Idioten im Weltraum: Mehr bescheuerten Koop-Spaß als in Helldivers 2 werdet ihr diesen Frühling nicht haben
Schmeckt die Faust der Gleichberechtigung!
Hach, was hatte ich mir Sorgen um Helldivers 2 gemacht. Wie oft ging das schon schief, wenn ein kleines Studio nach einem Indie-Achtungserfolg die perspektivische Nähe zu Blockbuster-Produktionen suchte? Warum überhaupt der Schritt, von der Vogel- in die Schulterperspektive zu wechseln? Werden technische Unterschiede zu den Großproduktionen etablierter und besser finanzierter Entwickler nicht nur noch deutlicher, je näher die Kamera heranfährt? Und war das Bisschen Übersicht, das man durch den gewählten Blickwinkel gewann, nicht unendlich wichtig für dieses Spiel?
Nun, alles egal, meine Sorgen waren unberechtigt. Nicht nur sieht Helldivers 2 wirklich gut aus, es gewinnt durch die Third-Person-Ansicht auch einen komplett neuen Panik-Faktor hinzu, der einen neuen Grad an Absprache und Koordination erfordert. Dafür, dass es sich als herrlich stumpf und blöde ausgibt, war Helldivers schon immer erstaunlich taktisch.
Die Insekten hassen uns für unsere Freiheit!
Die Gegner sind zahlreich, die Munition knapp, und ladet ihr nach, bevor das Magazin leer ist, schmeißt ihr die gesamten darin verbliebenen Kugeln mit weg. Dazu ist Friendly Fire absolut tödlich und wer Nachschub oder ein automatisches Geschütz aus dem Orbit aufs Schlachtfeld abwerfen lässt, sollte besser nicht dort stehen, wo sie herunterkommen. Auch Helldivers 2 prüft rigoros nicht nur euer Geschick am Controller und eure Übersicht. Es ist ein Test euer Belastbarkeit unter Gefechtsbedingungen.
Unter dem Ansturm von Maschinenmonstern oder Insektenwesen lässt es euch in verschiedenen Minispielen Antennen ausrichten, Interkontinentalraketen betanken oder Bodenproben nehmen. Ihr gebt komplizierte Pfeiltastenkombinationen ein, um das Evakuierungs-Shuttle herbeizurufen oder rettende Munition herbeizubetteln. Nicht nur euer, sondern auch das Leben eurer Mitspieler hängt davon ab, dass ihr “oben, oben, links, rechts, rechts, links, unten, oben” nicht verhaspelt und zugleich zügig genug seid, um vor Ankunft eurer Rettung nicht noch einen Ansturm an Feinden überstehen zu müssen.
Ein Spiel, wie als erster an der Ampel den Grünimpuls zu verpennen und dann den Wagen absaufen zu lassen. Nur, dass man in der Bremer Neustadt hierfür vermutlich nicht von einer haushohen Weltraumzecke in einer Säurepfütze geschmolzen wird. Der Clou ist eigentlich, dass Helldivers 2 bei allem ernstzunehmenden Anspruch, den es an euch stellt, zugleich entwaffnend lustig ist. Es ist ein wirklich herrliches “Idioten im Weltraum”, bei dem sich in jeder Partie eine eigene Gruppendynamik entwickelt, weil man mal wieder einen Kumpel gesprengt hat oder als einziger darauf drängte, nur noch dieses eine optionale Missionsziel mitzunehmen – das dann der kompletten Gruppe den Hals kostete.
Nicht nur das! Auch freiwillig darf man erstaunlich viel Blödsinn machen. Auf dem Eisplaneten, den ich als Erstes spielte, darf man im Tiefschnee Schneebälle formen und dann damit schmeißen. Und die Hinwerfen-Taste ist eigentlich als Rettungssprung gedacht, und um zum Beispiel ein MG am Boden zu stabilisieren, war in den knapp fünf Stunden gestern Abend ein Quell endloser kollektiver Erheiterung, wenn man sich regelmäßig mit dem Kopf zuerst von hohen Felsen stürzte. Was haben wir gelacht. Es ist einfach zu dumm – auf die gute Art. Für so viel Stress ist das ein erstaunlich lustiges “Abhängen-und-labern”-Spiel.
Waffenfeedback zum Niederknien
Das soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, wie viel Spaß Helldivers 2 schon im Kleinen macht: Das Waffenfeedback und Handling ist eines der befriedigendsten, die ich in einem Third-Person-Spiel bisher erleben durfte. Es ist keine kleine Leistung, die Wucht der Waffe gewissermaßen an der Spielfigur vorbei auf mich zu übertragen, aber die Insektenmonster, denen ich gestern Abend die bleierne Demokratie einbläute, verkaufen jeden Treffer so überzeugend, als sprächen sie für einen neuen Starship-Troopers-Film vor. Helldivers Werkzeuge sind einfach spaßig und intensiv zu benutzen.
Auch das Drumherum mag ich sehr, zu Beginn benennt man etwa seine eigene Fregatte – meine heißt “Faust der Gleichberechtigung” – und dass man beim Spielbeitritt von Freunden deren Schiffe zur Flotte stoßen sieht, ist ein ebenso atmosphärischer Kunstgriff, wie der Flug des eigenen Raumers von einem planetaren Einsatzziel zum nächsten.
Zuerst bemüht, dann aber trotzdem sehr, sehr lustig
Der rosa Elefant im Raum ist natürlich der Ton, der direkt aus dem Paul-Verhoeven-Film stammt, der so sichtlich Pate stand. Man muss kein besonderer Fan davon sein, diese Art der Imperialismuskritik war schon Ende der 90er nur so gerade noch frisch. Und angesichts einer Weltlage, in der Nationalismus, Kriege und die allgemeine Geringschätzung von Menschenleben wild um sich greifen, trennen uns von Helldivers’ Zukunftsvision mit Soldaten als Wegwerfressource gefühlt nur ein paar Durchbrüche in der Raumfahrt und die Entdeckung außerirdischen Lebens. Aber das Spiel nimmt es gekonnt mit Humor, also lache auch ich. Was bleibt uns anders übrig?
Dafür, dass das Spiel gestern erst gestartet ist, lief es im Großen und Ganzen recht gut. Mithilfe von kurzen Freundes-Codes fanden PC- und PS5-Spieler problemlos zueinander und auch wenn unsere Partie zwei, drei Abstürze und Verbindungsabbrüche zu vermelden hatte, haben wir am ersten Abend entschieden mehr gespielt als gewartet. Nachdem ich gestern noch Probleme hatte, auf SOS-Signale anderer Spieler zu reagieren, um deren laufender Partien beizutreten, lief es heute Vormittag reibungslos. Das hätte schlimmer kommen können!
Für ein wenig Unmut sorgte im Netz der Battlepass, denn die Bezahlversion davon enthält Waffen, die einem vorenthalten bleiben, wenn man nicht noch Geld hineinbuttert. Das ist bisher nichts Essentielles, aber doch aus Prinzip schon ein wenig unschön. Darüber sollte Arrowhead noch einmal nachdenken.
Davon abgesehen freue ich mich jetzt schon auf die nächsten Partien in Helldivers 2. So viel Koop-Spaß hatte ich lange nicht mehr.