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Impact Winter - Test

In der Nacht ist es kälter als draußen.

Isometrisches Survival-Spiel mit viel Realismus. Macht manchmal Spaß, frustriert aber, weil manche Risiken einfach nicht kalkulierbar sind.

Wenig dokumentiert eine postapokalyptische Endzeit so schön wie eine bis zum Dach zugeschneite Kirche - euer Zuhause in Impact Winter, einem Survival-Spiel des Entwicklungsstudios Mojo Bones. Ein Asteroid hat die Erde getroffen und ihr habt euch mit vier zufällig getroffenen Fremden in ebendieses Gotteshaus zurückgezogen, um dort auf Rettung zu warten. Bis es so weit ist, wird es 30 Tage dauern - diese Frist wiederum könnt ihr verkürzen, indem ihr bestimmte Missionen erfüllt. Denn: Der Asteroideneinschlag ist glücklicherweise in der Zukunft passiert, weshalb ein fliegender Roboter namens Ako-Light euch auf Schritt und Tritt folgt. Tut ihr Gutes, levelt er auf und verkürzt so die Wartezeit. Zugegeben: Es gibt gerade an dieser Stelle die eine oder andere Lücke in der Handlung, aber letztlich bleibt es dabei, dass ihr schneller gerettet werdet, wenn ihr gewisse Risiken eingeht.

Diese Risiken finden sich in der Spielwelt. In isometrischer Ansicht könnt ihr selbige durchstreifen, teilweise mithilfe von Leitern oder Seilen über die Dächer in alte Häuser einsteigen und dort Gegenstände plündern, die ihr dringend braucht. Was das ist, bleibt eurer Auswahl überlassen, denn weil euer Inventar relativ begrenzt ist, könnt ihr keinesfalls alles mitnehmen. So sind also ein paar Dosen Bohnen möglicherweise bedeutend wertvoller als ein Notebook. Sogar eine Büroklammer kann wichtiger sein als eine Autobatterie, weil ihr mit Ersterer eine Rattenfalle bauen könnt, die ihr für eure nächste Quest braucht, und für Letztere eben keine Verwendung habt.

Euer Lagerfeuer in der Kirche: bestes Symbol für das Überleben eurer Gruppe.

Während ihr diese Touren in die völlig zugeschneite Wildnis unternehmt, müsst ihr allerdings auch auf euren persönlichen Zustand achten. Ihr braucht genug Schlaf, genug Essen, genug zum Trinken und außerdem sollte eure Moral einigermaßen stimmen. All diese Faktoren sind noch relativ leicht zu managen, problematischerweise haben die Kollegen in der Kirche aber die gleichen Werte, und die fallen ebenfalls. Also weist ihr ihnen Rationen zu, kocht ihnen Essen, sagt ihnen, wann sie schlafen sollen. Das funktioniert über sogenannte Rollen. Die Rolle "Faulpelz" mag sich zunächst nicht besonders reizvoll anhören, sorgt aber dafür, dass sich jemand deutlich besser erholt. Und unter Umständen ist das nötig, beispielsweise wenn er sich gerade kurz vorher an den Rand der psychischen Erschöpfung gearbeitet hat. Es ist ein bisschen wie bei den Sims, nur in einer Kirche, die umgeben ist vom ewigen Eis der Zukunft.

Im weiteren Verlauf schaltet ihr zwar neue Rollen frei, wirklich wie eine Erleichterung fühlt sich das aber nur teilweise an. Es ist eher, als hätten die Entwickler vorgesehen, dass ihr das Spiel auf andere Art und Weise spielen könnt, nicht so sehr auf leichtere. Permanent zu pennen kann da einfacher sein, als den Workaholic zu mimen, zumal Letzterer deutlich mehr Essen braucht. Das wiederum müsst ihr besorgen, das ist nicht einfach und letztlich sind alle freigeschalteten Optionen deshalb wirklich nur das: Optionen. Ihr könnt sie auch ignorieren. Diese Freiheit in der Spielgestaltung macht zunächst Spaß, kann aber ins Gegenteil umschlagen, wenn ihr euch in irgendeinem Zusammenhang gänzlich falsch entscheidet. Es ist durchaus möglich, sich in Impact Winter in unlösbare Situationen zu manövrieren. Speichert also früh und speichert oft.

Natürlich könnt ihr eure Kirche auch verbessern. Etwa indem ihr eine Antenne aufs Dach klebt und so rechtzeitig gewarnt werdet, wenn sich zwielichtige Gestalten nähern. Ihr könnt auch erlernen, wie ihr Eis identifiziert, das sich zu Trinkwasser verwandeln lässt (Hinweis: Es sollte nicht gelb sein). Alles in allem funktioniert das auch über das Level eures kleinen fliegenden Hilfsroboters. Letzten Endes ist er eine Art Symbol für euer Level als Spieler.

Dieses NES nehmt ihr besser nicht mit, denn es verbraucht im Inventar noch zwei Plätze mehr als ein gutes, fettiges Stück Fleisch.

Kennt ihr Picknick am Wegesrand? Das ist ein Roman der Brüder Arkadi und Boris Strugazki. Es geht darum, dass Aliens bei einem Besuch auf der Erde diversen Unrat haben liegen lassen und dann weiterfliegen. Und jetzt halten die Menschen diesen Mist für große Schätze. Das Buch war Grundlage für die Stalker-Spiele und ich erwähne es in diesem Zusammenhang, weil sich auch in Impact Winter jeder Ausflug ins Freie anfühlt wie eine Tour in eine komplett lebensfeindliche Umgebung, in der es nichts gibt, was in unserer Status-Quo-Zivilisation von Nutzen wäre. Nur nach dem Einschlag des Meteoriten, jetzt, da alles von Schnee und Eis bedeckt ist, ist sogar ein kleines Stück Draht unter Umständen wertvoll, weil es nötig sein kann, eine wichtige Maschine wieder zum Laufen zu kriegen. Einen Herd beispielsweise.

Das Ding ist nur: Zumindest auf euren ersten Touren in die Wildnis wisst ihr nicht wirklich, was nützlich ist und was nicht. Klar, es gibt ein paar offensichtlich sinnvolle Sachen, meinetwegen einen Dosenöffner, ein Stück Fleisch oder einen Baseballschläger zur Abwehr wilder Tiere, die sich hungrig auf der Oberfläche herumtreiben. Typisch für Survival-Spiele: Ihnen zu begegnen ist nicht gerade ratsam. Ihr könnt dann zwar ein paar Mal zuschlagen, im Grunde segnet ihr aber recht schnell das Zeitliche. Bleibt lieber weg von Feinden. Kämpfe sind böse. Trotzdem, raus müsst ihr, denn Gegenstände jeder Art sind wichtig. Relativ zu Beginn fand ich in einem Keller beispielsweise ein altes NES, das relativ viel Platz im Inventar verbraucht hätte. So sehr ich es geliebt hätte, irgendwas damit auszuprobieren, schien mir ein Stück Fleisch an dieser Stelle eben doch wertvoller und ich entschloss mich, die Retro-Konsole liegen zu lassen.

Zu dieser Entscheidung hat auch die Geschichte beigetragen, die sich von Beginn an eben nicht darum dreht, wer in dieser Welt am meisten Spaß hat, sondern wie alle zusammen am besten überleben. Es ging den Entwicklern ganz offensichtlich um Realismus. Es mag zwar nervig sein, diverse Wasserflaschen mit euch herumzuschleppen, eben das müsstet ihr in der Realität aber auch tun. Ihr müsstet auch jemanden abstellen, der sich um das Lagerfeuer kümmert, jemanden, der kocht, einen, der sich um die Technik kümmert. Deshalb müsst ihr das in Impact Winter machen. Das erfordert viel Inventar-Management, manchmal so viel, dass ihr für Stunden den Eindruck habt, wenig mehr zu tun, als etwas zu plündern und die erhaltenen Gegenstände dann von A nach B zu verschieben. Was mit dieser Steuerung nicht gerade ein Highlight ist und die Dramatik noch mehr schmälert.

So sieht die Oberwelt größtenteils aus. Weiß. Verschneit.

Ignoriert ihr all das und spielt es abenteuerlustiger - und spaßiger -, sterben eure Kirchenbewohner im schlimmsten Fall und damit gehen euch entscheidende Fähigkeiten verloren. Denn jede dieser Figuren hat ihre eigene Quest-Reihe - es ist nicht möglich, alle gleichzeitig in einem Durchgang zu erleben, aber ihr möchtet euch möglicherweise für die eine oder andere Mission entscheiden können, um verschiedene Belohnungen zu erhalten. Die emotionale Bindung zu den Figuren hält sich Genre-typisch in Grenzen. Es ist ein wenig ein Spiel im Zwiespalt: Einerseits möchte es, dass ihr sie mögt und euch um sie kümmert. Andererseits können die Mechaniken trotz der spezifischen Aufgaben nicht verheimlichen, dass die Figuren im Prinzip nur wandernde Werte und Eigenschaften für euch sind. Im Survival sollte man sich ein wenig mehr um seine "Survivors" sorgen, als es hier gelingen will.

Ein wirkliches Patentrezept fürs Überleben gibt es nicht, denn jeder Durchgang ist anders, hat also spezifische Ereignisse und Herausforderungen. Verschiedene Spielstände habt ihr nicht zur Verfügung. Eine Entscheidung ist eine Entscheidung für immer. Hier liegt natürlich der Reiz von Impact Winter. Ihr baut eine eigene Geschichte in der Postapokalypse. Es ist eure Geschichte und es wird für immer eure bleiben.

"Für immer" ist wörtlich zu nehmen. Das Spiel entwickelt sich bis zu seinem Ende stetig weiter, ihr habt immer das Gefühl, dass ihr gerade irgendwie beeinflusst, was passiert. Oder dass eben die Auswahl, die ihr mehr oder minder nach dem Zufallsprinzip getroffen habt, das bestimmt. Das fühlt sich teilweise hart an, unbarmherzig, es ist aber auch gerecht. Entscheidet euch und lebt damit, diese Postapokalypse kennt kein Nachsehen. Solche Persistenz macht Spaß. Ihr habt das Gefühl, eure eigene Geschichte zu erleben, selbst wenn es manchmal nur die Geschichte des Sammelns, Kochen und Inventarverschiebens war. Das Spiel ist flexibel genug, auch die Kombination verschiedener Entscheidungen und Quests abzubilden. Manchmal bleibt eben nur dafür Zeit und nicht für die durchaus vorhandenen, spannenderen Quests.

In dieser Höhle versuche ich gerade, mit einer mühsam zusammengebastelten Falle ein paar Ratten zu fangen.

Bei jedem Dialog, den ihr führt, oder auch nur, wenn ihr in eurem Inventar herumkramt - die Zeit läuft weiter. Umso ärgerlicher sind da diverse Steuerungsprobleme. Das Spiel erscheint zuerst für PC und soll später für Playstation 4 und Xbox One erscheinen. Auch am Computer solltet ihr aber dringend einen Controller verwenden, denn die Steuerung mit Maus und Tastatur kommt direkt aus der Hölle. Nicht nur, dass diverse Kommandos in unserer Testversion nicht nachvollziehbar waren (etwa STRG für zurück - auch in den Menüs), manchmal haben die angezeigten Tasten auch einfach nicht funktioniert. Mit einem PS4-Controller ging es deutlich besser, obgleich auch hier die Spielfigur manchmal nicht in die Richtung ging, die ich ihr eigentlich zeigen wollte. Überhaupt fühlt sich manches selbst jetzt zum Release nicht ganz fertig an. Gelegentlich passt ein Text nicht in die Box, hier und da gibt es andere kleine Bugs. Die Politur ist offensichtlich noch nicht ganz da, wo sie eigentlich sein sollte und eines Tages und Patches dann höchstwahrscheinlich auch ist.

Unterm Strich ist Impact Winter ein etwas zu sehr auf Versuch und Irrtum ausgelegtes Spiel. Ihr wisst zu Beginn einfach nicht, welche Quest-Reihe sich lohnt und welche nicht. Ihr habt keine Ahnung, welche Gegenstände ihr braucht und welche vollends sinnlos sind. Daher handelt ihr frei nach Schnauze und fallt so mit hoher Wahrscheinlichkeit auf selbige, was bei einem langen Spieldurchgang von etwa acht bis zehn Stunden in stetiger Wiederholung an den Nerven zerrt. Dazu kommt, dass manche Durchläufe wenig mehr sind als ein glorifiziertes Eichhörnchendasein, bei dem ihr über Stunden das Nest vollhamstert. Natürlich gibt es auch Design-Stärken: Das Gelernte tröpfelt direkt in den Spielfluss des neuen Durchgangs und am Ende fühlt ihr euch den Spielfiguren sogar ein bisschen überlegen. Das erfordert mehr Geduld als in anderen Spielen - auch angesichts der noch vorhandenen kleineren Bugs - und auch mehr Resistenz gegen nicht selbstverschuldete Fehlentscheidungen. Sind die Survival-Rogues euer Ding und glaubt ihr, diese Eigenschaften mitzubringen, hat Impact Winter viel zu bieten, vor allem für seinen kleinen Preis. Dann gebt ihm eine Chance und kämpft euch durch den Winter. Jetzt im Sommer.

Entwickler/Publisher: Mojo Bones/Bandai Namco - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One - Preis: 19,99 Euro - Erscheint am: 23. Mai 2017 - Getestete Version: PC - Sprache: deutsche Bildschirmtexte - Mikrotransaktionen: Nein

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