Skip to main content

Image Fight II Operation Deepstriker - Test

Erinnerungen an mein früheres Leben als mnemonischer Weltraum-Pitbull

Lust mal wieder ein Spiel auswendig zu lernen? Jede einzelne gottverdammte Sekunde seiner miserablen Existenz? Klingt doch super…

Nach all dem Tomb Raider-, Fallout- und Sonstwas-Stress brauche ich erst mal eine Auszeit. In diesem Job heißt das ne halbe Stunde abends mal was spielen, was man nicht testen muss. Und man ist inzwischen so dermaßen mindfucked, dass man es danach dann doch testet. Enter Image Fight 2.

Endlich kam mein neues Verlängerungskabel für die PC-Engine-Pads an, deren Controller traditionell auf japanische Verhältnisse der späten 80er ausgerichtet waren: 75cm reichten einmal durchs Wohnzimmer. Nun, nicht im Non-Profit-Gesellschaftlichen-Wohnungsbau im Roten Wedding, also drei Meter für 40 Euro dazwischengeschaltet. Euch sind die modernen Pads zu teuer? Suck it up, Altschrott zu sammeln ist auch kein Spaß. Das für 60 Euro eingekaufte Game eingelegt. Ja, der Job hat auch Perks, ich muss keine aktuellen Games für 60 Euro kaufen, ich gebe es für 25 Jahre alte Spiele aus... Dank Framemeister das bestmögliche Bild des Bootups auf den Screen gezaubert. Los geht es.

Ein japanisch vertontes Intro später, das nicht annährend so gut war wie Download 2 - In Cyber-Tokyo 2087 haben sie Adolf Hitlers Gehirn wiederbelebt -, ringe ich mit mir und meinem Selbstverständnis. Ich bin nicht schlecht in Shoot'em'Ups. Ich spiele ein Ikaruga mit dem ersten Continue immer noch weit genug, um mich nicht zu schämen. Ich komm bei einem Redux Dark Matters weit genug. Cotton 2 hatte ich solide durchgezogen als ich eigentlich die Technik nutzen sollte, um Nvidias 4K-Shield zu testen und nicht, um zu gucken, ob der Saturn-Emulator mir Spiele bieten kann, die ich längst kaufte, obwohl ich nicht mal die Konsole dafür habe. Aber meine Fresse, Himmel-Herrgott-Sakra-Scheißendreck und Verfi...-noch-eins!!! Hat Image Fight 2 mit mir den Boden aufgewischt!

Die ersten drei Continues würde ich sagen, dass ich es keine drei Screens weit schaffte. Vertical-Shmup, Feinde kommen von oben, ihr startet im eher unteren Bereich des Screens und irgendwo oben wird die Welt, das Universum und Neo-Tokyo nach dem zehnten Bossfight gerettet. Drei Screens sind die ersten zwei Minuten oder so. Carnival-Shooter sind teilweise länger als das.

Und dann wurde mir klar, dass auch das Shoot 'em up sich verändert hat. Image Fight 2 will nicht, dass ihr taktisch seid. Dass ihr Reflexe für das Unbekannte aufbaut und innerhalb von einer Sekunde die Extrawaffen auf neue Bedrohungen und Muster einstellt. Das ist Sissy-Dreck für Cave-Spieler. Nein, in Image Fight 2 müsst ihr zu etwas werden, was ich als mnemonischer Pitbull bezeichnen würde. Ihr müsst das gesamte Spiel auswendig lernen. Jeden einzelnen Gegner kennen, wissen wann er woher kommt und mit was er um sich ballert. Und dann müsst ihr euch in der Sekunde, bevor er da ist, auf ihn stürzen, damit ihr euch sofort an ihm verbeißt, sobald sich auch nur ein Pixel seiner verkommenen Existenz zeigt.

Heutige Spiele sind viel intelligenter als das. Sie fordern euch heraus adaptiv mit der Situation umzugehen - zumindest tun die Besseren das. Eine KI sorgt dafür, dass ihr gegen Feinde spielt, die Fehler machen können, danebenschießen und euch Raum geben. Das ist nicht Image Fight 2. Ihr habt zu jeder Sekunde an einem bestimmten Fleck zu sein. Wenn ihr nicht dort seid, dann war es das. Und seid ihr am richtigen Fleck, braucht ihr keine Reflexe. Reflexe bedeuten Reaktionszeit. Im Prinzip kann ein Blinder, der ein gutes Gedächtnis in seinen Daumen hat, dieses Spiel lösen. Es ist komplett linear. Selbst zielsuchende Geschosse wissen das und lassen euch genau so viel Platz, um auszuweichen. Sie sind darauf geeicht, euch diese letzte Luftblase zu lassen, wenn ihr alles richtigmacht. Und nur dann.

Das ist selten dämlich, was Spieldesign angeht, aber der Reiz kommt daher, dass das normale Gehirn nur in der Lage ist ungefähr 80 Prozent der Gegnerhorden zu verinnerlichen. Die letzten 20 Prozent sind in den Raum geworfene Sätze wie „Scheiwokamstdudennjetztwiederohgotthierbinichschonschnellrunter!!!". Und dass diese spontan entworfenen Selbsterhaltungskonzepte mitunter dann doch funktionieren, das ist so nah an sexueller Befriedigung, wie man als Nerd in den mittleren Teens damals kam. Funktioniert das heute noch? Nein, natürlich nicht, ich habe ein nach den allermeisten Maßstäben funktionierendes Leben und ich werde den Teufel tun und das ganze Elend der Weltrauminvasion von Zempff oder woher auch immer auswendig zu lernen. Sorry Japan, mit dieser Sache lasse ich Dich und Godzilla heute mal alleine.

Das für mich selbst irgendwie Beängstigende ist, dass ich das Ding durchgespielt habe. Als es das neue Image-Fight-Game war. Als die EGM das erste Mal keine Wertung vergab, weil sie nur werten, was sie durchspielen. Und bei Image Fight 2 zogen sie die Grenze. Also spielte ich es durch. Alle 10 oder so Level. Heute? Mal gucken, ob ich es noch mal bis Stage 3 schaffe. Meine Fresse, waren Spiele damals dämlich. Ist ja nicht so, dass andere Shmups grundlegend anders funktionieren würden. Sie sind nur vergebender. Nicht so Image Fight. Und schon gar nicht mit der Nummer 2 hinten dran.

Es sieht super aus. Pixel-Art ist ja wieder in und das hier ist für eine Konsole, die in der Grundsache eine fast 30 Jahre alte 8-Bit-Maschine ist - auch wenn sie gerne mal so tut, als wären es 16-Bit (Bit-Wars, anybody?) - wie fast jedes bessere Engine-Spiel fantastisch. Der Soundtrack? Oh mein Gott, ich wünschte moderne Action Games hätten solch einen Kick-Ass-Soundtrack! Allerfeinster 80s-Synth-Rock-Pop direkt von der CD gestreamed, ein Traum. Es steuert sich absolut präzise. Logisch, alles andere wäre hier undenkbar. Aber als Spiel an sich? Erst werdet ihr euch fragen, was das soll und ob das so sein muss. Dann werdet ihr leicht masochistische Züge entwickeln und die unendlichen Continues bis zur Neige auskosten. Danach werdet ihr besagter mnemonischer Pitbull und euch verbissen auf jeden Feind stürzen. Und schließlich werdet ihr sogar Spaß haben.

Das habe ich alles mal durchgemacht? Nicht noch einmal. Ich Loser spiele mal lieber ne Runde Lords of Thunder und erkenne an, dass A) mein Leben ganz in Ordnung ist und B) dass Image Fight II keine Rolle mehr darin spielt. Jedenfalls jenseits davon, ein respektiert-gefürchtetes Sammlerstück zu sein. Wir schauen einander an. Und heute blinzle ich immer zuerst.

Schon gelesen?

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

Verwandte Themen