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In Scorn geht es nicht um den Horror, den ihr erlebt, sondern das Grauen, das ihr selbst anrichtet

Willkommen in H.R. Gigers Albtraum!

Ich habe gerade mal eine Stunde Zeit, um eine ausführliche Demo von Scorn zu spielen – auf der gamescom übrigens schon, nur mit einem langfristigen Embargo versehen. So ist das manchmal. Auf jeden Fall bleibe ich trotz des Zeitlimits ständig stehen, weil ich einfach nur darüber staune, wie überzeugend Ebb Software den Stil von Alien-Schöpfer H.R. Giger nachahmt und mir das Gefühl vermittelt durch eine riesige, von ihm erschaffene Plastik zu laufen.

Fließend gehen scheinbar Organisches und Mechanisches ineinander über. Durch seichten Nebel schimmernde Lichter verleihen den Räumen eine stimmungsvolle Tiefe. In kleinen Gruben liegen massenhaft Gedärme und mittendrin steckt etwas, das an Teigverarbeitung erinnert. Wo ich mich da befinde? Ich weiß es nicht. Und das ist auch so gedacht. Man erwacht in dieser fremden Umgebung vor einem gigantischen Turm, bevor man in die Tiefe stürzt und einen Weg durch verschlossene Türen finden muss – wohin auch immer der dann führt.

Beeindruckend ist, wie nah Ebb Software Gigers Stil nachahmt.

Scorn erklärt sich nicht. Es gibt keine Missionsbeschreibung, bis auf Ausnahmen auch keine Bildschirmanzeigen, nicht einmal die Steuerung wird erklärt. Nur wenn man Maschinen bedient, zeigen unauffällige Symbole, in welche Richtung man zum Beispiel einen Greifarm oder eine Lore bewegen kann. Denn um das richtige Benutzen solcher Maschinen dreht sich das Spiel, weshalb man zu Beginn gleich eine Art Schlüssel direkt in die linke Hand montiert bekommt. Erst mit dem kann man die Tür zum ersten großen Rätsel öffnen.

In einem großen Komplex habe ich dort weitere Greifarme bewegt, Skelett menschenähnlicher Lebewesen entdeckt, die in riesige Eier gequetscht waren, und ein großes Tor gefunden, das allerdings von zwei weit voneinander entfernten Maschinen geöffnet werden muss.

Und dann sehe ich eine Art Stuhl, den ich ebenfalls aktivieren kann – woraufhin sich so etwas wie eine Kreissäge von oben herabsenkt und von oben nach unten über den Stuhl fährt. Über einem weiteren Stuhl schwebt ein riesiger Schaber, der beim Aktivieren über den Stuhl fährt, um etwas herauszuheben und in ein großes Loch zu werfen scheint. Noch ist da kein Blut, nur die Vorstellung in meinem Kopf...

Ich weiß nicht, was es mit diesem Wesen auf sich hat. Ihm zu helfen, erlaubt das Spiel nur leider nicht.

... doch in den nächsten Minuten wird mir schnell klar, dass es in Scorn wohl nicht nur um den Horror geht, der einem selbst geschieht. Sondern zumindest an dieser Stelle auch darum, was man bereit zu tun ist, um diesem grauenvollen Gefängnis zu entfliehen. Schon bald entdecke ich nämlich eine Reihe noch unversehrter Eier, von denen ich eins heraushole und über die Greifarme in eine der Loren transportieren lasse, wo mir dann eins dieser menschenähnlichen Wesen gegenübersitzt: zusammengequetscht, mit dem Ei verwachsen und orientierungslos grunzend, während ich die Lore in den Raum mit dem Schaber schiebe. Und auf Start drücke.

Der Schaber kippt die vermeintliche Leiche in das große Loch. Zurück bleibt ein abgetrennter Arm, mit dem ich das zweite Kontrollpult vor dem Tor aktiviere. Wie genau man die Maschinen benutzt (um das Ei zu erhalten, musste ich es über eine Art Verschiebepuzzle ans Ziel transportieren), ist also die spielerische Frage. Was es mit dieser grausigen Einrichtung auf sich hat, die erzählerische.

Über solche Pulte bedient man die Maschinen und damit man sie benutzen kann, benötigt man zunächst einen Schlüssel, der direkt in die linke Hand gebaut wird. Mensch und Maschine werden in Scorn auf makabere Art zu einer Einheit.

Wobei ich an dieser Stelle auch durchaus kritisch auf das erste größere Rätsel blicke. Immerhin wusste ich gar nicht, dass ich durch das „richtige“ Auslösen der beschriebenen Ereignisfolge einen Arm erhalten würde, sondern habe einfach nur getan, was mir Scorn als Interaktion anbietet. Es gab keine erkennbare Aufgabenstellung, weshalb ich mich mehr für das Bedienen eines Filmprojektors verantwortlich fühlte als mit der Hauptfigur verschmolzen.

So oder so will ich aber wissen, wie es weitergeht. In der Demo folgte ein neuer, ganz anderer Komplex miteinander verbundener Räume. Ich erhielt dort so etwas wie einen Dampfhammer, mit dem ich nicht nur weitere Maschinen bedienen konnte, sondern auch mechanische Gegner „abschießen“, die mit einem gesundheitsschädlichen Gas den Weg blockierten. Es scheint also auf recht abwechslungsreiche Art und auf jeden Fall stimmungsvoll weiterzugehen. Nur allzu lang soll Scorn ja gar nicht sein – laut Ebb Software etwa sechs bis acht Stunden –, weshalb ich vor allem gespannt darauf bin, wie viel Erzählung in diesem makaberen Trip drinsteckt. Oder dient die grandiose Kulisse lediglich als atmosphärisches Schaubild verquerer Rätsel? Beides ist dem ersten Eindruck nach gut möglich.

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