Ich wollte Thymesia wirklich mögen, aber es ist leider kein gutes Soulslike
Ausgerechnet die Bosskämpfe!
Man las und hörte davon, dass Thymesia eine Art Bloodborne sein soll und grundsätzlich stimmt das auch. Die geheimnisvolle Welt mit ihren leicht entrückten Kreaturen, die Steuerung, der vor allem anfangs hohe Schwierigkeitsgrad sowie die verlorenen Erfahrungspunkte, wenn man einen Kampf verliert: Das alles folgt dem Geist nicht nur von Bloodborne, sondern ganz allgemein dem der Miyazaki-Abenteuer, der Quelle sogenannter „Soulslikes“.
Erwartet nur keine interessante Erzählung. Über das Lesen Dutzender Zettelchen bastelt man zwar ein Bild der Ereignisse, an die sich das Alter Ego zunächst nicht erinnern kann, mehr als eine nüchterne Stichpunktsammlung ist das allerdings nicht. Es ist sogar recht anstrengend dieser ausnehmend trocken dokumentierten Geschichte zu folgen, und dass man einige Informationen daraus parat haben muss, um sich für eins der frei wählbaren Enden zu entscheiden, macht es nicht besser. Dass die Enden selbst nur aus ein paar Zeilen Text bestehen, zu dem man keinerlei Verbindung verspürt, hilft freilich ebenso wenig.
Gut, von mir aus. Lasst es nur um die Atmosphäre und das Kämpfen gehen. Beides bekommt das taiwanesische OverBorder Studio nämlich ziemlich gut hin. Das sind ja gerade mal sieben Entwickler, die zwar zuvor schon in der Branche gearbeitet, aber mit Thymesia ihr erstes eigenes Projekt realisiert haben. Und dass sie sich dabei auf den Kern konzentrierten, anstatt ihre Ressourcen aufs Geschichtenerzählen zu verwenden, macht das Ergebnis nicht besser, ist aber ein nachvollziehbarer Kompromiss.
Dem Kampfsystem merkt man jedenfalls an, dass sie viel Arbeit hineingesteckt haben – viel Arbeit und eine clevere Idee. Immerhin muss man die Gegner zunächst mit normalen Attacken verwunden, bevor man mit speziellen Angriffen dafür sorgt, dass aus den vorübergehenden Wunden ein dauerhafter Verlust von Lebensenergie wird.
Schnelle Vorstöße mit kurzen Klingen zeichnen diese Kämpfen aus und so entstehen herrlich flotte Duelle, während man je nach Ausrüstung und Charakterentwicklung auch aus der Luft attackiert, durch gut getimtes Ausweichen einen Angriffsbonus erhält, ankommende Schläge kontert, sich schnell an einen Feind heranzieht, über einige Moves Gesundheit wiederherstellt, bei aufgeladener Energie wuchtige Zweitwaffen einsetzt und mehr. Dieser martialische Tanz macht richtig Laune, zumal man an jeder Raststelle sämtliche Fähigkeiten neu verteilen darf!
Der begrabene Hund
Nur stößt man dabei auch schnell auf das größte Problem des Spiels, denn so gut es ist, dass man praktisch jederzeit sämtliche Erfahrungspunkte neu verteilen und daher mit sehr verschiedenen Kombinationen von Fähigkeiten experimentieren kann: Einige Builds sind dermaßen mächtig, dass man selbst Bosse gleich im ersten oder zweiten Versuch bezwingt.
Dabei kamen mir bei meiner Begegnung mit dem ersten Endgegner noch Flüche über die Lippen... Junge, Junge. Wo hatte ich gleich den Mantel des Schweigens versteckt? Als Randbemerkung sei zudem erwähnt, wie ungemein frustrierend es sein kann, dass fast keiner der eigenen Stiche, Streiche und Schläge die Bewegungen eines Feindes unterbricht. Selbst einfachste Wegelagerer kommen mit ihren Attacken praktisch immer durch – eine etwas größere Dynamik hätte der Action an dieser Stelle wirklich gutgetan.
Auf jeden Fall bin ich während dieses Bosskampfes erst darüber gestolpert, dass ich die Fähigkeiten komplett umbauen kann, was ich denn auch umgehend tat und siehe da: Plötzlich war der bissige Boss nichts weiter als eine lästige Zecke, die ich im Handumdrehen nieder gedroschen hatte. Klar, zu diesem Zeitpunkt kannte ich seine Muster längst auswendig.
Nur wurde das gesamte Abenteuer danach plötzlich deutlich leichter, über weite Strecken sogar zu einem langweiligen Kinderspiel. Denn bestimmte Kombinationen an Fertigkeiten und Zweitwaffen sind dermaßen effektiv, dass man mit ihnen beinahe unbehelligt unter den Kreaturen wütet. Zwei-, dreimal habe ich die Fähigkeiten anschließend noch umgestellt, alles in allem bin ich aber fast durchgehend auf die gleiche Art bis zum finalen Kampf durchmarschiert und hatte selbst den Showdown binnen weniger Minuten hinter mir. Und da war die Luft dann eben raus.
Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Nebenmission erledigt! Mein Held war also das Gegenteil von overpowered – die Gegner nur einfach nicht besonders abwechslungsreich und vor allem nicht besonders wehrhaft. Ihre Aktionen gleichen sich so sehr, dass man im Grunde stets das Gleiche macht und sich selten auf nennenswerte Art vorsehen muss. Ein einziger Boss sollte mir noch Kopfzerbrechen bereiten und an diesem Kampf hatte ich deshalb auch den größten Spaß. Der Rest gestaltete sich bis zum enttäuschenden „echten“ Ende aber als sehr dröges Abgrasen der einförmigen Schläuche.
Die Ecke kenn’ ich doch!
Das ist nämlich das dritte Problem, das Thymesia zu schaffen macht. Die gerade mal drei Schauplätze bestehen aus schrecklich engen und ausgesprochen wenigen Versatzstücken der immer gleichen Kulissen. Was in Anbetracht des Produktionsniveaus bis zu einem gewissen Grad verständlich ist! Langweilig wird es trotzdem, wenn auch die Nebenmissionen – eigentlich wichtige Ergänzungen des Abenteuers mit vielen eigenen, von der Designidee her ziemlich coolen Bossen – zum größten Teil erneut in die bekannten Levels führen, nur dass man sie dann in umgekehrter Richtung abläuft und einige Türen offen sind, die zuvor verschlossen waren.
Abseits der schmalen Gänge gibt es zudem nur wenig zu entdecken, auch wenn hier und da mal ein Miniboss wartet, dessen Niederlage wertvolle Ressourcen zum Verbessern einer Zweitwaffe oder fürs Brauen neuer Tränke enthält. Wobei ich auch das kaum genutzt habe, weil man es schlicht nicht braucht. Gesundheit stellen die Tränke ja so oder so her – egal, ob man sie zusätzlich mit experimentellen Kräutermixturen anreichert, um weitere Buffs zu entdecken.
Der größte Fauxpas in Sachen Leveldesign ist jedoch das Fehlen markanter Wegpunkte. Ständig kommt man an nahezu gleich aussehenden Wänden, Leitern oder Regalen entlang, weshalb das Erkunden der Umgebung selbst dort keinen Spaß macht, wo es kurze alternative Wege gibt. Die Orientierung fällt schwer; man tastet sich durch Trial&Error-Schleifen voran. Es ist nicht so, dass man sich verläuft. Es macht nur keinen Spaß, da man nie so wirklich weiß, wo genau man sich eigentlich befindet.
Und so ist Thymesia also ein durchaus schickes, im Kleinen stimmungsvolles und grundsätzlich unterhaltsames Action-Rollenspiel, das ich eigentlich mögen will - das auf Dauer allerdings viel zu einförmig und vor allem viel zu leicht ist. Denn so dynamisch das Kampfsystem im Kern auch sein mag, so wenig wird man gezwungen, eine dauerhaft gewählte Spezialisierung tatsächlich zu beherrschen und gelegentlich auch mal eine deutlich anders geartetete Herausforderung zu meistern. Die sich zu wenig unterscheidenden Normalgegner sind ja kaum mehr als bewegliche Pappaufsteller und sogar die meisten ihrer Bosse beim richtigen Einsatz immer gleicher Aktionen erstaunlich harmlose Opfer. Unterm Strich können damit weder die Geschichte noch das Erkunden der Kulissen oder wenigstens das zentrale Kämpfen vollends überzeugen, weshalb das eigentlich gut gedachte Tyhmesia für mich einfach kein gutes Soulslike ist. Und leider auch kein gutes Spiel.