Ich hielt Dune: Prophecy für unnötig – ich lag falsch
Mein nächster Versuch in der Wüste der Herzen.
Huch, Dune: Prophecy ist ja interessanter als ich dachte! Als jemand, der Dune nur aus Film und Fernsehen kannte, und mir die neuen Dunethy-Chaladune-Filme in erster Linie angeschaut habe, weil sie von Denis Villeneuve kamen, fühlte ich mich in dieser Welt immer ein bisschen haltlos. Ich klammere mich eben gerne an emotionale Kerne von Geschichten. Wenn ich keinen finde, gleite ich ab, wie ein Frosch von einer Windschutzscheibe, der keine Ahnung hat, wie er dorthin gekommen ist.
Solchen Stoffen muss ich immer ein gutes Stück entgegenkommen, was ich in Villeneuves Fall gerne tue. Und es ergibt auch Sinn, dass alles hier ein wenig unterkühlt rüberkommt. Nicht nur hat sich diese Menschheit in zehntausenden Jahren von der unseren so weit entfernt, dass sie fast eine andere Spezies ist. Die Geschichte als Ganzes ist – wie ich mittlerweile weiß – als Warnung vor messianischen Figuren zu verstehen. Wenn ich also Schwierigkeiten habe, emotionale Nähe zu Paul Atreides aufzubauen, dann hat das Methode. Ich habe großen Respekt davor, wie gut das gemacht und erzählt ist, aber echte Liebe kommt daher nicht bei mir auf. Deshalb wusste ich nicht, was mir eine Serie zu diesem Stoff bringen sollte.
Stille Post der Generationen
Jetzt bin ich trotzdem froh, dass ich schwach geworden bin. Denn wie sich Dune: Prophecy, die neue HBO-Serie, der Vorgeschichte der Bene Gesserit annimmt, das finde ich tatsächlich spannend: Wie kam es eigentlich zu dem Plan, einen Kwisatz Haderach zu erschaffen, einer royal abgefuckten Idee, wenn man mal darüber nachdenkt. Nach Ansicht der ersten Folge der sechsteiligen Miniserie, die man seit heute auf WOW sehen kann, bin ich auf jeden Fall schon in der Hinsicht schlauer. Es ist zwar expositorisch von der sagen wir mal arg wohlgenährten Sorte, stellt aber klar, dass selbst die wahnsinnigsten Einfälle mal mit einem gut gemeinten Einfall begannen. Mit der Zeit wird dann in einer Art intergenerationeller Stille-Post-Effekt kompletter Irrsinn daraus, wenn Hunderte Generationen nacheinander versuchen, ein bestimmtes Ziel herbeizuführen.
Die Rückblende, die Dune: Prophecy darstellt, bekommt eingangs ihrerseits eine Rückblende in die Jugend von Valya Harkonnen, die Mitglied und künftige Anführerin eines Ordens weiblicher “Truthsayer”. Was damit beginnt, dass die verhüllten Damen Aristokraten beratend zur Seite stehen – weil sie Lügen und versteckte Absichten in Verhandlungspartnern erkennen – entwickelt sich mit der Erkenntnis, dass jene Aristokraten, denen sie helfen, vornehmlich “von Gewalt und Gier beherrscht” sind, zu etwas ganz anderem. Heimlich verständigt sich die Schwesternschaft über die Vorhaben derer, die ihren Rat suchen und steuern so die Geschicke des Imperiums indirekt. Mit dem Ziel, durch ihren Einfluss bessere (lies: “beeinflussbarere”) Anführer herbeizuzüchten.
So sagt es einem Emily Watsons Valya gleich zu Beginn. Der Rest sind Eugenik und fehlinterpretierte Prophezeiungen, und schon steuern wir auf die Katastrophe zu. Mir hat es Spaß gemacht, der ersten Folge zuzuschauen, wie die Macher den Startpunkt der Bene Gesserit aufdröseln und es ist glaubwürdig gemacht, wie sich das über zehntausend Jahre hinweg komplett radikalisiert. Die Konstante: Arrakis mit seinem Spice, seinen Sandwürmern und den Fremen, die sich gegen die Ausbeutung ihrer Welt auflehnen. Die Sandwurm-Action bekommen wir im Auftakt nur in Visionen und Hologrammen zu sehen, aber die kurzen Ausschnitte der ikonischen Kreaturen machen Lust auf mehr.
Womit wir bei den Darstellern wären. Am besten hat mir tatsächlich die junge Valya gefallen. Jessica Barden hat am Sterbebett ihrer Ordensmutter einen fantastischen Moment: Während sie realisiert, dass sie die Nachfolge antreten wird und das gerade verarbeitet, wechselt ihr weicher, trauernder Blick wie auf Knopfdruck ins Eisern-entschlossene und vor sich selbst beinahe Zurückschreckende. Schade, dass wir sie danach (vorerst?) nicht mehr sehen. Aber Emily Watson – das Casting von junger und alter Valya passt sehr gut – ist ein starker Trost.
Mark Strong als zaudernder Imperator Javicco Corrino vor der Zweckhochzeit seiner Tochter mit einem Haus, das ihm militärische Unterstützung zusagt, und Travis Fimmels Soldat Desmond Hart, als Arrakis-Rückkehrer mit auffälligem Knacks, sind neben Valya Harkonnen die anderen Fixpunkte der Pilotfolge. So gern ich beide sehe, ihr Wiedererkennungswert ist mir in einer solchen Show fast ein bisschen zu hoch. Sie machen ihre Sache trotzdem gut und Fimmels wahre Natur – und sein Plan, gegen die Schwesternschaft anzugehen, machen im grausamen Finale noch einmal richtig neugierig auf das, was da noch kommen mag.
Game of Space Thrones
Weniger gefallen haben mir die jungen Corrinos und Atreides. Ich verstehe den Impuls, das Nachtleben dieser Zukunft zu zeigen, insbesondere wegen der 10.000 Jahre, die bis zu den aktuellen Verfilmungen vergehen sollen. Aber wie sich die jungen Leute ihren Gelüsten hingaben, war mir dann doch allzu weltlich. Immerhin einen starken Moment hatte Imperatortochter Nez: Als ihre vorgeschützte Nettigkeit ihrem kindlichen Angetrauten gegenüber abfällt, weiß man, dass man mehr von ihrer intriganten Seite sehen will. Ich bin gespannt, wie sie sich in der Schwesternschaft einfügen wird und wie ihre starke Eigenmotivation mit den Plänen Mutter Valyas kollidieren.
Hatte ich erwähnt, dass es zwar nicht ganz so gut aussieht wie die Filme. Auf eine Art, wie Game of Thrones in den ersten vier Staffeln ebenfalls seine TV-Natur nicht verbergen konnte. Dennoch: die Sets und Effekte gefallen und passen auch zu der Ästhetik, die wir später sehen werden. Ja, wenn wir hier Zeuge werden dürfen, wie die Schwestern den Weg zur Hölle mit ihren vermeintlich guten Absichten pflastern, bereichert es für mich auch die Filme um einiges an Textur. Mal schauen, vielleicht wird ja doch noch Liebe draus.