House of the Dragon Season 2 zwischen Brillanz und einschläfernder Langeweile...
... ist unterm Strich trotzdem alles in Ordnung.
Spoiler zu Folge 6 der zweiten Staffel House of the Dragon.
Alles in allem können wir mit der zweiten Season von House of the Dragon bisher zufrieden sein, denke ich. Die Stabilität, mit der Game of Thrones zu Glanzzeiten fesselte, erreicht es nicht, die guten Seiten überwiegen aber in Summe. Die Geschichte nimmt ihren erwartbar düsteren Gang von einer Eskalation zur nächsten und setzt einige unfassbar spannende und beispiellos spektakuläre Glanzpunkte. Das Wechselspiel aus Entscheidungen und Konsequenzen schüttelt uns Zuschauende ordentlich durch.
Wir sehen zum Teil wunderbar durchtriebene Leute, Opportunisten wie Idealisten, und die eine oder andere – pardon – echte Drecksau. In der gestrigen sechsten Folge tut sich auch endlich mal etwas, das den Status Quo in diesem Krieg der Verlierer ordentlich durchrüttelt. Bisweilen erinnert das an das große TV-Kino, das die ersten fünf Staffeln Game of Thrones zu so unvergesslichem Fernsehen machte. Und dennoch: Häufiger, als ich es mir wünschte, wirkt diese Serie arg klein und phasenweise sogar langweilig.
Die Schauplätze wiederholen sich nach meinem Dafürhalten überraschend häufig, so habe ich irgendwann die Zahl der Treffen zwischen Alicent und Criston Cole im grau-grauen Innenhof der Burg aufgehört zu zählen. In Harrenhal stolpert Daemon ebenso desorientiert durch einen repetitiven und geradezu Star-Wars-artig bequemen Irrgarten vielsagender, aber einschläfernder Visionen. Aber insbesondere, wie die Serie Charaktere einführt, die für Leser des Romans zwar Signifikanz haben, aber bislang nichts Interessantes zur Geschichte beizutragen hatten, wirkt auf mich arg ungeschickt. Irgendwie “rückwärts”…
Die Autoren zahlen hier auf etwas ein, das vielleicht erst nächste Staffel erzählerischen Ertrag abwirft. Leute wie Hugh Hammer, Alyn oder Addam machen im Drachentanz, soweit ich das gehört habe, später ein paar wichtige Dinge. Im Willen, sie jetzt schon, parallel zu viel dynamischeren und interessanteren Begebenheiten, einzuführen, placken sie sich mit einigen der starrsten, plattesten Szenen der Game of Thrones-Geschichte ab. Ich frage mich regelmäßig, warum mich das jetzt interessieren sollte? Nun, weil diese Figuren später noch eine Rolle spielen und man dann wissen sollte, wo sie herkommen. Bis hierhin wirken sie jedenfalls mehrheitlich wie Fremdkörper – zumindest in Addams Fall dürfte sich das ab nächster Woche wohl ändern, nachdem Seasmoke ihn nun zu seinem Reiter erwählt hat.
Ser Darklyns schlotternde Knie bedeuten seinen Untergang
Wo wir gerade dabei sind: Ser Steffon Darklyns Schicksal war mir bereits klar, als Rhaenyra ihn zur Tür hereinbat, und noch bevor sie ihn damit beauftragte, bei den Drachen vorstellig zu werden. Die Konfrontation lief trotzdem ziemlich kribbelig ab. Welchen Teil von “zeige keine Furcht” der edle Ser Steffon nicht kapiert hatte, wüsste ich nur zu gerne. Seine Angst sprang effektiv auf mich über. Eine der stärkeren Szenen der sechsten Episode, egal, wie telegrafiert der Ausgang auch war.
In King’s Landing fühle ich mich noch am wohlsten, weil dort die schlimmsten Leute gerade große Probleme miteinander bekommen. Aemond im Prinzregentenmodus mit wenig Lust, den Sitz seinem entstellten Bruder im Falle dessen Genesung zu überlassen. Sein herrisches Herumkommandieren der königlichen Speichellecker ist einfach köstlich, erwischt es doch immer die richtigen, wenn man Alicent mal außen vor lässt, mit der man mittlerweile wirklich Mitleid haben könnte. Besonders spannend ist sein konfrontativer Ton gegenüber Criston Cole, den ich wohl am meisten von allen hasse. Auch Larys Strongs Demütigung bei gleichzeitiger Degradierung zum Laufburschen, um Otto Hightower zurückzuholen, war spitzenmaß. Er ist um ein Vielfaches interessanter als sein älterer Bruder.
Und Rhaenyra? Die findet nach Darklyns Tod im Drachenfeuer ihre zornige Seite. Sie haut mal eben eine der besten Zeilen der Serie raus, nachdem sie Lord Celtigor für sein verkapptes “ich hab’s doch gesagt” mit einer schallenden Ohrfeige fast zum Fenster hinausbeförderte: “It is my fault, I think, that you have forgotten to fear me”. Worte, Stimme, Haltung, Blick – herausragendes Schauspiel, wie Emma D’Arcy, der verzweifelten Königin eine tyrannische Note beibringt. Sie scheint sich innerlich dagegen zu wehren, ist aber sichtlich beeindruckt vom erzielten Effekt.
Also ja: House of the Dragon ist nicht durchgängig interessant, etwas steif darin, wenn es darum geht, den Zirkel der zentralen Akteure zu erweitern. Aber es ist auch eine schön nachvollziehbare Eskalationsdramaturgie mit exzellenten Darstellern und Höhepunkten, wie man sie sonst nur im Kino erlebt. So kann es gerne weitergehen.