House of the Dragon Staffel 2 treibt ein gemeines Spiel mit seinen Fans
Team Schwarz oder Team Grün? Ich hasse alle diese Leute!
SPOILER zu Folge 1 von Season 2 von House of the Dragon
Als Season 1 von House of the Dragon endete, brauchte ich zwar erst einmal wieder eine Pause, aber vorerst war ich mit dem Game of Thrones-Universum versöhnt. Es hatte einiges gebraucht, nach dieser unsäglichen achten Staffel der wegweisenden Fantasy-Serie, aber irgendwie hatten sie es geschafft, dass ich wieder an Bord war. Und das, obwohl auch House of the Dragon es mir nicht ganz einfach machte.
Die Art, wie die Serie ihre Frauencharaktere durch eine Hölle nur für sie schickte und dabei mit der Kamera ganz nah heranfuhr, schmeckte mir gar nicht. Das war eine Idee zu systematisch und grausam, schwer zu ertragen und wirkte oft unnötig provokant (eine Angewohnheit, die auch Staffel 2 nicht ablegt, dazu später mehr). Es waren die tollen Darsteller, die (abseits der zum Schütteln verleitenden Nichtenliebe) nachvollziehbaren Charaktermotivationen und – daraus folgend – ein größtenteils glaubwürdig eskalierender Konflikt, mit vielen unermesslich spannenden Situationen, die House of the Dragon zu sehr gutem Fernsehen machten. Nicht ganz auf dem Level der frühen Staffeln Game of Thrones, aber nur einen Drachenflügelschlag entfernt.
Kalkulierter Schrecken. Effektiv, aber mittlerweile wären Gnade und Mitgefühl die größere Überraschung
Dass House of the Dragon wohl immer ein Stück hinter dem Vorläufer zurückbleiben wird, liegt insbesondere daran, dass viele seiner Geschichten offenbar in erster Linie um den Effekt willen erzählt werden. Anstatt den Schock aus der Handlung folgen zu lassen, wird die Handlung so frisiert, dass sie schockiert. Die Macher der Show haben es längst zur Kunstform erhoben, auf der Gefühlsklaviatur der Fans zu spielen, dass die Geschichte trotzdem gut ist, und nicht allzu konstruiret wirkt, ist ein kleines Wunder.
Besonders perfide schien mir das in dieser einleitenden Folge, “A son for a son”, wenn man das Marketing im Vorfeld mitbekommen hatte. Wieder und wieder stellte unterschiedlichste Werbung die Frage, ob man “Team Grün”, für Alicent, Cole und Aegon, war oder “Team Schwarz”, für Rhaenyra und ihren Onkelgatten. Das ist natürlich keine faire Frage, wenn Rhaenyra die Rollen des zentralen Blickwinkelcharakters und der rechtmäßigen Thronfolgerin auf sich vereint, und ihr Sohn gerade eben durch die Hand des größten Unsympathen der Serie sein Leben ließ. Sie ist im Recht und der Underdog.
Kurzum: Natürlich ist man “Team Schwarz”, das war auch den Autoren klar… die prompt in Folge eins die vermeintlich “Guten” mit das Schlimmste machen lassen, was in einer dieser Serien bisher passierte. Und natürlich geschieht es der bedauernswertesten Person der Gegenseite, der autistischen Helaena, Frau des unrechtmäßigen Königs Aegon. Die Arme muss Attentätern verraten, welches ihrer schlafenden Kleinkinder ihr Sohn ist, für dessen Tod sie eine Belohnung von Daemon erwarten. Der war zwar auf Aemond aus, und wird kaum erfreut sein, über diese Tat, ist aber letztlich dafür verantwortlich, dass ich mir heute Früh um 9:45 anhören durfte, wie einem Fünfjährigen der Kopf abgesägt wurde. Puh…
Weil das aber offenbar noch nicht genug Qual für die junge Mutter war, war sie es auch noch selbst, die den Mördern geholfen hatte, Zugang zu den königlichen Gemächern zu bekommen: Es war der Rattenfänger, um den sie selbst gebeten hatte, der Daemons Mann zu ihren Kindern führte. Übel. Fast fühlt man sich wie ein Komplize dieser Untat, wenn man zuvor “Team Schwarz” zugetan war. Vor allem war die Spannung kaum auszuhalten, weil man Aemond es auch irgendwo gönnt, auf dem Nachttopf etwas Spitzes zwischen die Rippen zu bekommen und fast mitfiebert, mit diesen Barbaren, die Momente später beweisen, dass sie keinen Funken Menschlichkeit in sich tragen.
Insgesamt also schwer auszuhalten, was natürlich auch für die Serie spricht. Die Autoren hatten mit spitzem Stift auf diesen Moment hingeschrieben. Ich mochte auch das komplette Zusammenraffen und Aufarbeiten der Geschehnisse des Season-Finales von vor bald zwei Jahren, Emma D’Arcy spielt den Schmerz über den Verlust ihres Sohnes ungemein mitfühlend. Auch auf der anderen Seite lässt Olivia Cooke, die ich sowieso immer gerne sehe, eine Menge subtilen Schmerz über die Situation durchscheinen.
Bin in die Nebenrollen toll besetzt
All das flankieren wunderbar durchtriebene Nebenfiguren, von Otto Hightower bis hin zu Larys Strong sind sie alle taktisch brillant und unterschiedliche Schattierungen von Drecksack. Auch das Intrigieren von Ser Cole zusammen mit Aemond war ein interessanter Mix: Der Erste hält sich vermutlich immer noch für eine Art ehrenhaften und zu Unrecht verkannten Helden, während der Zweite sich keine Illusionen darüber macht, was hier gerade passiert. Aemond weiß, dass Rhaenyra eigentlich der Thron gebührt. Das war erfrischend ehrlich und sicher auch nicht ohne Grund an der Stelle vorgetragen, an der wir es hörten: Kurz vor dem versuchten Attentat auf ihn.
Nein, das ist schon alles sehr, sehr gut gemacht, auch wenn ich keinen Zweifel daran habe, dass hier irgendjemand entlang des Weges gerade deshalb seinen Job liebt, weil er die Zuschauenden böse quälen kann. Kreativ gesehen grenzt das niedere Motive, aber meine Güte, das macht schon Spaß, zuzuschauen!