Horizon Call of the Mountain im Test: Schwindelig wird mir beim einzigen Exklusivtitel für PS VR2 leider nicht
VR wie man es kennt, aber in schön.
Wenn der Start von Sonys neuem Virtual-Reality-Headset eins nicht hat, dann ist es eine Vielzahl exklusiver Spiele. Tatsächlich gibt es mit Horizon Call of the Mountain sogar nur einen einzigen. Und immerhin: Damit schafft es einer der ganz großen PlayStation-Namen in die virtuelle Realität!
Natürlich unterscheidet sich der Ableger dabei recht deutlich von der Hauptserie. Weder ist man ja in einer offenen Welt noch mit Aloy unterwegs. Man begegnet der sonstigen Protagonistin zwar auch hier, steckt aber in der Haut von Ryas, der durch unglückliche Verstrickungen auf der falschen Seite des Gesetzes gelandet ist und eigentlich sogar auf seine Hinrichtung gewartet hat. Glück für ihn, dass er hervorragend bergsteigen kann. Irgendjemand muss nämlich auf diesen Gipfel klettern, den man die ganze Zeit schon in der Ferne sieht – eine gelungene Art, um Weg und Ziel zu verbinden.
Horizon Call of the Mountain ist also die geradlinige Wanderung über hohe Bergpfade, an steilen Wänden entlang, unterbrochen von gelegentlichen Rätseln und kleinen Verstecken mit Sammelobjekten. In homöopathischen Dosen weht mitunter sogar ein wenig Tomb-Raider-Flair durch das Abenteuer. Von mir aus hätte das gerne stärker im Vordergrund stehen können!
Das liegt auch daran, dass das Klettern im Grunde überhaupt keine Herausforderung darstellt. Man greift einfach nach weiß markierten Vorsprüngen und zieht sich hoch, muss aber nicht einmal die Hände drehen, um sie in schmalen Spalten festzuklemmen oder nur mit zwei Fingern kleine Löcher greifen, obwohl Ryas genau das oft tut.
Man muss allerdings an sehr steilen Wänden Kletteräxte nutzen, sprich diese abwechselnd in den Stein schlagen, um sich dann dran hochzuziehen. Außerdem gibt es einen Greifhaken, mit dem man über Abgründe schwingt. Mitunter springt man sogar, um sich hoffentlich rechtzeitig an der gegenüberliegenden Wand festzuhalten. Das sind Momente, in denen mir Horizon den meisten Spaß gemacht hat. Cool ist auch das Loslassen und wieder Zupacken, um schneller an einem Seil nach unten zu kommen. Ich wünschte nur, man könnte die ewig lange Zeitlupe am Ende jedes Sprungs deaktivieren oder zumindest stark verkürzen. Denn so sinnvoll es ist, einem die ersten Schritte zu erleichtern, so sehr wäre ich irgendwann gerne „richtig“ geklettert.
Zumindest locken nach jedem Aufstieg und auch währenddessen schon bezaubernde Ausblicke über das idyllische Tal. Einige Berge und Bäume in weiter Ferne bestehen zwar aus vergleichsweise wenigen Details und besonders die flachen Texturen der steilen „Axt-Wände“ finde ich enttäuschend. Alles in allem setzt Sony mit Horizon Call of the Mountain aber einen neuen Maßstab für Virtual Reality auf einer Konsole.
Mir ist zudem aufgefallen, dass sich manche Objekte beim Draufschauen noch ganz leicht verändern. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass das Foveated Rendering mit einer kleinen Verzögerung den Blickpunkt scharfstellt oder was sonst der Grund dafür sein könnte. Auf Videos ist der Effekt leider auch schwer nachzuvollziehen, weil dort meist viel zu viel Bewegung im Spiel ist und man nie weiß, wohin man beim Aufnehmen genau wann geschaut hat. Es stört ohnehin nicht! Da es mir aufgefallen ist, will ich es nur mit erwähnen.
Sehr glücklich bin ich übrigens über die Möglichkeiten, dieses VR-Erlebnis an individuelle Vorlieben und Bedürfnisse anzupassen. So konnte ich auf die für mich leider unmögliche klassische Analogsticksteuerung verzichten und stattdessen das alternative Bewegungsmodell nutzen, bei dem man die Arme so bewegt, als würde man betont vormachen, wie ein Mensch läuft. Es ist verblüffend, aber damit gibt sich mein Gehirn so sehr zufrieden, dass es darauf verzichtet mir den Magen umzukippen. Wenn es jetzt noch reichen würde, dass man auf nur einem Controller eine Taste drückt, damit man sich über den Analogstick des anderen schneller umsehen könnte...
Auch das Drehen um die eigene Achse führt man entweder ganz normal oder häppchenweise in unterschiedlich großen Schritten aus. Zusätzlich lassen sich verschieden breite Ränder aktivieren, man kann die Laufgeschwindigkeit verändern sowie andere Kleinigkeiten anpassen.
Nur abseits davon vermisse ich hier einige Besonderheiten, die mir in einem VR-Abenteuer wichtig sind, und damit meine ich vor allem das Anfassen und Manipulieren kleinerer Gegenstände. Denn dass man einen Apfel aufnehmen und zum Mund führen kann, damit Ryas ihn verputzt, ist natürlich klasse. Auch das Herstellen von zum Beispiel Brandpfeilen macht Spaß, wenn man Federn, Spitze und Brandgemisch am Schaft anbringt. Allerdings reicht dafür das Anfassen der jeweiligen Bauteile und grobe Hinführen zum angezeigten Ziel. Man schiebt die Federn aber nicht mal von hinten drauf, muss sie nicht wenigstens richtig herum drehen oder ähnliches.
Andere Personen reagieren außerdem nicht, wenn man sie bewirft oder anfasst – in Dialogen kann man sich ja nicht einmal vom Platz bewegen, während man klassische Dialogmenüs durchexerziert. Da sind andere VR-Spiele längst weiter und eigentlich erhoffe ich mir von einer neuen Generation aufwändiger Produktionen, dass sie besonders diese vereinnahmende Interaktion stärken, nicht das Staunen über weit entfernte Postkarten.
Ein paar Ausnahmen gibt es allerdings. So findet man an einigen Stellen etwa größere Steine, die man übereinander stapeln soll. Dort ist es dann auf einmal sehr überzeugend, wie das Anfassen der Steine und die Physik beim Aufeinanderlegen zusammenspielen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, was in virtuellen Welten funktioniert.
Nicht zuletzt kann man wahlweise mit den Augen durchs Menü navigieren: Indem man eine Option anschaut, ist sie dann ausgewählt, bevor das Drücken der Kreuztaste die Auswahl ganz normal bestätigt. Das ist nicht nur erstaunlich bequem, sondern könnte für manche Menschen womöglich auch den Zugang zu Virtual-Reality-Anwendungen erleichtern.
Und es gibt ja noch das Bogenschießen, denn selbstverständlich stellt man diese Pfeile nicht aus rein sportlichen Gründen her. Stattdessen legt sich Ryas hin und wieder mit Maschinen an, wobei er sich allerdings nicht frei bewegen kann. Stattdessen schiebt man ihn dann auf vorgegebenen Geraden oder Kreisen umher, indem man nach rechts oder links ausweicht. Das ist notwendig, um nicht von heranstürmenden oder -fliegenden Maschinen beziehungsweise ihren Geschossen getroffen zu werden. Und praktischerweise sind die Arenen natürlich so gestaltet, dass man die Gegner stets im Blick behält.
Die Waffe der Wahl ist jedenfalls Ryas‘ Bogen, für den ihm eine unbegrenzte Anzahl normaler Pfeile zur Verfügung steht. Nur die Zutaten zum Herstellen alternativer Geschosse findet man während es Wanderns beim Öffnen von Fässern oder dem Durchsuchen von Kisten, sprich ihre Menge ist begrenzt. Macht auch darum aber keinen Kopf! Ich hatte nach jedem Kampf schnell wieder genug Munition zusammen. Außerdem fällt das Zielen erfreulich leicht.
Entweder nutzt man dabei keine Zielhilfe, eine reguläre Zielhilfe oder eine, die zusätzlich in Betracht zieht, wohin man schaut. So sollte niemand Probleme damit haben, die Schwachstellen der Angreifer zu treffen, hin und wieder auszuweichen und sich gelegentlich einen der Äpfel zu greifen, um beim Essen Gesundheit wiederherzustellen. Horizon ist ohnehin kein anspruchsvolles Abenteuer, sondern sehr nachsichtig in Sachen spielerische Herausforderung. Denn weil die Robo-Saurier auf der normalen Einstellung nur recht geringen Schaden anrichten, hat man viel Zeit mit der Virtual Reality vertraut zu werden, um in Ruhe den Bogen und das Bewegen zu verinnerlichen.
Aus nächster Nähe betrachtet zittert der Pfeil etwas seltsam auf der Sehne umher und manchmal klappt das Einstecken oder Loslassen von Gegenständen beim Greifen über die Schulter nicht so selbstverständlich, wie ich es erwartet hätte. Lieber wäre mir außerdem, Ryas würde seine Kletteräxte an Stricken befestigt am Gurt tragen, anstatt sie ständig in die Tiefe fallen zu lassen. Aber das mehr der Vollständigkeit halber. Sie gehen ja nicht verloren – auch wenn sie das eben müssten.
Test zu Horizon Call of the Mountain – Fazit
Alles in allem ist mir Horizon Call of the Mountain also eine Spur zu gewöhnlich. Denn prachtvolle Berge habe ich in VR schon ebenso bestiegen wie es eine Vielzahl an Pfeil-und-Bogen-Abenteuern gibt. Hauptsächlich wegen der eingeschränkten Interaktion beim Manipulieren der unmittelbaren Umgebung fehlt mir hier aber etwas, bei dem ich sage: „Cool, das habe ich so noch nicht erlebt!“ Dabei sollte es doch gerade in der Virtual Reality vor allem darum gehen. Das soll aber nicht heißen, Call of the Mountain sei ein langweiliges Spiel! Die Mischung aus Klettern, Bogenschießen und kleinen Rätseln ist im Gegenteil sogar eine wunderschöne Reise, die sich immer gut anfühlt. Auf jeden Fall erleichtert es mit seiner Zugänglichkeit und verschiedenen Hilfen auch VR-Neulingen den Einstieg. Und vielleicht ist es ja gerade deshalb als Starttitel für Viele interessant.
Test zu Horizon Call of the Mountain – Wertung: 7/10
Pro und Contra
Pros
- Wunderschöne Postkartenmotive
- Gelungenes Bogenschießen, Klettern und gelegentliches Rätseln
- Unterhaltsame Kämpfe ohne freies Bewegen, aber mit Fokus auf dem Einsatz verschiedener Pfeile und dem Treffen verwundbarer Stellen
- Übungskurs zum Trainieren des Bogenschießens und Kletterns sowie unterhaltsame Kanutour wie in einem Unterhaltungspark
Contra
- Wenig haptisch interessante Interaktion mit unmittelbarer Umgebung und anderen Charakteren
- Kaum Anspruch beim Klettern
- Die flachen Texturen steiler Wände fallen etwas aus dem Bild
Entwickler: Firesprite, Guerilla Games - Publisher: Sony - Plattformen: PS5 - Release: 22.02.2023 - Genre: Action-Adventure - Preis (UVP): knapp 70 Euro