Humankind mausert sich zur echten Civilization-Alternative
Einmal durch die Menschheitsgeschichte. Und noch einmal...
Wenn ihr mal darüber nachdenkt, wie alt unser Planet ist und wie viele Jahre Evolution in ihm stecken, macht die Menschheit in ihrer jetzigen Form nur einen ganz, ganz winzigen Teil davon aus. Und doch haben wir in dieser Zeitspanne viel erreicht, wenngleich es häufig nicht zum Vorteil der Erde geschieht, diese vielmehr ausgebeutet wird. Ein Weg, den jeder von uns ein wenig auf seine Art beeinflussen kann, auf das große Ganze haben die meisten unserer Taten hingegen wenig Auswirkungen, solange wir es nicht gemeinschaftlich tun. Außer ihr spielt Humankind, das euch mit seiner Fülle an Möglichkeiten und Optionen fast erschlägt, aber das Schicksal einer Kultur ganz allein in eure Hände legt.
Humankind, das ist der von manchen als "Civilization-Killer" bezeichnete 4X-Titel aus dem Hause der Amplitude Studios (Endless Space, Endless Legend). Und keine Sorge, es ist nicht einfach eine 1:1-Kopie von Sid Meiers legendärer Spielereihe. Wenn ihr mit der vertraut seid, ist das natürlich kein Nachteil beim Spielen von Humankind, wenngleich es ausreichend Unterschiede zwischen den beiden gibt.
Alles beginnt in Humankind mit einem neolithischen Stamm, einer einzelnen Einheit, mit der ihr - und die KI ihrerseits - über die Karte zieht. Mit Städten und Siedlungen habt ihr hier noch nicht viel zu tun, ihr marschiert durch die Gegend und erkundet die Welt auf der Suche nach Nahrung oder Wissen. Ihr braucht "Era Stars", um in ein neues Zeitalter aufzusteigen. Einige dieser Aufgaben bestehen bei mir beim Anspielen des Titels zum Beispiel darin, drei Tiere zu jagen, interessante Dinge auf der Karte zu entdecken und dadurch zehn Wissenschaftspunkte zu sammeln oder meine Population auf insgesamt fünf Einheiten zu vergrößern. Ihr habt noch mehr Optionen als das, sodass ihr nicht zwingend auf die Jagd gehen müsst. Ganz wie ihr möchtet.
Der Wandel der Kulturen in Humankind
Eine Besonderheit ist, dass ihr in Humankind mit jeder neuen Ära eine andere Kultur wählen könnt, die eure Zivilisation beeinflusst. Nachdem ich alle Ziele erfüllt habe, habe ich unter anderem die Wahl zwischen Ägyptern, Babyloniern und Phöniziern, alle haben unterschiedliche Eigenschaften und Boni, die mit in meine Zivilisation einfließen und euch für den Rest des Spiels begleiten. Ihr müsst auch nicht zwingend sofort in die nächste Ära aufsteigen, sobald sich die Chance dazu ergibt.
Wäre es da nicht einfach, länger im ersten Zeitalter zu verweilen, Massen an Einheiten zu sammeln und Nachbarn zu überrennen? Möglich ist das, aber: "Wenn du ewig viel Zeit in der ersten Ära verbringst, solltest du bedenken, dass andere Imperien bald ins nächste Zeitalter aufsteigen und du zurückbleibst", erklärt Creative Director Jean-Maxime Moris während eines Preview-Events. "Und sie könnten sich Kulturen schnappen, auf die du dann keinen Zugriff mehr hast, daher gibt es immer einen Anreiz, sich weiterzuentwickeln."
Moris sagt es bereits: Wie erwähnt stehen in jeder Ära zehn Kulturen zur Verfügung, aber schnappt sich ein KI-Gegner eine davon, ist sie für euch nicht mehr verfügbar - und umgekehrt natürlich ebenso. Ihr müsst daher für euch herausfinden, ob es euch wichtig ist, bestimmte Kulturen anzunehmen, weswegen ihr gezielt auf das nächste Zeitalter hinarbeitet, oder ob ihr einfach das nehmt, was kommt, und euch daran anpasst.
"Du kannst dich entscheiden, länger in einer Ära zu bleiben, eine Menge Einheiten anzuhäufen und versuchen, fortschrittlichere Kulturen zu überrennen", ergänzt Chief Creative Officer Romain de Waubert. "Auch das ist in der Realität passiert." Dabei solltest du dir aber die Frage stellen, ob es das wert ist. Kannst du mit deiner Taktik ausgleichen, dass sich in der Zwischenzeit andere Zivilisationen noch weiter entwickeln?"
Keiner hat gesagt, dass die Entwicklung einer Zivilisation einfach ist
Es ist eine von vielen Fragen und Entscheidungen, mit denen euch Humankind konfrontiert. Das Schicksal eures Volkes und seine Entwicklung liegen wahrhaft in euren Händen. Mit dem Aufstieg in die zweite Ära steht zum Beispiel die Gründung eures ersten Außenpostens auf der Tagesordnung, aus dem dann die erste Stadt hervorgeht. Dabei kommt's auf eine gute Platzierung an. Mit einer zuschaltbaren Oberfläche seht ihr, was das jeweilige Feld zu bieten hat und wie viel davon: Nahrung, Industrie, Geld oder Wissenschaft. Setzt hier hier auf eine gesunde Mischung, sofern es möglich ist, oder spezialisiert ihr eure Außenposten und Städte? Erneut trefft ihr eine Entscheidung.
Je nach Gebiet gibt's mal mehr, mal weniger von einem bestimmten Attribut, die Wahl eures Stadtstandorts ist somit abhängig davon, was ihr so vorhabt. Gleichzeitig gilt es, die Einschränkungen des Spiels zu beachten. Ihr könnt nicht nach Lust und Laune Städte gründen oder erobern, wie es euch passt, es gibt ein Limit, das sich zum Beispiel durch Forschungen vorantreiben lässt. Geht ihr darüber hinaus, sinkt langsam euer Einfluss, den ihr unter anderem braucht, um entdeckte Weltwunder für eure Zivilisation zu beanspruchen und bauen zu können.
Viel Zeit zum Ausbreiten bleibt mir beim Anspielen erst einmal nicht. Nachdem ich zwei weitere Städte gebaut habe, greifen mich wie aus dem Nichts die Mongolen an und holen mir die beiden Neuzugänge ab. Zum Glück gelingt es mir noch, eine der Städte zurückzuerobern, bevor die Waffen schweigen, ich habe aber an Macht eingebüßt. Wenngleich mir in dem Moment noch nicht ganz klar war, wieso die Mongolen mich in dem Moment angreifen konnten beziehungsweise warum sie es taten.
Gut möglich, dass ich bei meiner ersten Begegnung mit Humankind was übersehen habe. Im Zentrum des Diplomatiesystems stehen hier die Krisen. Das, was ihr auf der Map des Spiels tut, kann eine Krise auslösen. Das Studio orientieren sich hier an der Realität: es passiert was, es folgt eine Reaktion und dann eskaliert oder deeskaliert die Lage. Als Beispiel nennen die Verantwortlichen die Kubakrise. Basierend auf Geschehnissen auf der Karte ist es für euch möglich, zu sagen, dass euch eine bestimmte Zivilisation Unrecht getan hat. Daraufhin stellt ihr, wenn ihr möchtet, Forderungen - und werden diese nicht erfüllt, steigt die Unterstützung innerhalb eurer Bevölkerung für einen Krieg. Davon abgesehen gibt's die üblichen diplomatischen Optionen wie Handel, Allianzen oder Nichtangriffspakte.
In Humankind geht es darum, einen Eindruck auf dem Planeten zu hinterlassen
Egal ob Ideologien, Religionen und so weiter, wie im echten Leben entwickelt sich eure Kultur mit den Jahren weiter. Ihr legt fest, ob ihr streng gläubig oder hinsichtlich des Glaubens offen seid, wie weit ihr dafür geht und ob ihr Menschen unterdrückt. Humankind ist sehr flexibel auf dem Weg in die Zukunft. Wie weit ihr diese Flexibilität ausnutzt oder ob ihr euch mehr an euren anfänglichen Zielen orientiert, liegt an euch. Mit dem Aufstieg in ein neues Zeitalter steigen natürlich die Anforderungen an euch für das weitere Vorankommen. Zum Beispiel sollt ihr hier eine bestimmte Summe an Geld verdienen, eine vorgegebene Zahl militärischer Einheiten rekrutieren oder 17 Distrikte errichten, um mehr Era Stars zu erhalten. Distrikte orientieren sich dabei an den Attributen eines Feldes, ihr baut Industrie auf Industriefeldern, Nahrung-verarbeitende Gebäude auf Nahrungsfeldern und so weiter.
Vieles davon beeinflusst die Stabilität einer Stadt. Die steht für die Kontrolle. Und je geringer die Stabilität, desto problematischer ist das für euch, weil es zu Aufständen führen kann. Die richtige Balance ist entscheidend, damit ihr es nicht übertreibt und die Leute weiter zufrieden sind. Gleichzeitig gibt es verschiedene Möglichkeiten, andere Städte zu übernehmen - es muss dafür kein Krieg geführt werden. Über die Diplomatie zum Beispiel, wenn ihr eine entsprechende Forderung stellt und die andere Zivilisation akzeptiert. Was natürlich nicht einfach so nebenbei gelingt, dafür muss euer Einfluss ausreichend groß sein. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, von eurer Macht über Wunder und heilige Stätten bis hin zu benachbarten Territorien.
Das endgültige Ziel in Humankind besteht nicht darin, allein die größte Macht auf dem Planeten zu sein. Es geht darum, einen bleibenden Eindruck von sich und seiner Kultur zu hinterlassen. Am Ende entscheidet der Fame-Wert über den Sieger. Dazu tragen verschiedene Dinge einen Teil bei, von Errungenschaften über Entdeckungen bis hin zu moralischen Entscheidungen und gewonnenen Schlachten, ebenso durch den Bau von Weltwundern, Forschung und Erfindungen oder spezifische Ereignisse. Anders gesagt: ihr müsst schon ein wenig aktiv sein und könnt nicht einfach allein in eurer Ecke hocken, der Ruhm kommt nicht komplett von selbst.
Im Rahmen meiner Preview-Version konnte ich die ersten vier Zeitalter erleben und um die 200 Runden spielen. Im Grunde viel zu wenig Zeit, um Humankind in seiner Gesamtheit zu erfassen und alle Details zu entdecken, zumal noch zum Ende hin Dinge fehlen, die ich so nicht sehen konnte. Die Entwickler versprechen aber, dass es unterschiedliche Spielgeschwindigkeiten gibt, von sehr langsamen Spielen mit vielen Runden bis hin zu schnellen Durchgängen. Dazu gibt's eine Reihe von Schwierigkeitsstufen, die sich auf die Fähigkeiten der KI auswirken. Kennt ihr euch mit solchen Spielen aus, könnt ihr getrost auf der mittleren Stufe einsteigen. Für Einsteiger sind die niedrigeren Optionen geeignet, die die KI abschwächen und dafür sorgen, dass ihr gut ins Spiel kommt.
Humankind ist die Erfüllung eines Traums
"Als wir die Amplitude Studios vor zehn Jahren gründeten, war Humankind das Spiel, von dem wir träumten", sagt Moris. "Jetzt ist die Veröffentlichung nur noch ein paar Monate entfernt und wir sind aufgeregt... Die Entwicklung dieses Spiels war eine lange Reise für uns. Es war aufregend, kompliziert und voller neuer Abenteuer. Es ist unsere erste Abkehr vom SciFi-Fantasy-Universum der Endless-Reihe, in dem bisher alle unsere Spiele verankert waren."
"Mit Humankind packen wir wichtige Themen an: Geschichte, Multikulturalismus und die menschliche Gesellschaft", fährt er fort. "Das sind schwierige Themen, aber wir haben uns an sie herangewagt und sind stolz darauf, wie weit wir gekommen sind. Wir haben uns viel Mühe gegeben, ein Spiel zu erschaffen, das sowohl historisch authentisch ist, als auch gleichzeitig eine Sandbox für die Spieler darstellt, in der sie kreativ sein und ihre eigenen historischen Erzählungen aufbauen können."
Zu den Dingen, die ich bisher nicht sah, die aber für die finale Version noch kommen sollen, zählen zum Beispiel ein In-Game-Erzähler, ein Multiplayer-Modus für bis zu acht Teilnehmer, ein System für die Umweltverschmutzung - Nationen müssen zusammenarbeiten, um die weltweite Verschmutzung zu reduzieren -, Atomkriege und atomare Abrüstung, der Wettlauf ins All und mehr... Eben alles, was zur Menschheitsgeschichte dazugehört.
Für mich war es ein interessanter erster Kontakt mit Humankind. Ich bringe ein wenig Civilization-Erfahrung mit, was natürlich hilft, und doch ist Humankind ein ganz eigenes Biest. Ihr habt so viele Optionen, euch mit eurer Zivilisation zu entfalten, ob in kultureller oder religiöser Hinsicht, und einen bleibenden Eindruck auf der Welt zu hinterlassen, dass ihr wahrscheinlich nicht direkt im ersten Durchgang euer volles Potenzial beziehungsweise das des Spiels entfaltet. Selbst nach einigen Stunden des Spielens habe ich das Gefühl, nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. Ich habe definitiv Fehler gemacht, die ich beim nächsten Aufbau einer Zivilisation wohl nicht mehr mache. Wie in Civilization gibt es einen Lernprozess, der euch antreibt, es noch einmal zu versuchen und es besser zu machen. Und ja, dieses "Nur noch eine Runde"-Gefühl kriegt Humankind genauso gut hin. Insofern: sucht ihr nach einer Civilization-Alternative, dann merkt euch Humankind vor.