Ich mach' Fahrschule: Die Sim-Racing-Masterclass mit Driver61 und iRacing – Teil 1
Trainingslager für Bleifüße.
Ich weiß immer nicht, ob das einfach nur extrem nerdig ist oder schon unter „ernstzunehmende sportliche Ambitionen“ fällt. Hat man einfach nur ein Rad ab (no punt intended), wenn man sich für einen vierstelligen Betrag ein Cockpit samt Rennsitz und Lenkrad in die Wohnung stellt? Oder ist das ein total vernünftiger Preis, wenn man bedenkt, dass Motorsport auch in der Realität wohl die teuerste aller sportlichen Aktivitäten ist?
Auf jeden Fall habe ich genau das getan und mein Sim-Racing-Setup im letzten Jahr erst um Fanatecs Direct-Drive-Lenkrad und inzwischen auch das 8-nm-Netzteil, eine Load-Cell-Pedale sowie ein Cockpit samt Sitz erweitert. Das kostete vierstellig, ist aber an der Untergrenze dessen, was man ins ernsthafte Nachgestalten einer echten Rennsituation investieren kann. Tja, und dann bin ich noch darauf gestoßen, dass man sogar einen Lehrgang besuchen kann, der einem die Grundlagen des Schnellfahrens näherbringt. Und da ich ja gerade schon dabei war…
Außerdem dachte ich, dass das ein paar von euch vielleicht ebenfalls interessiert. Ich meine: Was genau lernt man da eigentlich? Und wie viel bringt einem das auf der Strecke? Deshalb werde ich meine Erfahrungen mit dem Lehrgang hier niedertippen. Einen guten Monat geht diese Masterclass. Und am Wochenende haben wir die erste Woche abgeschlossen. Wir, das sind insgesamt 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Angeboten wird das Ganze von Scott Mansell, den einige als Driver61 kennen, denn unter diesem Namen veröffentlichen er und sein Team seit einigen Jahren Videos mit Wissenswerten aus dem Bereich des Motorsports. Scott trainiert außerdem schon lange angehende Rennfahrer – wozu er interessanterweise deshalb gekommen ist, weil er seine aktive Karriere in der Formel 1 und anderen Serien aufgrund mangelnder Sponsorengelder an den Nagel gehängt hatte.
Mit dieser Reibung zwischen Leidenschaft und Geldbeutel ist er also bestens vertraut, weshalb er vermutlich gut nachvollziehen kann, dass Leute wie ich auch in ihrer Freizeit halbwegs ernsthaft Rennen fahren wollen. Auf jeden Fall bietet er mit einer ganzen Reihe an Übungsleitern seit inzwischen drei Jahren diese Masterclass an: ein einmonatiger Kurs mit Trainingseinheiten fürs Selbststudium sowie wöchentlichen Seminaren und Trainingssitzungen.
Irgendetwas zwischen 100 und 150 Dollar kostet das. Den genauen Preis kann euch nur im Moment nicht sagen, da man ihn vorübergehend nicht einsehen kann und ich bei einem vergünstigen Angebot zugeschlagen habe, zusätzlich aber die Option auf eine individuelle Übungsstunde gekauft habe. 140 Dollar hat mich das unterm Strich gekostet. Bedenkt außerdem, dass das gesamte Training in iRacing stattfindet, ihr also dort ein separates Abonnement benötigt. Lediglich das individuelle Training (sowie unabhängig von der Masterclass zu buchende Stunden) kann man auch in Assetto Corsa Competizione oder anderen Sims ausüben und genau das habe ich auch vor.
Also, was bisher geschah: gar nicht mal so viel, weshalb es mir in diesem ersten Artikel vor allem um das Vorstellen des Programms geht. Grundsätzlich findet dabei jede Woche ein über Zoom abgehaltenes Seminar mit einem der Fahrlehrer und eine Trainingssitzung für maximal fünf Teilnehmer große Gruppen statt. Für beides gibt es stets mehrere Termine sowie die Möglichkeit zum Nachholen. Die Seminare werden zudem aufgezeichnet. Bei Driver61 weiß man, dass der Alltag Vorfahrt hat.
Zunächst wurde jedenfalls Teil eins des Selbststudiums freigeschaltet und es fanden sowohl am ersten als auch am zweiten Wochenende per Zoom abgehaltene Seminare statt, in denen sich alles um das Einrichten von Discord und iRacing drehte. Immerhin sollte die Simulation in Sachen Blickfeld, Force Feedback und mehr korrekt eingestellt sein, während auch mit Discord unerfahrene Teilnehmer lernen müssen sich dort einklinken und ihr Spiel zu streamen. Denn nur so können sich die späteren Anleiter einen zuverlässigen Eindruck davon verschaffen, was es am Fahrstil ihrer Schützlinge zu verbessern gilt.
Danach ging es dann richtig los: In der zweiten Woche drehte sich im Selbststudium alles um das vorausschauende Fahren. Einigen von euch erzähle ich nichts Neues, wenn ich sage, dass man fast immer schon die nächste Kurve, deren Scheitelpunkt und dann den Kurvenausgang im Blick haben sollte, um den Wagen rechtzeitig ideal zu positionieren. Wer nur auf wegbrechenden Grip reagiert, der fährt jedenfalls keine Bestzeit heraus. Und wie man das verhindert beziehungsweise wohin man wann schauen sollte, das erklärt Scott in einer Reihe an Videos.
Wenn ihr euch einen Eindruck davon verschaffen wollt, wie er das macht, findet ihr auf der offiziellen Webseite eine öffentlich zugängliche Kurzform dieser Lektion – was tatsächlich auch der Grund dafür ist, dass ich diese erste „richtige“ Woche noch nicht allzu überragend fand. Die Masterclass geht natürlich weiter ins Detail, weshalb ich dort wichtige Anmerkungen mitgenommen habe. Wer sich zuvor schon mit solchen Grundlagen beschäftigt hat, für den steckt da aber nun mal ein eher überschaubares Maß neuer Erkenntnisse drin.
Immerhin kommen in der Masterclass noch Übungseinheiten hinzu, in denen man nach Anleitung und in mehreren Schritten das Fahren auf Weitsicht probiert, um es irgendwann zu verinnerlichen. Weil Driver61 dafür passende Strecken und mit dem Mazda MX-5 einen durchaus sportlichen, aber sehr gutmütigen Wagen heraussucht, lernt man bei diesem Selbststudium schnell dazu und schleift auch bereits Bekanntes.
So richtig interessant wurde es dann aber in der ersten Trainingseinheit, wobei im Rahmen der Masterclass stets maximal fünf Fahrer in einer Gruppe zusammenkommen. Abwechselnd schaut deren Übungsleiter dann seinen Teilnehmern zu, um ihnen Hinweise zu geben, wo sie eher einlenken, behutsamer bremsen oder etwas anderes verändern könnten. Selbstverständlich darf man auch ganz allgemeine Fragen stellen oder anmerken, in welcher Kurve man Probleme hat – ein festes Programm gibt es in diesen Sitzungen nicht.
Ich war jedenfalls sehr angetan davon, welchen Unterschied diese Hinweise auf meine Rundenzeit ausmachten und sehr glücklich darüber, dass ich sie auch schnell umsetzen konnte. Das verleiht eine Menge Selbstvertrauen, ohne dass ich vorher oder jetzt in irgendeiner Form zu den Schnellsten zählen würde. Eine Zeit von 1:01.097 auf dem Okayama International Circuit ist nun wirklich nichts, das man an die große Glocke hängt. Aber diese Zuversicht auf dem richtigen Weg zu sein ist eben viel wert und der erste Schritt auf dem Weg zu dauerhaft besseren Zeiten.
Das Interessante ist ja, dass ich auch hören konnte, wie unser Trainer die anderen Fahrer anleitete und auf deren sehr unterschiedliche Stärken und vor allem Schwächen einging. Bei Bedarf lieferte er mit einer Wiederholung seiner eigenen Runde ein bildliche Veranschaulichung, während er mindestens einem unerfahrenen Piloten sogar das Einmaleins des Trailbreakings nahebrachte, also wie man erst in der Kurve die Bremse langsam löst.
Ich bin jetzt jedenfalls gespannt: Die Reifen sind warmgefahren, an meine neue Load-Cell-Bremse habe ich mich so langsam gewöhnt und das aktuelle Selbststudium klingt thematisch schon um einiges interessanter, weil es dort um ebensolche Details beim Kurvenfahren geht – also nicht nur die Art des Lenkradeinschlags und das Gefühl im Fußballen, sondern das Verständnis für die Physik dessen, was mit dem Auto beim Einlenken eigentlich passiert.
Außerdem klingelte gerade eine Postbotin mit Fanatecs McLaren-Lenkrad an der Tür. Hatte ich im Erfahrungsbericht zum Gran Turismo DD Pro geschrieben, das sei nur Fanatecs Einstiegsdroge? Wenn ich damals nur gewusst hätte, was ich heute weiß! Aber dazu in einer der nächsten Wochen vielleicht mehr.