House of the Dragon gibt mir in Folge 4 so viele Gefühle, keins davon gut. Game of Thrones bleibt unbequem
Verbotene Früchte.
Spoiler-Warnung Folge 4: Diese Episodenkritik ist auch und vor allem als Diskussionsbeitrag für diejenigen gedacht, die die Folge gesehen haben. Ergo wird’s ziemlich konkret, was die Geschichte angeht. Habt ihr House of the Dragon Folge vier noch nicht gesehen, kommt ihr besser erst wieder, wenn das erledigt ist.
Puh, eine langsame, aber auch immens wichtige Folge war das, was da gerade über meinen Bildschirm flimmerte. Ich muss sagen, leckerer wird’s nicht gerade, wenn jetzt selbst meine bisherige Lieblingsfigur Rhaenyra auf den Geschmack von Inzest gekommen ist (South Parks Terrance and Phillip hatten einen Song dazu) und plötzlich zu lügen beginnt, dass sich die Balken biegen. Zugegebenermaßen kann man die Serie an Unwahrheiten, die die Prinzessin insbesondere ihrer besten Freundin Alicent auftischt, schon fast als Notwehr und Selbsterhaltungsmaßnahme bezeichnen.
Aber wie sie kurz nach dem Einheizen mit ihrem durchweg gefährlich wirkenden Onkel den unbescholtenen Criston Cole als Trostpreis in ihre Gemächer holt, habe ich ihr übel genommen. Natürlich: Im Kontext einer 16-Jährigen gesehen, die versucht, die Kontrolle über ihr eigenes Leben zu erlangen, ergibt vieles davon Sinn – abzüglich der Onkelliebe, aber so sind sie halt, die Targaryens – und ist sehr gut geschrieben, aber ich hatte sie für klüger gehalten, schätze ich. Ich glaube, ich wollte, dass sie “das Richtige™” tut und Matt Smiths impulsiver Daemon weiß nicht einmal wie man das schreibt. Hatte ich erwähnt, dass er IHR ONKEL IST!?
Nun denn. Was bedeutet das? Nun, zum einen halte ich es für ausgeschlossen, dass der durchweg aufrichtige und nicht unsympathische Criston Cole nicht irgendwann die Quittung hierfür bekommt. (Wiederum: Sie ist Teenagerin, Eskapaden wie diese sind nicht unbedingt ein disqualifizierender Charaktermakel.) Auf der anderen Seite ist da ein König Viserys, der nicht einmal die Kontrolle über seinen eigenen zerfallenden Körper hat und dem nun auch noch die Zügel über seine Familie entgleiten. Ich bin ziemlich sicher, Rhaenyras Experimente werden noch eine ganze Reihe anderer dummer Entscheidungen nach sich ziehen, mit der eigentlichen Tragödie, dass viele der zentralen Akteure es nicht einmal schlecht miteinander meinen.
Gleichzeitig ist es hart, wie sehr die jüngsten Ereignisse das misogyne Frauenbild dieser Fantasy-Welt an die Oberfläche spülen, was besonders Viserys in Folge vier schlecht aussehen lässt. Eine andere Figur, die ich eigentlich mochte. Interpersonell ist das schon ziemlich interessant, was hier für Dynamiken entstehen, gleichzeitig ist es ein wenig frustrierend, wie entschlossen House of the Dragon scheint, dem Zuschauer kaum oder gar keine Sympathieträger hinzustellen, an denen er oder sie sich zuverlässig festhalten könnte. In der Hinsicht war Game of Thrones einst deutlich gefälliger. House of the Dragon kleidet sich da lieber in Grautönen.
Wie gut oder schlecht man das findet, bleibt jedem selbst überlassen, aber es ist in jedem Fall fordernder, vertrackter. Ich bin gespannt, ob die Serie derart im Mainstream ankommen – und gefallen – kann, wenn es so … nun ja kompliziert bleibt. Es ist noch viel zu früh, das zu sagen, aber im Ansatz stimmt es schon jetzt: In Game of Thrones verfiel ich den Charakteren immer mehr, wollte sie näher kennenlernen. Hier ist es in vielen Fällen andersherum. Ich fürchte mich so langsam, was ich über ansatzweise sympathische Figuren noch alles herausfinden werde. Ach, und Otto Hightower ist seinen Job los, zum Teil zu Recht, auch wenn sein Weggang von Viserys' Seite wohl auch nichts Gutes für das Haus bedeuten wird.
Davon abgesehen, muss man auch sagen, dass House of the Dragon mittlerweile überdeutlich klargemacht hat, dass es seinen Titel wirklich ernst nimmt. Der Fokus liegt glasklar auf dieser einen Familie, andere Häuser kommen nur am Rande vor, was auch bedeutet, dass wir King’s Landing kaum verlassen. Vielleicht ist es auch dieser Moloch, der der Show ein wenig dabei hilft, aufs Gemüt zu drücken. HotD ist und bleibt eine ziemlich trostlose und finstere Sendung, die es einem nicht leicht macht, sie zu mögen. Faszinierend und in gewisser Weise bewundernswert.
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