Injustice 2 - Ich mach' mir den Held, wie er mir gefällt.
Beat 'em up mit RPG-Elementen... und es funktioniert!
Ein Basketballfeld, eine Kantine, die Fleischliebhaber und Vertreter der veganen Ernährung gleichermaßen glücklich macht, ein Unterstellplatz für Fahrräder: Die NetherRealm Studios bieten ihren Mitarbeitern das Standard-Programm sozialer Annehmlichkeiten, wie es sich für tech-affine Firmen halt auch so gehört. Was die Heimat der Prügel-Profis ausstattungstechnisch von einem beliebigen Internet-Startup unterschiedet, ist die hauseigene Spielhalle Goro´s Lair. Ein mit Automaten vollgestopfter Raum, der nicht nur die Mortal Kombat-Serie, sondern auch alte Midway-Klassiker wie The Grid oder eine eigene Injustice: Götter unter uns-Daddelkiste beinhaltet. Kein reiner Zeitvertreib für gestresste Programmierer, sondern ein Pflichtprogramm für die Entwickler. Denn, auch wenn der im Mai erscheinende zweite Teil des Prügelspektakels Injustice mit einer ganzen Reihe an Rollenspielelementen aufwartet, die Basis für den Erfolg ist und bleibt das Gefühl, einen echten Arcade-Klopper zu spielen. Das ist die feste Meinung von Ed Boon, dem langjährigen Kreativchef von NetherRealm, mit dem ich mich bei einem Hausbesuch in Chicago unterhalten habe.
"Wir wollen bei jedem neuen Spiel auch etwas wirklich Neues bieten", erklärt mir Boon. "Und für Injustice 2 haben wir eine ganze Reihe Rollenspielelemente eingebaut, die unserer Meinung nach dafür sorgen, dass Fans sehr lange Freude an dem Spiel haben werden und sich einen individuellen Superhelden erstellen können, der nicht nur einzigartig aussieht, sondern sich auch einzigartig spielt". Die Rede ist von dem Gear-System, das für jeden DC-Superhelden eine stattliche Anzahl an Ausrüstungsgegenständen, Fähigkeiten und Farbschemata zur Verfügung stellt. Wie funktioniert das genau? Nach jedem Kampf, bei dem ich zumindest ein wenig Schaden anrichten konnte, und nach jedem Levelaufstieg werde ich mit Loot geradezu überschüttet. Hier ein neuer Utility-Belt für Batman, dort ein neuer Helm für Wonder Woman. Insgesamt fünf Slots für Kopf, Körper, Arme, Beine und einen Ausrüstungsgegenstand, wie beispielsweise eine Waffe, zwei Plätze für zusätzliche Fähigkeiten und Super Moves und einen Platz für einen Shader, ein Schema, mit dem ich die Farben des Kostüms modisch aufeinander abgestimmt ändern kann. Der Bastelbildschirm, in dem ich meinen Helden akribisch individuell aufrüsten kann, könnte auch locker aus einem Rollenspiel stammen.
Die Wahl der Ausrüstung ist aber keine reine Kosmetik, sondern beeinflusst deutlich den Kampfstil. Werte wie Angriff, Verteidigung, Gesundheit und die Durchschlagskraft der brachial in Szene gesetzten Spezialattacken, ändern sich, je nach dem, ob ich mit der lahmen Basisausstattung oder mit einem Sortiment an seltenen oder gar epischen Fundstücken an den Start gehe. Ehrlich: Ob ich als Batman in der Standard-Rüstung oder mit dem seltenen Kryptonite Infused Gear-Set an den Start gegen Superman gehe, macht sich deutlich bemerkbar. Für das Problem des Matchmakings bei Online-Balgereien haben die Macher auch schon eine Lösung parat. Damit es bei einem Kampf eines Superhelden-Frischlings gegen einen Level-20-Helden - das ist im Augenblick der Cap - mit epischer Ausrüstung nicht zur totalen Frustration kommt, werden die Statusverbesserungen bei einem gerankten Kampf schlicht ausgeschaltet.
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, an Verbesserungen zu gelangen, indem ich im Spiel erworbenes Gold gegen Schatzkisten, Mothercrates genannt, eintausche. Die gibt es in fünf Varianten, von Bronze bis Diamant, und beinhalten zufällige Goodies. Und bevor die Frage aufkommt: Nein, Injustice 2 soll definitiv keine Pay-to-win-Komponente beinhalten und die In-Game-Währung nur durch Kämpfe zu bekommen sein. So zumindest haben es mir die Entwickler vor Ort mehrfach bestätigt. Soweit die bislang bekannten Neuerungen zu Mikromanagement und Charakter-Individualisierung, die ich persönlich willkommen heiße und klar zu Gunsten der Langzeitmotivation gehen. Und wie schaut es mit den eigentlichen Kämpfen aus? Kurz gesagt: Spielerisch angenehm eingängig und leicht zu erlernen, optisch opulent und gewohnt "over the top" in Szene gesetzt. Etwas ausführlicher: Ich konnte mich einmal quer durch den imposanten Kader an DC-Superhelden und Superschurken, wie Batman, Superman, Wonder Woman, Black Canary, Swamp Thing (unter den großen Haudrauf-Figuren mein Favorit soweit), Dr. Fate, die Rote Laterne Atrocitus, Gorilla Grodd oder Robin prügeln und hatte wirklich bei jeder noch so ungewöhnlichen Paarung meine helle Freude. Schlagen, Treten, Blocken und immer den Blick auf die Leiste für den Super Move gerichtet, damit ich endlich einen der imposanten Mega-Angriffe vom Stapel lassen kann. Die lassen sich zwar mit ein wenig Übung vergleichsweise leicht unschädlich machen, aber wenn ich den Gegner im richtigen Augenblick erwische, kann ich mich ein paar Sekunden zurücklehnen und dem beachtlichen Schauspiel eines herrlich fantasievollen Angriffs zuschauen.
So schickt Superman seinen Opponenten mit einem Kinnhacken in die Stratosphäre und schlägt ihn ein paar Mal durch die Wolken, Batman setzt auf den Bat-Jet und eine Maschinengewehrsalve oder Harley Quinn lässt zwei Hunde von der Leine, die das Opfer zerfleischen und setzt zum Abschluss ihren überdimensionalen Holzhammer ein. Bei über 30 Charakteren und jeweils unterschiedlichen Spezialattacken, braucht man schon eine Weile, bis man alle brutalen Sequenzen gesehen hat. Wem dann irgendwann mal langweilig werden sollte, darf die Filmchen auch per Knopfdruck abbrechen.
Ein echter Höhepunkt des ersten Teils war für mich die Kampagne, die dunkel und düster wie ein Zack Snyder-Film herüberkam und die martialischen Kloppereien mit einer spannenden Story verbinden. Ich habe das erste Kapitel des Einzelspielermodus gespielt, die fünf Jahre nach den Ereignisse von Injustice die Geschichte fortführt. So wie ich es verstanden habe, soll das Terror-Regime des bösen Superman wieder auferstehen, eine mysteriöse Geheimgesellschaft suchtet nach Welteroberung und als Oberschurke taucht der grünhäutige Android Brainiac auf. Jedes Kapitel stellt einen anderen Helden in den Vordergrund, den Anfang macht dann Batman, der sich gemeinsam mit Robin auf den Weg ins Arkham Asylum begibt, um mit Superman ein ernstes Wort zu reden. Bevor mir das gelingt, muss ich aber in Gotham City erst einmal Cyborg plätten und mir den Weg in die Anstalt frei kämpfen, indem ich Wonder Woman unritterlich zu Brei schlage. Ein bisschen Story, ein Kampf, wieder etwas Hintergrund, so läuft das in der Kampagne. Ich will nicht zu viel verraten, aber die Schreiber der Geschichte verstehen durchaus ihr Handwerk und überraschen mit einigen unerwarteten Wendungen und immer neuen Erklärungen, warum denn ein Hänfling wie Harley Quinn im Kampf gegen Supergirl oder Wonder Woman nicht unverzüglich als Blutfleck an der Wand endet.
Auch im zweiten Teil des Helden-Kloppers lohnt es sich wieder, genau auf die interaktiven Umgebungen zu achten und zerstörbare Gegenstände zu seinem Vorteil zu verwenden. Ein Fass oder auch einen harmlosen Barbesucher als Wurfgeschoss zu benutzen, zerrt schon mal ein gutes Stück an der Lebenslinie des Gegners. Überhaupt sind die Arenen, beispielsweise Metropolis, Arkham Asylum, Gotham City oder Atlantis, schick anzusehen, mit viel Liebe zum Detail ausgestattet und meist mehrstufig. Arena Transitions nennt es sich, wenn ich einen Schurken aus dem Spielfeld heraushaue und in einem anderen Bereich weiterkämpfe. Ich freue mich schon darauf, mit neuen Charakteren, auch aus der zweiten Heldenreihe, wie Blue Beetle, Dr. Fate oder Black Canary in den Ring zu steigen und mich bei der Individualisierung meines Lieblings so richtig auszutoben.