Hotline Miami 2: Wrong Number - Test
Zu viele Psychos, zu viel Story, ich will doch nur auf meine Weise morden.
Tja, Lightning never strikes twice, nicht mal bei John McClane... Abgestumpft bin ich eh schon aus dem ersten Hotline Miami, der Wummer-Beat wurde auch nicht anders. Ist das hier wirklich eine Fortsetzung oder ein angesichts des nahenden Releases herbeihalluzinierter Flashback? Doch, da ist was Neues, nämlich der Verzicht auf ein Tutorial - leicht verschmerzbar -, den letzten Rest von Fairness - weniger akzeptabel - und dann ist da ganz viel, was das Spiel eigentlich nie brauchte.
Hotline Miami war nicht einfach, sollte es auch nicht sein. Wer im Geiste von Super Meat Boy denkt und den Neustart eines Levels in Sekundenbruchteilen absolviert, der rechnet damit, dass der Spieler zwanzig und mehr Anläufe braucht. Fair, kein Problem. Das hat sich nicht geändert, nur dass einen diesmal die Gegner, die man selbst nicht sehen kann, erschießen können. Der Blickwinkel wirkt etwas näher herangezoomt, die Übersicht war im ersten Teil gefühlt etwas besser. Vor allem hatte ich dort weit seltener den Eindruck, dass ein Gegner, den ich nicht sehen kann, mich aus dem Off erschießt. Er hatte zumindest den Anstand, in meinen Bildschirm zu laufen, wenn auch nur Sekundenbruchteile, bevor er mich niederstreckte. Das war auch nicht immer nett, aber Teil eines funktionierenden Spieldesigns. Jetzt muss ich oft erst auskundschaften, wo eine Sichtlinie sein könnte, mir ungefähr merken, wie sich der Gegner dahinter bewegt, und dann beim nächsten Anlauf raten, wo er ist, damit ich nicht im falschen Moment den vorigen Raum betrete und er mich durch die Scheibe aus dem nächsten erwischt. Ja, solche Momente gab es auch zuvor, aber hier habe ich den Eindruck, dass es gefühlt pro Stage eine solche Szene gibt.
Und sonst? Es sieht aus wie das gleiche Spiel, all das Blut ist da, die explodierende, exzessive Gewalt eines guten Revenge-Movies - so gut die Dinger halt sein können -, in dem eine lahme, wirre Handlung mit explodierenden Kunstblutköpfen kombiniert ein schuldiges Vergnügen ergibt. Das ist der gute Teil. Von der neu gefundenen Unfairness abgesehen spielt es sich auch erst einmal genauso, bis ihr dann nach den ersten Stages merkt, dass die Level nicht klein bleiben. In einem Spiel, das von Millisekunden-Toden, übermenschlichen Reflexen und mehr als nur ein wenig Planung lebt, ist das kein Bonus. Es beginnt, schnell zu einem großen Problem zu werden. Sich in etwas verbeißen zu müssen ist eine Sache, das tat ich bei Hotline Miami mit Wonne.
Es hieß dort aber auch auszutüfteln, wie ich in einem übersichtlichen Bereich in Sekunden zehn Typen umniete. Hier heißt es, dass einen der gefühlt und manchmal auch real zwanzigste Gauner kriegt, nur weil er, für mich unsichtbar, hinter einer Scheibe seine Runde ein Sekunde früher beendet oder meine präzise Ausführung Sekundenbruchteile hinterherhinkt. Was uns wieder zum Frust bringt, der sich diesmal je nach eigener Verfassung und Spielernatur deutlich schneller einstellen kann. Ich hatte hier jemanden, der sich schon in Stage 1.3. weigerte, auch nur noch einen Anlauf zu starten, sondern einfach nur tiefen Hass auf dieses Game entwickelt hatte. Ich würde nicht so weit gehen, aber in den großen Leveln gab es Momente, in denen ich mehr als einmal das Pad hinschmiss, aus dem Zimmer stürmte, erst mal ganz tief an der E-Zigarette zog und mit geschlossenen Augen bis zehn zählte. Es ist diese Art von Spiel.
Der ambitionierte inhaltliche Ansatz des Ganzen sprengt ebenfalls den engen Rahmen des ersten Teils. Ihr erlebt nicht mehr nur eine Maskenparade, sondern einen Haufen von Charakteren, alle mit ihren eigenen Psychosen und jeder in seiner eigenen Welt. Entsprechend springt die Handlung zwischen Orten und Jahrzehnten wild vor sich hin. Ihr klammert euch nur an das Eingabegerät eurer Wahl und versucht, verzweifelt kein mentales Schleudertrauma abzukriegen. Am besten einfach entspannen und die Drogen aus Neon und Elektor-Spät-80s wirken lassen, dann merkt ihr sogar, dass hier wahrscheinlich irgendwo etwas drinsteckt, das ein gutes Pulp-Buch ergeben hätte. Spielerisch bringt das aber ein weiteres Problem, da ihr nun nicht mehr die Maske der Wahl tragt und selbst entscheidet, wie ihr zu Werke geht, sondern müsst mit dem Fluss der Wirrheiten leben. Einem Schreiberling, der zum Berserker wird, wenn er Blut sieht, einem Ex-Militär, der an seiner Waffe hängt und nur zulässt, dass ihr Muni sammelt, aber niemals neue Waffen. Ein anderer verweigert wieder alle Waffen, will jeden mit bloßen Fäusten erledigen. Typen, die dann doch wieder Masken tragen, aber nur in begrenzter Auswahl. Dazu kommen Feinde, die man nur auf bestimmte Weisen töten kann.
All das hat nicht den Effekt, dass ich Freude an den neuen Features hatte, sondern mich nur ärgerte, dass mir das Spiel alle paar der knapp 30 Level einen neuen Spielstil aufzwang, auf den ich keine Lust hatte. Wiederum, das erste Spiel ließ mich einfach machen, ich suchte mir meinen Stil und Weg. Hier ist das Game so stolz auf seine ach so tollen Features, dass es die Optionen limitiert und mich zu etwas zwingt, das ich nie wollte. Verdammt, wenn ich Horden von Freaks in einer Orgie aus Blut, Gehirn, Massaker immer und immer wieder killen will, dann will ich es verdammt noch mal auf meine Weise tun!!! (Ausatmen... Ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn...). Es ist nicht so, das diese Charaktere schlecht wären, aber im ersten Teil fand jeder irgendwann seine eigene Beziehung zu dem Spiel, wie er es erleben und spielen wollte und das ist eine rare Tugend. Sie zugunsten einer mittelmäßigen Narrative über Bord gehen zu sehen, schmerzt.
Also ja, ich halte keine der Änderungen an dem ursprünglichen Spiel, das hier zum Glück zu einem guten Teil ja immer noch drinsteckt, für eine gute Idee. Der Stil passt immer noch perfekt, der Soundtrack erreicht zwar nicht ganz die Klasse des Vorgängers, ist aber nah genug dran. Das neue Lock-on-System, das den nächsten Gegner anvisiert, hilft ein wenig, die neuen Hürden besser zu überleben. Vor allem die Nahkampfwaffen sind nun weit effizienter, da ihr Timing verbessert wurde. Eine erste Version des Editors steckt drin, aber die ist noch nicht ganz rund (April/Mai folgt die richtige Version). Wer diesen Wahnsinn dann überlebt hat, bekommt sogar noch einen extraharten Modus, in dem die Level gespiegelt werden und die Gegner noch schneller reagieren. Ich kam gerade mal bis Stage zwei, bevor ich die Waffen streckte. So schnell kann ich die E-Zichten nicht aufladen, wie es hier nötig wäre. Aber wie gesagt, dank guter Spielbarkeit ist das für ein paar Verrückte sicher eine echte Option für eine Samstagnacht voller Mord und Neon.
Kommen wir zu dem hier zeitgemäßen Die-Hard-Vergleich zurück. Manchmal ist es besser, in einem Level einfach zehn Typen genüsslich und persönlich aus dem Weg zu räumen, als fünfzig Kerle auf dem Flughafen mit einer völlig überfrachteten Handlung aus Drogendealern und Ex-Militärs. Ist der bessere Film und auch wenn der zweite Teil Spaß macht, es ist einfach nicht die Klasse da. Zu viel Ballast, zu viel Drang, neue Features nicht anzubieten, sondern aufzuzwingen, zu sehr getrieben von der Idee, es noch härter - im Sinne von schwieriger, an dem Slasher-Movie-Blutlevel gibt es nichts auszusetzen - zu machen, als es gut für das Spiel war. Ich mag Hotline Miami 2: Wrong Number immer noch, da steckt viel von dem drin, was den ersten Teil so gut machte. Aber zu viele Ambitionen führen dazu, dass man seinen Weg schnell aus den Augen verlieren kann, und ich denke, das ist hier das große Problem.