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Hyperdimension Neptunia MK2 - Test

Yamete!

Wenn schrill kreischende junge Mädchen als Inkarnation von Spielkonsolen und Handhelds in geradezu abnorm freizügigen Kostümen im Namen der Videospiel-Welt in den Kampf gegen die Mächte der Raubkopierer ziehen, dann haben wir es entweder mit dem wollüstigen Fiebertraum eines eingefleischten Vollblut-Otakus der Moe-Ausprägung (dazu gleich mehr) zu tun, oder Idea Factory und Nippon Ichi haben ein neues Hyperdimension Neptunia am Start. In diesem Fall handelt es sich um letzteres.

Aber um sich dem Thema Hyperdimension Neptunia zu nähern, ist ein kurzer Exkurs ins bereits angedeutete Thema Moe unumgänglich. Unter Moe versteht man in Japan das sich-hingezogen-fühlen zu einer ganz speziellen Art von fiktionalen Charakteren. Junge, unschuldig wirkende weibliche Figuren mit großen, anhimmelnden Augen, die aus jeder Faser ihres modellierten, gezeichneten oder virtuellen Daseins "NIEDLICH" schreien. Dabei wird sexuelle Anziehung oft mit einem starken Ansprechen des Beschützerinstinkts verbunden. Eine durchaus fragwürdige, tatsächlich aus der japanischen Anime-Otaku-Szene aber auch nicht mehr wegzudenkende Angelegenheit.

Hier nehmt ihr den Kampf gegen krude gezeichnete Schweine auf.

Wo es im Tokioter Stadtteil Akihabara früher um Spiele, Technik und Gadgets ging, da sind schon seit ein paar Jahren Maid-Cafés und auf Moe spezialisierte Spezialgeschäfte auf dem Vormarsch. Moe ist ein massiver wirtschaftlicher Faktor und so sehr es viele Menschen abschreckt, eine kleine, aber kaufkräftige Kundschaft kann nicht genug davon bekommen und spült so gutes Geld in die Kassen der Firmen und Läden, die deren Bedürfnisse befriedigen.

Eine solche Firma ist Idea Factory und kein Spiel setzt den Moe-Gedanken so konsequent um wie Hyperdimension Neptunia und sein jetzt erschienener Nachfolger. Die Spiele verbinden all das, was der Moe-Otaku so schätzt. Da sind nicht nur verstörend junge Lolitas, sondern auch jede Menge Spiele-Nostalgie. Heldin Nepgear ist die Personifikation von SEGAs Handheld Game Gear und alte Szene-Koryphäen wie der ehemalige Capcom-Mann Keiji Inafune oder Hudsons Takahashi Meijin (der in seinen Glanzzeiten 16 Mal pro Sekunde auf einen Feuer-Button drücken konnte) sind sich nicht zu schade für einen Auftritt. Spielerisch bewegt sich das neue Hyperdimension Neptunia trotz einiger paar nur auf den ersten Blick komplexer Spielsysteme in klassischen Rollenspiel-Bahnen und lädt gerne mal zum ausgiebigen Grinden ein - eben all das, was die kleine, begeisterte Fangemeinde erwartet.

Die junge Dame sollte aufpassen, sich in diesem Outfit nicht zu erkälten!

Aber eben auch nicht mehr. Zieht man all das flitterige Drumherum, die Lolita-Tendenzen und die geschickt platzierte Nostalgie vom Gesamtpaket ab, dann bleibt kaum mehr als ein im Grunde schon brauchbares, aber doch sehr simples Rollenspiel, das viele klassische Elemente auf simple Menüs beschränkt und mit einem einfachen, aber auch eingängigen Kampfsystem würzt. Etwas Dungeon-Crawling, etwas Monster-Klopferei und etwas Charakterentwicklung - das ist halt ein nicht sehr anspruchsvolles, aber dank einer spürbaren Grund-Kompetenz der Entwickler doch funktionierendes Spielgerüst.

So ist Hyperdimension Neptunia MK2 ein Spiel, das sich ganz bewusst jeglicher Art von Mainstream-Tauglichkeit verweigert, ja, das so sogar ganz aktiv Spieler, die nicht genau in seine ganz spezielle Zielgruppe fallen, abschreckt und verstört. Gehört ihr zu dieser Zielgruppe, dann werdet ihr das neue Hyperdimension Neptunia lieben. Alle anderen tun sich dagegen eher schwer. Trotz der bereits angesprochenen Grund-Kompetenz wird ein Großteil der hiesigen Spieler mal von der frugalen Technik, mal von den für viele westliche Spieler nicht ganz nachvollziehbaren Referenzen zur japanischen Spiele-Historie und in den meisten Fällen von den oft ausgesprochen schamlos in Szene gesetzten Anime-Lolitas abgeschreckt. Neptunia polarisiert gezielt und bewusst, und dafür kann man es lieben oder hassen, dazwischen gibt es nichts.

Hyperdimension Neptunia MK2 ist exklusiv für die PlayStation 3 im Handel erhältlich.

6 / 10

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Thomas Nickel Avatar
Thomas Nickel: Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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