Ich glaube, Alan Wake 2 wird ganz großes Kino
Licht- und Schattenspiel.
Eigentlich hätte ich Alan Wake 2 gerne auf der gamescom selbst angespielt. Aber eine rund 40 Minuten lange Präsentation im gekühlten Kino auf der großen Leinwand zu sehen und im Dunkeln die grandiose Atmosphäre dieses Spiels aufzusagen, ist schon das Nächstbeste, was man stattdessen bekommen kann. Und ja, es sieht so aus, als würde Alan Wake 2 ganz großes Kino werden. Für mich erweckt das bisher Gezeigte den Eindruck, als hätte sich die lange, lange Wartezeit auf eine Fortsetzung gelohnt.
Im Fokus dieser Präsentation stand die Perspektive von Alan Wake, der zweite spielbare Charakter neben FBI-Agentin Saga Anderson. Der arme Kerl ist nach vielen Jahren weiterhin im Dark Place gefangen und versucht, sich seinen Weg in die Freiheit zu schreiben. Das Spiel beginnt mit Saga, die zweite Episode wechselt zu Alan. Hier zeigt sich zu Beginn auch gleich ein neues Element der Fortsetzung: Es gibt, ähnlich wie in Remedys Quantum Break, Live-Action-Sequenzen.
Zu Beginn dieser zweiten Episode sehen wir Alan in einer Talkshow. Er soll über ein neues Buch reden, allerdings kann er sich währenddessen nicht daran erinnern, eines geschrieben zu haben, und hält das alles für einen Streich, den man ihm spielt. Auf jeden Fall sehr mysteriös, das alles. Eine von vielen, vielen Anspielungen zeigt sich schon bei der Band der Talkshow, dort steht der bekannte Name Old Gods of Asgard auf einem Schlagzeug, wenngleich die Bandmitglieder sehr viel jünger sind, als die alten Götter die man kennt.
Nach dem mehrere Minuten langen Intermezzo besteht eure erste Aufgabe erst einmal darin, aus dem TV-Studio zu verschwinden. Was keine große Hürde ist, so gelangt ihr in die Dark-Place-Version von New York, wo Alan gefangen ist. Im Zuge der aufgezeichneten Präsentation konzentrierte sich Remedy übrigens darauf, relativ linear durch den Level zu kommen. Ihr sollt aber auch ausreichend Möglichkeiten bekommen, euch abseits der Wege umzuschauen, die Gegend zu erkunden und Dinge zu entdecken.
Eine der Stärken der Fortsetzung scheint erneut der audiovisuelle Bereich zu werden. Alleine schon die Spannung, die durch die bedrohlich wirkende Soundkulisse entsteht, das gilt für die Musik und Umgebungsgeräusche gleichermaßen. Dazu die düster gehaltene Umgebung, bei der man glaubt, dass jederzeit etwas hinter der nächsten Ecke hervorspringen könnte, da kriege ich schon beim Zugucken Gänsehaut. Und dann tritt wirklich etwas – oder vielmehr jemand - hervor, wenngleich nicht so wie erwartet. In einer Gasse trifft er auf Alex Casey, eine von ihm erschaffene Figur. Casey ist gleichzeitig auch der FBI-Partner von Saga. Und er stirbt scheinbar hinter nächsten Ecke, nachdem ihn irgendetwas anfällt. Aber keine Sorge, ihr kriegt noch mehr von ihm zu sehen und zu hören. Ihr seht schon, Alan Wake 2 wird definitiv nicht weniger mysteriös und verwirrend als sein Vorgänger.
Dann habt ihr die bekannten, schattenhaften Gestalten, die euch immer mal wieder an den Kragen möchten. Andere von ihnen stehen nur herum und greifen euch nicht an, aber selbst das wirkt so schon bedrohlich genug, wenn ihr zwischen ihnen hindurchlauft. Es gibt auch einen Schatten, der sich fast wolkenartig auf euch zu bewegt. Ihre Bekämpfung funktioniert wie gewohnt: Bei eher menschlichen Gegnern müsst ihr sie erst anleuchten und dann auf sie feuern, andere lösen sich auf, nachdem ihr sie genug angestrahlt habt.
In dieser zweiten Episoden kommen zugleich auch brandneue Spielmechaniken zum Zuge. Da hätten wir zum Beispiel die brandneue Light-Shift-Mechanik. Alan trägt eine Lampe bei sich, die Licht speichert und sich an bestimmten Punkten einsetzen lässt, um die Schatten verschwinden zu lassen und die Spielwelt zu verändern. Das alles geschieht in Echtzeit, von einer Sekunde auf die andere seht ihr plötzlich einen intakten U-Bahn-Eingang vor euch, der vorher nicht da war – moderne Speichertechnik macht’s möglich. So öffnet ihr weitere Areale, die euch tiefer ins Mysterium führen, aber euch zugleich mehr zu entdecken geben.
Ihr müsst das auch geschickt einsetzen, um Objekte und andere Scahhen zu finden oder – etwas später – in einem kleinen Labyrinth den richtigen Weg aufzuspüren. Zur Veränderung des Dark Place trägt obendrein der Writer’s room bei. Hier schreibt Alan seine Geschichte, ihr findet dort aber ebenso das Plot board. Dort lässt sich die Story nachverfolgen und die Umgebung weiter verändern. An bestimmten Punkten kombiniert ihr den Schauplatz mit einer von mehreren Ideen zur Weiterführung des Plots. Am Ende gibt es zwar immer nur eine richtige Lösung, die euch weiterbringt, aber mithilfe von Echos lassen sich in der Umgebung weitere Hinweise aufspüren und Kombinationen ausprobieren. Selbst, wenn sie nicht des Rätsels Lösung sind, führen sie euch nach Angaben von Remedys Sam Lake zu mehr Story-Elementen, nützlichen Gegenständen und so weiter.
Daher lohne es sich durchaus, mit allen Möglichkeiten herumzuspielen. Indem ihr euch durch eine Episode bewegt, entdeckt ihr nach und nach mehrere Szenen. Im Zusammenhang damit könnt ihr nach neuen Hinweisen, die ihr durch Echos aufgespürt habt, jederzeit zu den früheren Szenen einer Episode zurückkehren und ausprobieren, wie sich das auswirkt. Dadurch ergeben sich deutlich mehr Interaktionsmöglichkeiten und es wird spannend zu sehen sein, wie gut dieses Konzept im finalen Spiel rüberkommt. Ich fand es im gezeigten Abschnitt jedenfalls sehr spannend, mit Alan ständig die Geschichte umzuschreiben, alternative Ideen auszuprobieren. Das fühlt sich auf eine gewisse Art an wie richtiges Schreiben. Manchmal hat man zwar eine Idee, die vielleicht gut klingt, kommt aber damit letztlich doch nicht weiter.
Lake betont zugleich, dass Stephen King erneut eine wichtige Inspiration für Alan Wake 2 war, aber es habe auch noch einige weitere gegeben und mit Popkultur-Anspielungen ist bei Remedy sowieso immer zu rechnen. Extrem wichtig für das Spiel sei die Musik. Das gelte nicht nur für die erwähnte Soundkulisse, sondern ebenso für den Soundtrack. Nicht überraschend, wenn man an Teil eins zurückdenkt.
Warum es so lange gedauert hat? Lake zufolge hatte man über die Jahre hinweg zwar viele Ideen, aber es ergab sich nie die richtige Gelegenheit dazu, sie umzusetzen. Oder man war letztlich doch nicht so überzeugt davon. Das, was Alan Wake 2 jetzt sei, hätte man ihm zufolge zuvor auch nicht auf diese Art realisieren können. Übrigens kehrt Shawn Ashmore, der in Quantum Break die Hauptrolle spielte, für Alan Wake 2 zurück und verkörpert hier ebenfalls einen Charakter, der Alan allem Anschein nach weiterhelfen möchte. Und die Präsentation basierte auf der PC-Version inklusive Path-Tracing. Auf den Konsolen wird es aber leider keine Raytracing-Effekte geben.
Ich habe mir ja so oder so schon lange eine Fortsetzung gewünscht, aber nach der Präsentation bin ich jetzt richtig angefixt. Alan Wake 2 ist wohl mein Most-Wanted-Titel des Jahres und wenn das fertige Spiel durchgehend diese Qualität von dem auf der gamescom Gezeigten bietet und die Spannung aufrechterhält, könnte das eine nervenzerreißende Angelegenheit werden. Erst recht, wenn ihr es im Dunkeln und am besten noch mit Kopfhörern spielt. Von den Mysterien ganz zu schweigen. Ihr wollt ein Spiel voller mindfucking Stuff haben? Alan Wake 2 wird’s euch mit Sicherheit bieten. Es macht sich an euren Gedanken zu schaffen, verdreht ein ums andere Mal die Wirklichkeit, wirft Frage um Frage auf. Remedy liebt es, Bilder sprechen zu lassen und mit ihnen zu spielen, wie auch mit Übergängen, Einblendungen. Manchmal seht ihr Dinge kommen, woanders treffen sie euch unvorbereitet. Und es sieht einfach richtig stark aus. Ganz großes Kino eben.