Hyper Light Drifter - Test
Ein Zelda für die Generation Fez und Binding of Isaac.
Manche Spiele haut es einem fast ohne Vorwarnung um die Ohren. Klar, Hyper Light Drifter war im Herbst 2013 eines der größeren Kickstarter-Projekte. 27.000 Dollar wollten die Leute von Heart Machine haben, über 645.000 bekamen sie. Aber das ist eine Weile her und viele große und kleine Indie-Sensationen und -Enttäuschungen kamen und gingen. Lange hatte ich schon nicht mehr an dieses klassisch ausgelegte Abenteuer aus der Draufsicht gedacht, obwohl die ersten Bilder mich doch sehr betörtet hatten. Jetzt ist es da und die Überraschung umso größer: Es ist wirklich erfrischend, wie ausgereift und erwachsen das Design doch geworden ist.
Als eines der wenigen Spiele dieser Machart kommt Hyper Light Drifter komplett ohne Sprache aus, zumindest ohne eine Sprache, die man ohne Weiteres verstünde. NPCs kommunizieren in Sprechblasen, mysteriöse Hieroglyphen an Monolithen erzählen eine Geschichte, die niemand versteht, der in dieser im Verfall begriffenen Welt nicht aufgewachsen ist. Euch zieht es nach der wundervollen Titelanimation, die ihre Verzweiflung in unheimlichen Fantasy-Untergangsbildern geradezu herausschreit, zunächst einfach Mal in Richtung des ersten rotglühenden Totenschädels auf der Karte. Es geht kaum zielstrebiger als das - zumindest nicht in dieser Sorte Spiel.
Und das zieht sich eben durch das komplette Design: Im Grunde ist es eben durchaus Zelda-artig: In den thematisch unterschiedlichen Kartenbereichen nördlich, südlich, östlich und westlich des zentralen Dorfes sucht ihr nach jeweils vier violetten Scherben - magisch zweifelsohne -, erledigt den Boss und lasst schließlich eine gigantische Säule in dem Gebiet aus dem Boden sprießen um... nun, das findet ihr besser selbst heraus. Belassen wir es dabei, dass auf dem zentralen Platz des Dorfes parallel dazu etwas ganz Ähnliches passiert und so euren Fortschritt visualisiert.
Puzzles und die abstrakten Schlüssel-Schloss-Mechanismen des Nintendo-Spiels, das diesem Genre als Blaupause diente, sind allerdings nicht mit von der Partie. Im Grunde lassen sich alle Kerker, Verliese und in ihrer Verwüstung bildhübschen Ebenen allein durch Geschick und eine gute Spürnase für versteckte Passagen und geheime Räume lösen in fast beliebiger Reihenfolge lösen. Abgesehen von den Türen, die von euch das Finden einer gewissen Anzahl oben erwähnter Klunker von euch verlangen. Das minimiert Backtracking und allzu langes Grübeln, wie es denn weitergeht. Ihr wisst jederzeit, was zu tun ist, obwohl es die abstrakte Karte, die es mit eurem Standort nicht so ganz genau nimmt, nicht immer einfach macht. Wirklich verlaufen habe ich mich aber trotzdem nur ein Mal, als ich im Westen nach einer zwischenzeitlichen Rückkehr ins Dorf den Weg zum Endgegner nicht wiederfand. Insofern: Alles noch in Ordnung.
Was bedeutet das fürs Spielgefühl? Dass wir es mit einem Action-Adventure mit Betonung auf der "Action" zu tun haben. Wie man hier in einen Raum kommt und sich auf einmal einem Mob bunt gemischter Feinde mit jeweils eigenen Angriffsmustern ausgesetzt sieht, das hat viel vom "Bullet Hell"-Einschlag eines Binding of Isaac. Mengenmanagement geht über alles und das Bewegungsrepertoire des namenlosen Helden verlangt oft von euch, währenddessen auch Umgebungsgefahren wie Abgründe, brennende Bodenplatten oder unzerstörbare Geschütztürme im Auge zu behalten. Das Schwert schwingt ihr mit nur einer Taste zu lediglich kurzen Serien, ladet für eine Klingenpirouette kurz auf oder reflektiert später sogar Geschosse der Feinde, wenn ihr sie richtig trefft. Auch ihr selbst verfügt über bis zu sechs Schusswaffen unterschiedlicher Funktionsweise, mit denen ihr entfernte aufs Korn nehmt.
Wichtiger noch ist der Dash-Move, der hier Sprinttaste und Sprung zugleich ersetzt. Zwar geht er nicht in die Höhe - Anhöhen und Plateaus sind daher außer Reichweite, sofern ihr keinen Aufzug dorthin findet -, aber über Abgründe huscht ihr behände hinweg und Attacken aus dem Weg. Das setzt das Spiel auch für Überquerungspuzzles und richtiggehende Hindernisparcours ein, bei denen einem die Finger schwitzig werden. Das Beste: Mit dem richtigen Timing lassen sich diese kurzen Sprinteinlagen auch verketten, was sich einfach großartig anfühlt, wenn man es dazu einsetzt, um im Zickzack wie ein unantastbarer Derwisch durch die Gegnerformationen zu wüten. Seien wir mal ehrlich: Eigentlich gibt es kein Spiel, dass nicht durch einen Dash-Moves, parierbare Schüsse und einen satt aufladbaren Rundumschlag besser würde. Alle drei fühlen sich hier spitze an und erzeugen in den Kämpfen einen eigenen, motivierenden Rhythmus.
Im Schnurstracks geradeaus gerichteten Kampagnengalopp hat man so zehn bis zwölf Stunden großen Spaß in einem durchaus fordernden, aber nicht unfairen Actionspiel. Wer diese aber prinzipiell offene Spielwelt auf all ihre Geheimnisse, mythische Botschaften und gut verstecken Spezialschlüssel abklopfen will, hat noch mal deutlich länger etwas davon. Ich habe mich nur allzu gern von verräterischen Plattformen oder verdächtigen Dellen in Dungeonwänden auf abseitige Wege locken lassen und so die Herausforderung zur Entdeckung sehr gerne angenommen. Es ist eines dieser Spiele, in die man sich problemlos mehrere Stunden am Stück reinkniet.
Nur eine epische Rollenspielreise sollte man eben nicht erwarten. Selbst das vergleichsweise schlanke Zelda, das ich wegen des losen Aufbaus und des mechanischen Kerns so oft in diesem Text bemühte, wirkt hiergegen wie ein Wochen einnehmendes, höchst individualisierbares Mammut-RPG. In Hyper Light Drifter sammelt ihr zwar auch Punkte für Upgrades und tauscht dann je drei für ein paar neue Moves aus, hier und da gibt's mal was Neues zum Anziehen. Aber das und die steigerbaren Kapazitäten für Heiltränke oder mehr Munition in den Waffenmagazinen sind wohl kaum ein Traum für Min-Maxer. Nein, hier stellt sich alles in den Dienst eines schnellen, griffigen Echtzeitkampfes und dieses Spiel ist damit besser beraten.
Über die Atmosphäre und die grafischen Aspekte sagen die hier eingebundenen Videos mehr als tausend Worte es könnten. Es ist eine wirklich eigenwillige Stimmung, die sich hier vor euch auftut. Die zerbrechliche, eigentlich schon zerbrochene Schönheit, eines ungreifbaren Untergangs. Farbkontraste bis zum Geht-nicht-mehr, von Hand wohlplatzierte Pixel und schön dynamische Animationen. Es ist eines der markantesten Spiele des Jahres, keine Frage. Mein einziger wirklicher Kritikpunkt hat sich allerdings gewaschen und erstreckt sich von der Grafik leider über den kompletten Rest des Spiels: Hyper Light Drifter wurde für 30 Bilder pro Sekunde animiert. Und das ist ausnahmsweise einmal keine Geschmackssache, sondern einfach nachweislich nicht optimal.
Selbst wer kein ausgemachter FPS-Snob ist, wird hier bemerken, dass das Tempo der Bilder mit dem der Action nicht immer Schritt hält. Ein Spiel, das dermaßen wilde Gegnermassen und Attacken auf euch loslässt, sollte dringend mit 60 FPS und, damit einhergehend, knackigen Reaktionszeiten laufen. So wie es ist, unterlaufen einem Ungenauigkeiten und Fehler, die manches Mal zu Bildschirmtoden führen können. Und weil das Spiel sich nicht immer alles merkt, was ihr bis dahin in diesem Raum gemacht habt (eingesammelte Upgrade-Punkte und Medipacks zu vergessen, ist gerade in großen und schwierigen Räumen nicht gerade die feine Art!), grummelt man schon manchmal in seinen Bart hinein, wie viel schöner und griffiger es hätte sein können.
Aber okay. Irgendwann blendet man das aus und kann Hyper Light Drifter trotzdem voll und ganz genießen. Spiele wie dieses, traditionell und modern zugleich, ebenso systemisch ausgefuchst wie weltenbildnerisch veranlagt, die gibt es nicht allzu oft. Heart Machine erschafft eines der am schönsten vor sich hinfließenden Spiele dieses Einschlags und bekommt es dabei noch hin, dass es einfach wirkt, so etwas auf die Beine zu stellen. So sieht es wohl aus, das beste erdenkliche Ende eines Kickstarters.