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HTC Vive XR Elite im Test: Dreimal so teuer wie Meta Quest 3, aber in fast allen Belangen schlechter

Gemischte Gefühle statt Mixed Reality.

Das XR Elite hat gutes Passthrough, ist aber relativ unhandlich, sitzt nicht bequem und bietet außer dem Dioptrinregler keinen nennenswerten Vorteil gegenüber dem deutlich billigeren Quest 3.

Dass das HTC Vive XR Elite unter anderem als handliches VR-Headset beworben wurde, dass extra ohne ein festes Band ausgeliefert wird, mit dem es an der Oberseite des Kopfs gehalten wird, sorgte für einen denkbar ungünstigen Start meiner Testzeit. Denn ich hatte es tatsächlich zunächst aufgesetzt, ohne das mitgelieferte schmale „Schlüsselband“ anzubringen, mit dem man eine solches Halterung optional herstellen kann. Ohne ist es nämlich ausgesprochen schwer – mit 625 Gramm sogar mehr als 100 Gramm schwerer als Metas Quest 3, welches momentan die stärkste Konkurrenz für das XR Elite sein dürfte.

Immerhin handelt es sich bei beiden um kabellose Virtual-Reality-Geräte, in denen man dank modernem Passthrough ein farbiges Bild der Umgebung anzeigen lassen kann, während gleichzeitig VR-Anwendungen laufen. So soll man nicht nur in der virtuellen Wirklichkeit versinken, sondern in der so genannten Mixed Reality (MR) virtuelle Erlebnisse in der realen Welt erleben. Blöd natürlich, dass das Ganze bei Vive in etwa das Dreifache dessen kostet, was Meta für seine fast durchgehend bessere Hardware verlangt.

Vergesst auf keinen Fall das Stirnband anzubringen. Ohne rutscht das relativ schwere Headset schnell nach unten.

Übersicht

Hardware und Handhabung

Ich hatte das Kopfband natürlich bald gefunden, angebracht und schon saß das XR Elite durchaus ordentlich – auch besser als die unscheinbare Halterung vermuten lässt. Mir ist nur völlig unverständlich, dass das Tragen ohne dieses Band eigentlich so von HTC gewollt ist und das Gerät tatsächlich dafür konzipiert ist.

Klasse finde ich dafür, dass selbst viele Brillenträger das Bild recht nah ans Gesicht ziehen, weil sie ihre benötigten Dioptrien direkt an den Linsen einstellen und dadurch auf ihre Sehhilfe verzichten können. Von 0 bis -6 reicht dabei die Toleranz. Wer eine größere Korrektur benötigt, muss ein zusätzliches Stirnpolster kaufen, um den Abstand der Linsen zur Stirn so zu vergrößern, dass eine Brille zwischen Kopf und Headset passt. 25 Euro kosten zwei dieser Abstandshalter im offiziellen Vive-Store.

Das traf auf mich zwar nicht zu, da ich so oder so keine Brille trage (auch wenn ich mit meinem Augenarzt mal darüber reden muss, warum ich bei einer mittleren Einstellung besser sah als mit 0), so richtig warm wurde ich mit dem XR Elite aber selbst nach dem Anbringen des erwähnten Kopfbands nicht. Denn auch damit wirkte das Headset noch recht schwer – ich vermute, das hat unter anderem damit zu tun, dass sowohl die Rückseite als auch die Maske, die auf der Stirn aufliegt, im Vergleich mit anderen Geräten recht schmal sind und damit punktuell relativ hohen Druck ausüben.

Die Maske ist nur mit Magneten begestigt und daher leicht abnehmbar. Leider kann sie sich deshalb auch von selbst lösen.

Und apropos Maske: Die lässt sich zwar leicht abnehmen, weil sie ausschließlich mit Magneten befestigt wird, anstatt mechanisch eingesteckt zu werden. Wenn das Headset ein scharfes Bild darstellt, sitzt es bei mir allerdings so, dass sich die unteren Magneten sofort lösen. Ich habe deshalb die meiste Zeit über mit einer leicht losgelösten Maske gespielt, obwohl ich selbstverständlich verschiedene Einstellungen in Sachen Länge und Festigkeit der vertikalen und horizontalen Bänder ausprobiert habe. Ein mechanisches Einstecken wäre mir deshalb deutlich lieber gewesen.

Während die Controller zudem alle notwendigen Funktionen erfüllen, ohne in irgendeiner Form hervorzustechen, bin ich doch enttäuscht darüber, dass sie eher an einfache Third-Party-Gamepads erinnern als wie hochwertige Eingabegeräte eines anderthalbtausend teuren Hardware-Sets. Besonders die oft genutzten Schultertasten wirken in diesem Zusammenhang seltsam leicht und klapprig.

An dieser Stelle außerdem ein Hinweis zum Lieferumfang: Die drei gleichen, sehr kurzen Ladekabel benötigt man praktisch nie zur selben Zeit, da die Controller eine deutlich längere, sprich komplett andere Laufzeit haben als das Headset. Warum dann nicht statt des dritten Kabels ein hochwertiges langes beilegen, mit dem man das XR Elite an einen Computer anschließen kann. Mein Gefühl rechnet sicherlich nicht ökonomisch, sagt mir aber, dass sich HTC diesen Luxus in Anbetracht des Preises hätte gerne leisten können.

Unausgereifte Software

Aufseiten der Software funktioniert das Einrichten hingegen einwandfrei – zumindest was das Festlegen der Höhe des Bodens und das Definieren eines Sicherheitskäfigs angeht. Auf gar keinen Fall wollte sich das XR Elite allerdings mit der App meines Smartphones verbinden, obwohl es als Bluetooth-Gerät dort sehr wohl erkannt wurde. Ich habe das etliche Male auf verschiedene Weise probiert, doch kein einziges Mal Erfolg gehabt. Das Spiegeln des Telefons in VR oder MR konnte ich daher nicht einmal ausprobieren.

Besonders die Schultertasten der ohnehin nicht besonders hochwertig wirkenden Controller hinterlassen keinen guten Eindruck.

Und dann ist da noch ein unglückliches Ärgernis in der Benutzerführung, das mich ebenfalls so manchen Nerv gekostet hat. Schaltet man das Headset nämlich an, ohne dass die Controller bereits aktiv sind, wird man von einem Informationsfenster darauf hingewiesen – welches dermaßen groß und dunkel ist, dass man trotz aktivem Passthrough überhaupt nicht sieht, wo die Controller eigentlich liegen.

Der Hinweis verschwindet auch erst, nachdem beide Controller aktiv sind, obwohl das XR Elite zum einen auch die Erkennung der Hände als Eingabegeräte beherrscht und man zum anderen die VR-Controller in zahlreichen PC-Spielen gar nicht braucht. Das wirkt leider furchtbar undurchdacht.

In Sachen Verbindung zum PC hat die Benutzerführung bei HTC allerdings einen großen Vorteil, da man sich über einen Filter schon in dem Vive-eigenen Menü gezielt nur jene Programme anzeigen lassen kann, die auf dem PC installiert sind. Davon dürfen sich Meta & Co. gerne eine Scheibe abschneiden!

Handtracking – noch immer nicht ausgereift

Was hingegen weder hier noch da anständig funktioniert, das ist die erwähnte Erkennung der Bewegungen aller Finger. Denn erstens muss man die Hände dafür in der Mitte des Sehfelds halten, weil sie sonst nicht von den Kameras erfasst werden, und das ist oft unbequem, während es nicht zuletzt die Immersion stört, sich vollständig in einer anderen Welt zu befinden. Wenn man im Rhythmusspiel Maestro: The Masterclass etwa einen Beat verpasst, weil man nicht genau dorthin gestarrt hat, wo man mit der Hand den Takt vorgibt, zieht mich das einfach raus.

Die Dioptrienzahl stellt man über einen analogen Regler ein. Viele Brillenträger sollten das XR Elite daher ohne Sehhilfe nutzen können.

Zweitens produziert die Erkennung immer wieder kleine Fehler, wegen denen die virtuellen Hände nicht genau das machen, was die realen tun. Und drittens existiert nach wie vor eine gewaltige Verzögerung zwischen dem Ausführen einer „Fingerübung“ und der Übertragung in die Virtual Reality. Mehr als ein netter Gag für ein paar Minuten Ausprobieren ist das für mich damit nicht. Nur um ein Spiel zu starten, ohne vorher die Controller einzuschalten, wäre das unheimlich praktisch.

Mixed Reality

Und was hat die viel gepriesene Mixed Reality eigentlich auf dem Kasten, wenn man zum Beispiel den Bullet-Hell-Shooter Yuki so spielt, dass das Wohnzimmer als Hintergrund dient? Na, ja… witzig ist das. Sieht anders aus als der Hintergrund im Spiel. Und man läuft womöglich weniger häufig gegen die eigenen Möbel. Eine bahnbrechend neue Erfahrung ergibt sich daraus allerdings nicht.

Irgendwann in der Zukunft könnte allerdings der Tiefensensor des XR Elite interessant werden, da man mit dessen Hilfe nicht nur ein Video der Umgebung erhält, sondern auch ein räumliches Drahtgittermodell davon erstellen kann. Noch wird das kaum genutzt, auch von HTC selbst nicht. Ich habe zwar ein solches Modell erstellen lassen (das geschieht wie bei anderen Headsets durch kurzes Umsehen), derzeit gibt es aber kaum Möglichkeiten, in Augmented Reality (AR) genannte Erlebnisse einzutauchen, bei denen Wände und Möbel zu Objekten in der Spielwelt werden.

So sieht das XR Elite aus, wenn alle Teile im Bild sind.

Ein Hinweis noch zum Passthrough-Bild, das man durch doppeltes Antippen der Taste zum An- und Ausschalten jederzeit aufruft oder verschwinden lasst. Von „gestochen scharf“ kann auch bei Vive noch immer keine Rede sein, zumal Passthrough nach wie vor die Dimensionen des Raums spürbar verzerrt. Gleichzeitig ist das relativ hochauflösende Video aber ungemein praktisch und erleichtert die Orientierung mit aufgesetztem Headset enorm. Hat man sich einmal an die aktuelle Generation der Passthrough-Technologie gewöhnt, fällt es schwer zurückzugehen.

Gute Sicht?

Von unbestreitbar hoher Qualität ist außerdem die Auflösung der Displays, die mit jeweils 1920 mal 1920 Punkten zwar hinter der des Quest 3 (2064 mal 2208 Pixel) liegt, aber für sich genommen ein angenehm scharfes Bild darstellt. Es ist ein wenig grell, das Sichtfeld trotz einer Diagonale von 110 Grad nicht das weiteste und die maximal 90 Hz sind gegenüber inzwischen üblichen 120 Hz nicht der Weisheit letzter Schrei. Für ein angenehmes VR-Erlebnis reicht die verbaute Hardware aber aus.

Überhaupt will ich nicht unerwähnt lassen, dass das XR Elite zwar mit ärgerlichen Schwächen zu kämpfen hat und vor allem deshalb gegenüber besserer Konkurrenz den Kürzeren zieht. Die verbaute Technik ist alles in allem aber sehr ordentlich. Sie kann nur nicht mithalten gegenüber dem in allen wesentlichen Belangen besseren Quest 3, das gerade mal ein paar Monate später veröffentlicht wurde, also zur gleichen Zeit in Entwicklung war, und mit dem Snapdragon XR2 der zweiten Generation statt der ersten auch einen etwas schnelleren Prozessor besitzt.

Zwischen Anspruch und Umsetzung

Wenn ich das richtig verstehe, dann wollte Vive mit dem XR Elite einen Weg einschlagen, den andere Headsets nicht gehen: weg vom relativ klobigen Kopfkasten hin zur schmalen, aber noch immer leistungsfähigen VR-Brille. Nur ist man von diesem Ziel noch immer weit entfernt und zieht gleichzeitig aber auch gegenüber „klassischen“ Headsets den Kürzeren.

Das Vorderteil ohne Akku. Weil dann das Gegengewicht fehlt, sitzt das in dieser Form sehr leichte Headset leider ebenfalls nicht besonders gut.

Das angestrebte Ergebnis betrifft unter anderem das fehlende Breite Kopfband – obwohl man das schwere Gerät ohne beinahe provisorisch wirkendes „Schlüsselband“ wirklich tragen könnte. Der fehlende Anschluss für kabelgebundene Kopfhörer wirkt in Anbetracht der schwachen, in den Bügeln verbauten Lautsprecher ähnlich unausgereift. Dass man Audiogeräte per Bluetooth verbinden kann, sehe ich aufgrund der gewaltigen Verzögerung nicht als nennenswerten Ausgleich dafür an.

Dabei hatte ich noch gar nicht erwähnt, dass man den schweren Akku am hinteren Ende sogar abnehmen kann. Man steckt dann stattdessen zwei Verlängerungen der Bügel an, mit denen das XR Elite wie eine dicke Brille aussieht und vom PC mit Strom versorgt werden könnte oder von einer Powerbank, die man in eine Tasche steckt. Ob Letzteres so viel besser ist, wage ich allerdings zu bezweifeln. Mitgeliefert wird ein solcher Akku ohnehin nicht.

Vor allem aber empfand ich das dann stark nach unten ziehende und daher schnell verrutschende Vorderteil als so unbequem, dass ich selbst beim Spielen über PC den Akku dran gelassen habe, um von der besseren Balance zu profitieren. Davon, dass das Vorderteil alleine lediglich 273 Gramm wirkt, hat man wegen des relativ schlecht sitzenden Vorderteils also erstaunlich wenig.

Zu guter Letzt muss ich außerdem auf das Lüftergeräusch hinweisen, das für sich genommen nicht besonders laut ist. Aber wenn man es selbst im Menü ebenso häufig wie deutlich wahrnimmt und es spätestens beim Starten vieler Anwendungen unüberhörbar aufdreht, dann muss ich für mich leider festhalten, dass diese Art Virtual Reality für mich einfach nicht infrage kommt.

HTC Vive XR Elite im Test – Fazit

Wisst ihr, was das erste war, das ich nach dem ausführlichen Ausprobieren des XR Elite getan habe? Ich habe mir ein VR-Headset von Meta gekauft. Es liegt nicht daran, dass im neuen Vive schlechte Hardware verbaut wäre. Es handelt sich nicht um die leistungsstärkste ihrer Klasse. Sie hat aber genug auf dem Kasten, um ein ausreichend klares Bild darzustellen, mit farbigem und relativ hochauflösendem Passthrough die Handhabung zu erleichtern sowie Mixed-Reality-Anwendungen zu ermöglichen und man ist dank des Tiefensensor für eine potenzielle Augmented-Reality-Zukunft gewappnet.

Dummerweise ist das Headset samt Akku allerdings so schwer und aufgrund seiner Bauart so unhandlich, dass es für mich das mit Abstand unbequemste seiner Art ist. Und auch ohne den Akku macht es in dieser Kategorie keine Punkte. Dass sich die Maske vorm Gesicht sogar lösen kann, dass die Controller keinen hochwertigen Eindruck hinterlassen, dass man den Lüfter deutlich hört und in manchen Fällen nicht einmal das Zusammenspiel mit der offiziellen App funktioniert… Das XR Elite hat an fast allen Ecken und Enden kleine und größere Schwächen, die umso störender sind, je mehr bedenkt, dass man dafür regulär fast dreimal so viel zahlt wie für das in jeder Hinsicht bessere Quest 3. Und so viel ist mir die Abneigung gegen Facebook & Co. dann eben doch nicht wert.

HTC Vive XR Elite
PROCONTRA
  • Kein großartiges, aber relativ hochauflösendes Bild
  • Dioptrienregler erlaubt Einstellen der Brillenstärke direkt an den Linsen
  • Verzerrtes, aber farbiges, vergleichsweise klares Passthrough-Bild der Umgebung
  • Menü bietet Filter, um per PC-Streaming verfügbare Titel separat anzuzeigen
  • Vergleichsweise schwer und unhandlich
  • Magnetisch angeklickte Gesichtsmaske löst sich teilweise bei bestimmten Kopfformen
  • Häufiges deutlich hörbares Lüftergeräusch, auch in Menüs
  • Relativ klapprig wirkende Controller, besonders an den Schultertasten, und keine Ausgänge zum Anschließen eigener Kopfhörer
  • Sind Controller nicht aktiv, wird Passthrough-Bild größtenteils durch entsprechenden Hinweis verdeckt
  • Steuerung per Handerkennung oft fehlerhaft, mit deutlicher Verzögerung und nur in kleinem Bereich vor Gesicht möglich
  • Pairing mit Smartphone-App und damit Spiegeln des Telefons funktioniert eventuell nicht

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Benjamin Schmädig Avatar
Benjamin Schmädig: Für ihn ist WipEout 2097 der Grund, aus dem es Videospiele gibt – aber auch Indiesachen, Shooter sowie fast alles, das mit Weltraum zu tun hat. Sucht gute Storys, knackige Herausforderungen und freut sich, wenn die grauen Zellen nicht unterfordert werden.

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