Indiecade 2010
Von Atari 2600 bis iPad
Ist Tim Schafer wirklich reif für den Ruhestand? Ich will es nicht hoffen. Trotzdem bekommt er jetzt schon einen Preis für sein Lebenswerk -- den IndieCade 2010 Honorary Trailblazer Award for Lifetime Achievement, überreicht von seinem alten und neuen Arbeitskollegen Ron Gilbert.
Als internationales Festival für Indiespiele braucht die Indiecade keine alten Männer für Geniestreiche. Jedes Jahr wird eine erschreckend lange Liste aus Finalisten zusammengestellt, die sich dann in mehr und weniger naheliegenden Kategorien duellieren. Die Awards sind wichtig genug, um Geordi La Forge anzulocken. Schauspieler LeVar Burton hat die Preisverleihung moderiert. Und er wurde Augenzeuge, wie alles Denkbare vom altbekannten Hit bis zum rätselhaften Alternate Reality Game ausgezeichnet wurde. Den elf Gewinnern dieses Jahres Herr zu werden, ist keine leichte Aufgabe. Fangen wir mit einer einfachen Liste an:
Gameplay Innovation Award: Continuity
Amazing Award: Miegakure
Sound Award: LIMBO
World and Story Award: The Games of Nonchalance
Documentary Games Award: The Cat and the Coup
Aesthetics Award: Spirits
Sublime Experience Award: Faraway
Fun and Compelling Award: VVVVVV
Wild Card Award: B.U.T.T.O.N.
Virtuoso Award: A Slow Year
Vanguard Award: A Slow Year
Jury Award: Groping in the Dark
Gemeinsam ist den Spielen nur, dass ihre Entwickler unabhängig sind. Ansonsten ist die Entfernung von B.U.T.T.O.N. zu The Cat and The Coup zu VVVVVV größer als zwischen Erde, Sonne und Pluto. Würde man sie in Genres einteilen, hätte fast jedes Spiel sein eigenes. Drei haben allerdings einen besonderen Vorzug.
Dreimal spielen
Diese Indie-Games sind aus einem simplen Grund besonders interessant: Sie sind fertig. Man kann sie sofort spielen.
Continuity
Plattform: Browser (Flash)
Das erste begehbare Schiebepuzzle seit dem verrückten Labyrinth hat mich bei unserer letzten Begegnung an ein Jump'n'Run auf Bierdeckeln erinnert. Es ist immer noch ein exzellentes Puzzlespiel in Flash, gratis, zum Sofort spielen. Das Spielprinzip ist so einfach, dass auch andere darauf hätten kommen können. Umso größer wird der Ehrgeiz, die immer komplexeren Rätsel zu lösen. Jetzt kann sich Continuity offiziell auf den Bierdeckel schreiben, dass es innovativ ist. Denn dafür wurde es in der Award Show ausgezeichnet.
LIMBO
Plattform: XBLA
Kennt hoffentlich jeder. LIMBO hat von uns im Test 10 von 10 Punkten bekommen, ist ein Bestseller in Microsofts Summer-of-Arcade-Promotion und wird auf der Indiecade in der Kategorie Sound ausgezeichnet. Von mir aus auch da. Das Pfeifen des Windes in LIMBO geht mir immer noch nicht aus dem Kopf.
VVVVVV
Plattform: PC, Mac
VVVVVV ist ein Spiel, das mich schon mit seinem einfallslosen Namen abgeschreckt hat. Auch die Idee klingt, wenn man sie trocken beschreibt, nicht besonders brillant: Ein simples Plattformspiel in C64-Optik, dessen einziges Gimmick das Umschalten der Schwerkraft per Tastendruck ist. Aber VVVVVV braucht nur wenige Minuten, um die simple Formel zu sprengen. Die Chiptune-Musik rechtfertigt im Alleingang den Gewinn in der Kategorie "Fun and Compelling". Die zwei Gesichtsausdrücke der Strichmännchen sind ausgesprochen sympathisch. Vor allem überzeugt VVVVVV mit seiner ausladenden, orientierungslosen Welt, in der das Hin- und Herschalten der Gravitation schnell in bodenlose Stürze mündet. Wieder und wieder fällt der Held durch gewundene Tunnelpassagen, landet auf grobpixeligen Stacheln und steht wieder am letzten Checkpoint. Fast jeder Schritt fordert klare Orientierung und gute Reflexe. Ein perfektes Spiel für alle, die präzisen und fordernden Spielen von früher nachtrauern. Kann man sofort herunterladen und ausprobieren, kostet nur ein paar Euro.