Homeworld Remastered Collection - Test
Ein Meilenstein der RTS-Geschichte erstrahlt in neuem Glanz.
Hach, was waren das noch für schöne Zeiten. Damals in den 90ern und zu Beginn des neuen Jahrtausends - das klingt schon fast so, als wäre es eine halbe Ewigkeit her -, also zu der Zeit, als die Echtzeitstrategiespiele ihr goldenes Zeitalter erlebten. Ich spielte anno dazumal noch hauptsächlich am PC und war regelrecht vernarrt in dieses Genre. StarCraft, Command & Conquer, WarCraft, Age of Empires, Star Trek Armada und wie sie alle hießen. Langweilig wurde einem als RTS-Fans zu der Zeit ganz sicher nicht. Und dann gab es da 1999 ein Spiel, das mir ganz besonders ins Auge fiel: Homeworld.
Kein Wunder, schließlich mag ich fast alles, was mit Science-Fiction zu tun hat. Erst recht, wenn es dabei noch ordentliche Raumschlachten zu bewundern gibt. Dahingehend war Homeworld im Grunde das perfekte Spiel für mich. Obendrein beförderte es Strategiespiele noch auf eine völlig neue Ebene, indem es den 3D-Raum vollständig und vor allem sinnvoll ausnutzte. Schluss mit der konventionellen Denkweise, hier kann der Feind von überall kommen und ist nicht an eine flache Ebene gebunden. Daran müsst ihr euch zwar erst einmal gewöhnen und es ist nicht immer so leicht, dabei den Überblick zu behalten, aber genau das ist es, was Homeworld so spannend macht. Ihr müsst jeden Blickwinkel im Auge behalten, um nicht womöglich eine böse Überraschung zu erleben, die sich in eurem Rücken nähert.
Seit der Veröffentlichung von Homeworld 2 warten ich und viele andere vergeblich auf einen dritten Teil. Die Homeworld Remastered Collection hilft bei diesem Wunsch zwar auch nicht weiter, kommt einem modernen Homeworld-Spielerlebnis aber noch am nächsten. Und das war beileibe keine Selbstverständlichkeit. Wie der Name schon verrät, ist es ein Remaster, kein Remake. Mit spielerischen Änderungen hat sich Gearbox Software daher weitestgehend zurückgehalten. Gut so, denn schon die Originale glänzten mit ihrer einwandfreien Spielbarkeit! Aber dazu später mehr.
Das Hauptaugenmerk der Remastered Collection liegt ganz klar auf der Grafik. Klingt nach einer recht simplen Aufgabe. Ein paar Modelle und Texturen überarbeiten, fertig. So etwas könnte man entweder schludrig und auf die Schnelle machen oder wirklich vernünftig - hier ist glücklicherweise zu 99 Prozent Letzteres der Fall. Mit jedem Augenblick merkt man dem Remaster an, wie viel Liebe Gearbox von vorne bis hinten in dieses Projekt gesteckt hat. Vergleicht man das mit den Originalen, die ebenfalls Teil der Collection sind, läuft euch unter Umständen schon mal ein kalter Schauer über den Rücken.
Es verdeutlicht mir, warum ich nicht unbedingt ein Freund davon bin, alte Spiele heute in ihrer Originalfassung zu spielen. Manchmal sind die Erinnerungen daran einfach schöner, als es die Realität mittlerweile ist. Es ist in etwa mit dem Heimkinomarkt vergleichbar. Als ich meine erste Blu-ray anschaute, wollte ich danach nie wieder zu DVDs zurückkehren. Bei Homeworld geht es mir ähnlich. Ich behalte die Originale in liebevoller Erinnerung, keine Frage, aber habt ihr einmal die Remastered-Versionen gespielt, wollt ihr eigentlich nicht mehr zurück.
Die Schiffsmodelle sind so wunderbar detailliert und die Texturen dermaßen knackig scharf, man kann sich gar nicht daran sattsehen. Nahezu jedes Detail wurde überarbeitet, wodurch die Spiele fast so wirken, als wären sie in diesen Zeiten entwickelt worden. Nun sprach ich allerdings eben von „99 Prozent" guter Arbeit. Das restliche Prozent betrifft vor allem die Explosionen oder Feuereffekte auf Schiffen, denn die bleiben doch ein gutes Stück hinter dem zurück, was heute in puncto Effekte möglich wäre. Und ich bin mir im Klaren darüber, dass riesige Explosionen im Weltall eigentlich wenig Sinn ergeben, ist mir aber herzlich egal. Aber hey, das ist nichts, was euch großartig stören sollte. Es ist ein klitzekleiner Fleck auf der ansonsten weißen Weste. Andernorts hat das Spiel nämlich auch neue Effekte zu bieten, beispielsweise beleuchten die Strahlen von Ionenkanonen oder Nebel jetzt nahe Objekte beziehungsweise Schiffe. Das sind kleine, aber feine Details.
Kurz gesagt: Nie war Homeworld schöner als heute, schon alleine deswegen lohnt sich die Remastered Collection. Spielerisch gibt es ebenfalls Änderungen, zum Teil eher subtil, manchmal aber auch ein bisschen offensichtlicher. Aber es ist nichts, was das Spielgefühl maßgeblich verändern würde oder negativ beeinflusst. Es sind vielmehr Dinge, die hier und da etwa für mehr Komfort sorgen.
Die Remastered-Version von Homeworld 1 hat Gearbox kurzerhand in die Engine des Nachfolgers portiert, wodurch gewisse Eigenschaften der Fortsetzung in den ersten Teil übertragen werden. Eure Schiffe schickt ihr nun etwa mit Rechtsklicks durch die Gegend und müsst dazu nicht erst einen Button auf der Tastatur drücken. Auf Wunsch beeinflusst ihr selbst durch das Halten der Shift-Taste, wie sich eure Einheiten entlang der Y-Achse bewegen. Die Steuerung funktioniert alles in allem selbst heute noch so intuitiv, wie sie es damals war. Zugegeben, auf den ersten Blick wirkt alles recht komplex, in Wahrheit ist es dennoch ziemlich einfach zu verstehen und geht relativ schnell ins Blut über. Zudem wurde das Interface in beiden Spielen angeglichen und kommt in einem einheitlichen, halbtransparenten Design daher.
Auch beim eigentlichen Gameplay gibt es die eine oder andere Anpassung. In Homeworld 1 müsst ihr euch künftig nicht mehr um Treibstoff kümmern. Mal abgesehen von einer spezifischen Mission, aber ansonsten spielt der Treibstoff wie in Homeworld 2 schlicht keine Rolle mehr. Im ersten Teil kosten Forschungsarbeiten darüber hinaus nun ebenfalls RUs (Ressourceneinheiten). Um das ein wenig auszugleichen, wurde die verfügbare Ressourcenmenge in jeder Mission angepasst.
Zerstörte Großkampfschiffe hinterlassen fortan auch im ersten Teil Rohstoffe, die ihr einsammeln könnt. Ebenso werden wie im zweiten Teil zum Ende einer Mission verbliebene Rohstoffe automatisch in euer Lager transferiert, wenn auch nicht alle. Wenn ihr wirklich alles herausholen und eine möglichst große Flotte haben wollt, müsst ihr noch ein wenig länger bleiben und alles einsammeln. Das ist aber wiederum nicht zwingend nötig, denn eigentlich ist stets genug Material vorhanden.
Es ist keineswegs so, dass man beide Teile spielerisch komplett angeglichen hätte. Beide verfügen noch immer über ihre jeweiligen Eigenheiten. In Teil 2 müsst ihr etwa erst bestimmte Module errichten, bevor ihr Korvetten oder Fregatten bauen könnt, im Vorgänger nicht. Im Nachfolger werden Jäger gleich in Geschwadern konstruiert, in Teil 1 werden sie nach wie vor einzeln gebaut - auch wenn ich persönlich es bevorzuge, gleich ein komplettes Geschwader zu bekommen. Homeworld 2 bietet jetzt darüber hinaus einige der Formationen aus dem Original an, ebenso gibt es bei der Nutzung bestimmter Formationen in beiden Teilen gewisse Boni.
Am Tempo der Spiele hat man bei Gearbox nichts verändert. Immer mal wieder geht es ein wenig ruhiger zur Sache, während ihr euch um das Sammeln von Rohstoffen bemüht, neue Raumschiffe baut, Truppen zusammenzieht oder eure langsamen Zerstörer und größere Schiffe unterwegs zum Ziel sind. Macht aber nichts, eine Zeitbeschleunigung habe ich zu keinem Zeitpunkt vermisst. Im Gegenteil: Ich empfinde es als sehr angenehm. Währenddessen schweift mein Blick immer wieder ab auf die tollen Panoramen, die das Spiel zu bieten hat. Es ist ein wahrhaft majestätischer Anblick, wenn eine gewaltige Flotte aus kleinen und großen Raumschiffen im Formationsflug vor einem strahlend hellen Nebel durch das All zieht. Ich genieße regelrecht den Ausblick und lausche den atmosphärischen Klängen des wunderbaren Soundtracks. Auch so kann man für Stimmung sorgen.
Im Multiplayer-Modus gibt es hingegen umfassendere Änderungen. Hier hat man die Online-Bereiche kurzerhand zu einem einzelnen zusammengefasst, wodurch dann zum Beispiel die Fraktionen aus dem ersten Teil gegen die aus dem Nachfolger antreten können. Der neue Online-Modus liegt noch nicht in der finalen Form vor, jeder Käufer kann aber am Betatest teilnehmen (und bekommt natürlich später die fertige Fassung), während Gearbox weiterhin am noch nicht perfekten Balancing arbeitet und diesen Teil des Spiels noch einigen allgemeinen Tests unterzieht, zumal er den Entwicklern zufolge gleichermaßen aus mehr als 15 Jahre altem und brandneuem Code besteht. Abseits benötigt ihr für den Multiplayer-Part einen Shift-Account von Gearbox.
Gegen andere menschliche Mitspieler könnt ihr ansonsten nur via Steam antreten, LAN-Partien sind nicht möglich. Weiterhin mit dabei sind Skirmish-Matches gegen KI-Gegner.
Es ist schon erstaunlich. Wenn ich nicht wüsste, dass Homeworld vorher schon existiert hat, käme ich glatt auf den Gedanken, dass es ein neues Spiel wäre. Gearbox hat wunderbare Arbeit bei der grafischen Auffrischung geleistet und spielerisch bleibt vieles so, wie man es als Veteran der Serie gewohnt ist. Kleinere Dinge wurden zwar hier und da angepasst, aber nichts davon hat man in irgendeiner Weise verschlimmbessert. Es spricht gleichermaßen für das Spiel und für Relics damalige Arbeit, dass es sich auch heute noch so frisch und unverbraucht wie eh und je anfühlt, obwohl hauptsächlich die Grafik verfeinert wurde. Wenn es so etwas wie eine definitive Version von Homeworld gibt, dann ist es mit Sicherheit die Remastered Collection. Ob ihr das Spiel nun bereits kennt oder nicht, wenn ihr nur ein kleines bisschen an Echtzeitstrategiespielen interessiert seid, darf dieser Meilenstein RTS-Geschichte nicht in eurer Sammlung fehlen. Danke für diese Spiele, Relic. Und danke für die Remastered-Versionen, Gearbox.