Imperator: Rome - Test: Alea iacta est
Paradox hat einmal mehr die Würfel geworfen.
Ich hatte zu Schulzeiten nie Latein und stütze meine diesbezüglichen Sprachkenntnisse deshalb auf die berühmten Zitate, die sich in den Asterix-Comics wiederfinden. Und trotzdem hat der Aufstieg Roms etwas Faszinierendes und es macht Spaß, sich zu überlegen, wie die Geschichte wohl anders verlaufen wäre, hätte dieses oder jenes Ereignis der Geschichte nie stattgefunden.
Die Paradox-Spiele eignen sich nun schon seit vielen Jahren bestens dafür, historische Alternativszenarien durchzuspielen und auch Imperator: Rome bildet keine Ausnahme. Wie bei vielen anderen Paradox-Spielen bringt aber auch dieses die üblichen Schwachpunkte mit, die von Fans eher als Stärken interpretiert werden: Sehr komplexe, sich selbst nicht unbedingt erklärende Spielmechaniken und eine Präsentation, die am ehesten noch an die politischen Karten aus dem Diercke Weltatlas erinnern.
Wer also mit Imperator: Rome seinen ersten Paradox-Titel beginnt, läuft erst einmal gegen eine virtuelle Wand. Ja, es gibt ein Tutorial, aber das besteht im Grunde nur aus einer Vielzahl an Textboxen mit Anweisungen, was ihr zu tun habt. Das könnt ihr dann machen oder auch nicht - so oder so werdet ihr am Ende nicht viel schlauer sein als vorher, weil die Entwickler nämlich gänzlich darauf verzichten, irgendwelche tieferen Zusammenhänge zwischen einzelnen Spielmechaniken zu erklären. Entweder ihr seid also ohnehin Paradox-Veteranen oder ihr investiert viele Stunden, um euch erst mal in die Grundlagen einzuarbeiten. Das ist sicher nichts für jeden.
Aber für einige eben doch - Paradox-Fans dürfen sich erstmals seit drei Jahren also wieder auf ein richtig schönes, großes Spiel freuen. Mehr oder weniger. Denn in seinen grundlegenden Mechaniken ist Imperator: Rome eine Fortsetzung im Geiste zu Europa Universalis: Rome und auch sonst präsentiert sich das Spiel als riesiges Konglomerat aus verschiedenen Paradox-Spielen. Was das heißt: Eure Ländereien produzieren Steuereinnahmen und Mannstärke, mit denen ihr neue Armeen ins Leben rufen und Gebäude bauen könnt. Zudem erhaltet ihr Machtpunkte in verschiedenen Bereichen wie Redekunst, Religion oder Militär. Die wiederum schränken eure Möglichkeiten ein, wenn ihr allzu kriegerisch agiert (und vor allem allzu besitzergreifend, was neue Gebiete angeht), wird das mit einem Malus bestraft. Die restliche Welt findet euch dann schlichtweg nicht mehr allzu nett und auch im Inneren kann es dann rumoren. Gleichzeitig enthält das Spiel aber verschiedene Figuren, allesamt mit eigenen Eigenschaften und persönlichen Zielen - das System wiederum stammt so aus Crusader Kings 2.
Imperator Rome fokussiert sich aber auch stark auf den Krieg und zwar auf einen sehr kleinteiliger Manier auf einer überaus detaillierten Karte, wie man das sonst hauptsächlich aus der Hearts-of-Iron-Reihe kennt. Und letzten Endes hat Paradox das System der Pops aus der Victoria-Reihe entlehnt. Pops, das sind Bevölkerungsgruppen mit jeweils spezifischen Eigenschaften.
Das Szenario von Imperator: Rome startet übrigens nicht mit der Geburt Roms. Stattdessen beginnt es im Jahr 304 vor Christus. Rom hatte also schon ein paar gute Jahre seiner Geschichte hinter sich. Die einmal mehr riesige Karte umfasst sowohl den gesamten Mittelmeerraum als auch die britischen Inseln und Skandinavien. Im Osten erstreckt es sich bis zum indischen Subkontinent. Einmal mehr könnt ihr auch bei Imperator: Rome sämtliche auf der Karte vertretene Mächte spielen, also neben Rom auch Karthago und jeden noch so kleinen germanischen Stamm. Zu Beginn ist es natürlich zunächst empfehlenswert, auf eine der größeren Mächte zu setzen und damit einer bestimmten Ereigniskette zu folgen - das gibt euch in den durchaus mal unübersichtlichen Partien zumindest ein bisschen Orientierung. So müsst ihr etwa als Rom verhindern, dass der Isis-Kult sich in Italien verbreitet.
Und wo ich gerade schon bei einer gewissen Unübersichtlichkeit war: Das trifft nicht nur auf das Spielgeschehen, sondern auch auf das inzwischen schon arg in die Jahre gekommene Interface zu. Das fängt damit an, dass etwa der Name irgendwelcher Völker, wenn er in aufpoppenden Ereignissen auftaucht, nicht kontextsensitiv ist. Was ihr also tun müsst, wenn ihr etwas über besagtes Volk herausfinden wollt: Das Fenster wieder schließen und euch über andere Menüs zu den Informationen klicken, die ihr haben wollt.
Nicht selten vergaß zumindest ich darüber schon wieder, was ich eigentlich wissen wollte, schlichtweg weil sich unterwegs irgendeine andere Baustelle auftat. Die Entwickler versuchen, das mehr schlecht als recht zu umgehen. Wenn ihr beispielsweise auf das Icon eines Antragstellers klickt, wird dessen Volk zwar vorübergehend auf der Karte markiert. Das geschieht aber teilweise unter den bereits geöffneten Fenstern. Das könntet ihr also erst sehen, wenn ihr die Fenster schließt, dann aber wiederum könnt ihr nicht mehr auf den Antragsteller klicken - sowas ist zum Mäusemelken und letztlich einfach nicht zu Ende gedacht.
Wo der Fokus der Entwickler bei Imperator: Rome stattdessen lag, wird deutlich, wenn ihr euch näher mit dem Kampfsystem beschäftigt. Ihr könnt eure Armeen nun konkret mit einer bestimmten Taktik auf den Kampf vorbereiten, zur Verfügung stehen Taktiken wie Einengen, Phalanx oder Scharmützel. Je nach verwendetem Einheitentypus ist eine andere Taktik praktisch, mit der schweren Infanterie ist beispielsweise das Einigeln eine gute Idee. Aber auch hier schlägt wieder die suboptimale Menüführung zu: Um zu besagter taktischen Tiefe überhaupt vordringen zu können, müsst ihr erst einmal einen kleinen Button finden, mit dem ihr die Taktiken einstellen könnt. Solange ihr den noch nicht gefunden habt, könntet ihr mit Fug und Recht davon ausgehen, dass das Spiel nur neun verschiedene Einheitentypen pro Fraktion enthält, von denen sich jede eben besser oder schlechter gegen eine andere Einheit schlägt.
Wer bei Imperator: Rome einen friedlichen Stadtstaat irgendwo im heutigen Frankreich spielen will, wird wohl enttäuscht sein, denn der Titel ist zweifellos auf Expansion ausgelegt. Es geht einmal mehr darum, dass ihr die eindrucksvoll große Karte in eurer Farbe anmalt. Die Schlachten selbst werden, wie es typisch für Paradox ist, automatisch berechnet, wenn also die Schwerter einmal aufeinanderknallen, könnt ihr nicht mehr ins Geschehen eingreifen. Die Herausforderung liegt eher darin, dass es mit fortlaufendem Spielverlauf immer schwieriger wird, das eigene Reich unter Kontrolle zu behalten. Denn je größer es wird, desto mehr droht eure Bevölkerung und drohen einzelne Schlüsselcharaktere, illoyal zu werden.
Also müsst ihr stets darauf achten, ein paar gute Gouverneure am Start zu haben. Oder aber ihr sorgt mit Luxusgütern für eine gehobene Stimmung. Was geschieht, wenn euch dieser Balanceakt zwischen Krieg und zufriedenen Bürgern nicht gelingt: Im schlimmsten Fall ein Bürgerkrieg, manchmal aber auch kleinere Sezessionskriege. Warum es also etwas öde sein kann, sich einfach mit dem Status Quo zufrieden zu geben, ist klar: Dann wird dieser Mechanismus nämlich gar nicht erst ins Rollen gebracht.
Läuft die Maschine aber einmal, macht Imperator: Rome unheimlich viel Spaß. Weil ihr eben prinzipiell ein kleines Volk über viele Jahrhunderte zu einer Großmacht aufbauen könnt und weil die Wechselwirkungen zwischen etwa euren Gouverneuren und der Zufriedenheit in euren Provinzen zu faszinieren wissen. Jede einzelne Mechanik mag man in anderen Spielen schon mal besser oder detailreicher gesehen haben, aber Imperator: Rome schafft es eben, das Vorhandene wunderbar miteinander zu vermählen. Im späteren Spielverlauf sind es vor allem die unvorhergesehenen Ereignisse, die ein Spiel, das ihr unter Kontrolle wähntet, wieder spannend machen. So ein Bürgerkrieg bedeutet nämlich schnell euer Game Over, sofern ihr ihn nicht gewinnt und selbst kleine abtrünnige Provinzen bringen euch schon mal schnell in Bedrängnis. Oder eine erkrankte Führungspersönlichkeit.
Nun ist mir nicht ganz entgangen, dass Imperator: Rome auf Steam gerade mit negativen Reviews überhäuft wird. Woran das liegt: Wohl zu großen Teilen daran, dass sich Imperator: Rome (wie im Übrigen viele andere Paradox-Spiele zuvor) nicht hundertprozentig anfühlt wie ein komplettes Spiel, sondern viel mehr wie ein Basisprogramm, dass ihr in den kommenden Monaten dann nach eigenem Gutdünken mit DLCs erweitern dürft. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen - Paradox wird garantiert einige Features nachreichen und viele von ihnen werden auch Geld kosten. Dennoch ist Imperator: Rome ein an sich gut spielbarer Titel. Mit technischen Problemen hatte ich nicht zu kämpfen, Bugs sind mir keine begegnet.
Ein Hauptproblem dürfte hier eher die Erwartungshaltung sein: Paradox hat sich in den vergangenen Jahren von einem Indie-Entwickler zu einem börsennotierten Powerhouse entwickelt, auch wenn Grand-Strategy-Titel wie dieser gerne noch als Nischenprodukte wahrgenommen werden. Gerade in diesem Zusammenhang mögen viele der aus anderen Spielen stammenden Mechaniken aufgewärmt wirken. Weil hier eben nicht die Bestandteile neu sind, sondern wie sie ineinandergreifen. Es geht darum, ständig den nächsten Krieg vorzubereiten und gleichzeitig euer Volk zusammenzuhalten und dieses Spielgefühl ist in dieser Form spannender an als bei jedem Europa-Universalis-Teil zuvor. Und: In dieser Intensität auch neu.
Klar, Imperator: Rome ist nicht das große Meisterwerk auf das viele Paradox-Fans vielleicht gewartet haben. Es ist nach wie vor sehr sperrig, die Menüs sind unübersichtlich und die Clausewitz-Engine kommt merklich in die Jahre. Zudem enthält das Spiel kaum neue und entscheidende Hauptmechaniken. Gerade dieser Kriegsfokus war es aber für mich, der den Reiz am Spiel ausmachte. Imperator: Rome fühlt sich an wie ein pulsierendes Herz, das ständig wechselt zwischen Kriegsvorbereitung und Krieg bei gleichzeitiger Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung. Das ist es, was an Imperator: Rome so faszinierend ist und was auch bei diesem Titel wieder dafür sorgt, dass ihr nicht merkt, wie draußen die Sonne aufgeht, während ihr noch dabei seid, mit den Gothen in Italien einzufallen.
Entwickler/Publisher: Paradox Development Studio/Paradox Interactive - Erscheint für: PC, Mac, Linux - Preis: 39,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Gestestete Version: PC - Sprache: deutsch - Mikrotransaktionen: Nein
PC-Spiele testen wir auf Lenovo Legion PCs und Laptops, die uns von Lenovo zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Hier erfahrt ihr mehr über Gaming-Laptops 2019 im Allgemeinen und hier geht es zur Website von Lenovo Legion Gaming.