Indiana Jones and the Great Circle könnte das gelingen, was im Kino schiefging
Ein letzter Ritt mit Doctor Jones!
Wer dachte, nach dem letzten Kinoabenteuer von Harrison Ford als prototypischem Archäologen-Glücksritter war es das für Indiana Jones, der hat sich schwer geirrt. Die Wolfenstein-Macher von Machine Games bringen den Peitschen schwingenden Professor für Bethesda in Indiana Jones and the Great Circle zurück. Weil für viele der fünfte Film nicht in Gänze befriedigend war, sind das erst mal keine schlechten Neuigkeiten. Und doch – was für ein Spiel wird das überhaupt?
Hält man sich vor Augen, dass das letzte Tomb Raider die Verkaufserwartungen nicht erfüllen konnte und auch Uncharted seit acht Jahren keine Fortsetzung gesehen hat, darf man schon Zweifel anmelden, wie groß heute noch die Lust auf grabräubernde Action-Adventures ist. Zumal Lizenzspiele lange nicht den besten Ruf genossen. Troy Baker als Indy schien dem einen oder anderen wie Gotteslästerung – und überhaupt: Wer will denn alte, Fallen-gespickte Gruften in der First-Person-Perspektive erkunden? Nach einer Präsentation des Spiels im Vorfeld der Gamescom muss ich allerdings sagen, dass Machine Games viele meiner Sorgen beiseitewischen konnte.
Offene Erkundung gemischt mit gradliniger Story
Das Spiel wird umfassender und offener, als man es von vergleichbaren Titeln kennt. Machine Games’ Boss Jerk Gustafson bezeichnet Indiana Jones and the Great Circle sogar als das umfangreichste Spiel des Studios bisher. Da Wolfenstein 2 schon nicht gerade kurz war, darf man sich also auf ein ordentlich dimensioniertes Abenteuer einstellen, das lineare Abschnitte mit solchen abwechselt, in denen man auch das eine oder andere Geheimnis abseits des Weges entschlüsselt.
Als hätte er meine Frage antizipiert, wie man verhindern will, dass man die Dringlichkeit des eigentlichen Abenteuers aus den Augen verliert, wenn es gewissermaßen Nebenquests gibt Gustafson gleich im Anschluss zu verstehen: Auch die Dinge, die man sich in den Hub-artigen Arealen optional vornimmt, leisten ihren Beitrag zur Haupt-Story. Schön wäre es ja, wenn sich diese sekundären Aktivitäten bedeutsam anfühlten. Viel zu oft verlieren sich Weltenretter im Kleinklein, das man nur der Vollständigkeit und der Lust auf Content halber erledigt. Wir Gamer taugen eben nicht zum Helden, deshalb spielen wir ja auch nur welche.
So oder so: Im Kern löst ihr Spiegelrätsel, schaut in Indys Tagebuch eure Hinweise an, klettert an Kanten über Abgründe oder schlängelt euch durch von Mumien gesäumte Gruften hindurch. Allerlei ekeliges Gekreuch kommt euch Mal um Mal viel zu nah und Statuen werden einfach so von Podesten entwendet, obwohl Indy es mittlerweile eigentlich besser wissen müsste. In manche Bereiche dringt ihr nur vor, wenn ihr euch eine passende Verkleidung zulegt und in Schleichpassagen dürft ihr Patrouillen sogar leise ausschalten und ihre Körper so verstecken, dass ihre Freunde nicht darüber stolpern und Alarm schlagen. Alles vertraute, aber dem Genre angemessene und atmosphärische Elemente.
Nicht zuletzt, weil es an wunderschöne Schauplätze mit hohem Wiedererkennungswert geht, etwa den Vatikan oder ins Himalaya-Gebirge. Eine Expedition unter die legendäre Sphinx war für mich als Couch-Archäologe ein echtes Highlight. Hier wusste ich auch das erste Mal die eher kuriose Entscheidung, das Spiel in der First-Person-Perspektive zu inszenieren, wirklich zu schätzen. Überlegt mal: Hier wird nicht viel geschossen, dafür aber ausgiebig die Umgebung erkundet, was in der Third-Person häufig etwas besser geht, zumal wenn Fallen im Spiel sind. Mit der Nase nah an einer Wand fällt es bisweilen schwer, sich im Raum zu orientieren. Gleichzeitig kam die Platzangst in einem engen Tunnel unter der steineren Statue voll zum Tragen. Ich stelle es mir noch einmal intensiver vor, alte Mechanismen oder Schätze aus nächster Nähe zu sehen. Hoffen wir, spielerisch gibt das keine Probleme, für den Moment bin ich aber geneigt, diese Entscheidung zumindest als spannend zu verbuchen.
Puzzles, so schwierig, wie ihr sie wollt
Und natürlich, ein bisschen gekämpft wird dann doch, wenn Indy verschiedene Körperteile seiner Gegenspieler mit der Peitsche für unterschiedliche Reaktionen bearbeitet, sich buchstäblich durchgeboxt oder für mittlere Distanzen auch mal kurz den Revolver zieht. Die gezeigten Spielszenen waren aber überwiegend ruhig, Erkundung, Puzzeln, Stealth und Action hielten sich stabil die Waage, was mir sehr entgegenkam. Ein Indy, der seine Probleme mehrheitlich kämpfend löst, wäre Verrat an der Marke gewesen. Wie es scheint, ist sich Machine Games dessen bewusst. Bleibt abzuwarten, ob die Puzzles das Interesse ebenso hochhalten können wie der Rest der Spielanteile. Positiv stimmt, dass sich ihre Schwierigkeit im Menü separat justieren lässt. Creative Director Axel Torvenius lobte jedenfalls extra und ohne große Not die “Gehirne” seiner Puzzle-Designer.
Also ja: Indiana Jones ist wieder da. Beziehungsweise immer noch, irgendwie. Sofern ihr nicht mit dem fünften Film euren endgültigen Abschied von einem der größten Filmhelden der Kinogeschichte genommen habt, gebt diesem Spiel vielleicht eine Chance, denn die Zutaten sehen nach einem ausgewogenen und unterhaltsamen Erlebnis aus. Ich bin vor allem gespannt, wie es sich im Direktvergleich mit Fate of Atlantis schlägt, das als Indy-Story mit den besten Filmen mithalten konnte. Noch vor Ende dieses Jahres werde ich es herausfinden.