach alles auf den Tischen ab, setzt die Preise 20 bis 30 Prozent nach oben und kassiert in regelmäßigen Abständen eure Kohle. Euren Mitbürgern ist es relativ egal, ob sie direkt bezahlen oder noch ein paar Minuten warten. So vergehen im Spiel schon einmal zwei bis drei Stunden, bevor sie entrüstet aus dem Laden marschieren. Genau deswegen erlaubt mir der Titel, nebenher im Internet zu surfen.

Geisterstadt

Eigentlich soll euch diese Freiheit mehrere Spaziergänge in der Stadt erlauben. Hier will der Titel, dass ihr euch mit den Einwohnern unterhaltet und Aufträge für sie erledigt. Erst danach ziehen weitere Personen hinzu und füllen den zu Beginn eher tot wirkenden Ort zum Leben. Leider könnt ihr in den ersten Tagen kaum etwas unternehmen. Sammelt ein paar Pilze oder Blätter vom Boden, um sie später zu verkaufen. Ansonsten müsst ihr abwarten, bis genügend Leute eintrudeln, die um die Erledigung irgendwelcher Aufgaben bitten. Jedes Mal dreht es sich um bestimmte Objekte, die sie haben wollen. Aber auch hier müsst ihr wieder warten. Meist erhaltet ihr die gewünschten Items nur vom reisenden Händler, der euch einmal täglich besucht. Hat er nicht die gewünschten Produkte bei sich, dürft ihr auf den nächsten Tag hoffen. Gleiches gilt ebenfalls für Holz als wertvollsten Rohstoff. Nur damit lässt sich das Geschäft ausbauen. Da ich aber nur an zweien der ersten acht Tage Holz kaufen durfte, verschwendete ich knapp drei Stunden darauf, den Laden zu erweitern.

Wesentlich schlimmer ist die Queststruktur an sich. Damit ihr bestimmte Aufgaben überhaupt annehmen dürft, müsst ihr geheime Bedingungen erfüllen. Geht an einem regnerischen Tag zu einem bestimmten Ort, redet mehrfach mit einem der Bewohner oder lauft ziellos in der Gegend umher. Nicht einmal das Internet konnte mir genaue Angaben nennen, so kryptisch verhält sich das Spiel in dieser Hinsicht.

"Unter den 100 Einwohnern befinden sich fast ausschließlich eindimensionale Abziehbildchen bekannter Stereotypen."

Selbst dann wird es mit der Zeit kaum besser. Ja, irgendwann ist euer Laden so groß, dass ihr wirklich immer etwas zu tun habt und ständig genügend Leute an der Kasse stehen. Bis dahin vergehen aber locker über zehn Stunden Spielzeit. Und auch dann habt ihr bis auf die Jagd nach einem Ehepartner keine weiteren Beschäftigungen. Stattdessen sollen die Interaktionen mit den 100 Dorfbewohnern im Vordergrund stehen. Nur sind es fast ausschließlich eindimensionale Abziehbildchen bekannter Stereotypen. Interessante Hintergrundgeschichten oder überraschende Motivationen sucht ihr vergebens. Manche von ihnen regen euch sogar eher auf. Wie zum Beispiel der dämliche Holzfäller, der mich bei jedem Gespräch um eine neue Axt anbettelte. Als ich dann eine bei mir trug, reagierte er nicht darauf. Sogar in meinem Laden musste ich mehr als fünf Stück an unterschiedliche Personen abgeben, bevor er sich endlich zeigte, um eine zu kaufen.

Ob der fehlende Anspruch etwas damit zu tun hat, dass der Titel noch auf iOS-Geräten erscheinen soll? Irgendeine Erklärung muss es immerhin geben. Ich verstehe einfach nicht, wie Yasuhiro Wada als Schöpfer von Harvest Moon ein derart langweiliges Spiel erschaffen konnte. Zwar versprüht es wie sein früheres Werk den gleichen Charme und auch die Musik von Nobuo Uematsu bezaubert eure Ohren, doch zerfällt alles wegen des Spieldesigns. Das bietet eine lausige, viel zu langatmige Struktur, die selbst im Endgame kaum an Fahrt gewinnt. Ich musste mich wirklich dazu treiben, jeden Tag der vergangenen Woche zumindest ein bis zwei Stunden mit Hometown Story zu verbringen. Dabei wollte ich den Titel doch so sehr mögen. Es bereitet mir daher keine Freude, wenn ich sage: Lasst Hometown Story lieber im Regal und kramt stattdessen einen der alten Harvest-Moon-Teile hervor.

4 / 10

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Björn Balg Avatar
Björn Balg: Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

HomeTown Story

Android, iOS, Nintendo 3DS

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