Ich habe meinen Frieden mit Octopath Traveler geschlossen
Manchmal tut etwas Abstand gut.
Ich hatte große Hoffnungen auf Octopath Traveler gesetzt und sah mich letzten Sommer enttäuscht. Ich weiß, unpopuläre Meinung. Aber seine Struktur ergab letzten Endes eine Geschichte, die weniger war als die Summe ihrer Teile. Ich hatte nie das Gefühl, eine Truppe von acht zusammen in diesem Schlamassel steckenden, sich gegenseitig helfenden Figuren zu steuern.
Ich kenne das Character-Banter, das man auf Knopfdruck zwei, drei Mal pro Kapitel zwischen den aktiven Party-Mitgliedern auslösen kann und habe auch erlebt, wie die Handlung ihre acht Fäden gegen Ende zu einem einzelnen Strang zusammenführt. Doch da war es schon zu spät für mich, dieses Universum war für mich bereits entzaubert. Square Enix wollte ein freies Vorgehen beim Rekrutieren des Oktetts an Helden ermöglichen, merkte aber nicht, was es sie kosten würde.
Weil die Entwickler nicht wissen konnten, in welcher Reihenfolge die Spieler ihre Party zusammenstellen würden, sah man davon ab, die Interaktionen und Beziehungen der Charaktere zum inhärenten Teil des Spielverlaufs zu machen. Stattdessen lagerte man Gespräche zwischen den einzelnen Party-Mitgliedern in einen separaten Travel-Banter-Bildschirm aus, der - sorry - einfach nur beschämend war. Während der eigentlichen Quests fühlt man sich dagegen fast, als wäre der jeweilige Charakter, der gerade seine persönliche Geschichte weiterschreibt, komplett allein in dieser Welt, nur um in den Kämpfen tatkräftige Unterstützung von den anderen Figuren zu erhalten.
Auch wie sich mir nichts, dir nichts alle Figuren derjenigen anschließen, die man als erstes wählt - und wie sie ihr jeweiliges Anliegen einfach liegen lassen, um dem gewählten Hauptcharakter zu helfen ... das war einfach befremdlich, unnatürlich und hatte für mich wenig mit dem zu tun, weshalb ich Rollenspiele eigentlich spiele. Titel wie Suikoden, Breath of Fire, Persona und im Grunde jedes Final Fantasy leben davon, dass man mit den Charakteren als Gruppe mitfiebert. Dieses Gefühl kam bei mir nie auf und was das Spiel am Ende besser hinbekam, war mir zu spät und zu wenig.
Aber jetzt ist die PC-Version erschienen und mit einigem Abstand und dem Wissen darum, was mich erwartet, erlebe ich dieses Spiel erheblich anders. Es schafft die Probleme für mich nicht aus der Welt, aber ich kann sie mittlerweile besser ignorieren und die respektablen Stärken von Octopath Traveler besser genießen. Ich bin ein Stück weit dankbar, um meine Erwartungen vom letzten Jahr erleichtert zu sein, denn jetzt kann ich das ausgezeichnete Kampfsystem einfach umso besser genießen.
Um das klar zu sagen: Octopath Traveler landet nicht in meiner Lieblingsliste, wenn es um Rollenspiele oder gar JRPGs im Speziellen geht. Dazu kocht auch seine Welt zu sehr mit Wasser, das aus der späten 16-bit- und frühen 32-bit-Ära noch übrig war (dass bei Wegen, die sich in zwei Routen aufspalten, eine grundsätzlich in einer Sackgasse mit Schatzkiste endet, ist nur ein Beispiel, das wegen der Random Encounters arg altmodisch an den Nerven zerrt). Aber ich will verdammt sein, wenn das Kampfsystem und die Job-Spielereien, die sich mit der Zeit auftun, nicht einige der besten sind, die es aktuell zu spielen gibt.
Natürlich sind auch seine Tricks nicht neu, vornehmlich stand wohl Atlus' Arbeit mit den letzten Personas Pate. Aber wie man hier ein Kampf-Puzzle nach dem anderen löst, exzellent designte Gegner auf Schwächen abklopft und sie dann ausnutzt, um den Kampfrhythmus auf einen Beat zu massieren, in dem die Gegenseite nicht mehr zum Zug kommt.
Das ist immer wieder aufs Neue sehr motivierend. Hier ergibt das Herumfummeln an der optimalen Party-Zusammenstellung auch wieder Sinn. Auch wenn Charaktereigenschaften abseits harter Zahlen und Fakten nie eine Rolle in den eigenen Überlegungen spielen, forscht man einfach gern nach Synergien, um seinen Trupp zu einer Initiative-fressenden Kampfmaschinerie hochzuzüchten.
Ich bin nicht sicher, wie lange ich dieses Mal dabeibleibe. Für den Moment und um den Ballast meiner Erwartungen befreit, drückt Octopath Traveler aber all die richtigen Knöpfe. Ich habe zwar auf der Switch nochmal angefangen, aber tatsächlich war die letzte Woche erschienene PC-Version der Anlass dafür. Die Umsetzung ist jedenfalls prächtig gelungen, visuell noch immer ein wunderhübscher Mix aus alten und neuen grafischen Elementen in einer Art Direction, die an Square Enix' beste Zeiten gemahnt. Der Soundtrack ist ohnehin auffällig schön gelungen, und dann erst dieses Battle Theme ...
Die große Liebe kann es zwischen uns nie werden, aber seit ich akzeptiere, was ich von ihm erwarten kann, begegne ich diesem Spiel mit neuem Respekt.
Entwickler/Publisher: Square Enix - Erscheint für: PC, Nintendo Switch - Preis: ca. 60 Euro - Erscheint am: erhältlich- Sprache: Deutsch - Mikrotransaktionen: nein - Getestete Version: PC