Insomniac tauscht Fuses bisherige visuelle Identität gegen einen Konsens-Look.
Die Angst, zu polarisieren bringt das interessante Spiel mehr in Gefahr als es mit der Comic-Optik jemals war.
Nach dem charmanten Overstrike-Ankündigungstrailer auf der E3 2011 ist die Umgestaltung und -benennung des ersten Insomniac-Multiplattformtitels ein mittelschwerer Schock. Die ausdrucksstark überzeichneten Figuren sind in Fuse langweiligen Baller-Archetypen mit stärkerem Echtwelt-Einschlag gewichen, die sich in erster Linie durch Geschlecht, Hautfarbe und Haarschnitt unterscheiden. Der gesamte Look ist düsterer und mehr auf "gritty" getrimmt als wäre es wieder 2008.
'Leider', muss man da wirklich sagen, denn in dieser Aufmachung wird das Spiel optisch unmöglich aus der Masse an Third-Person-Shootern herausstechen. Es hat keine Identität, keine Anziehungskraft und keinen Pepp. Und dann merkt man während der Präsentation auf dem Londoner EA-Event auch noch, dass das meiste von dem augenzwinkernden Humor, der die erste Vorstellung des Spiels noch durchzog, einer Handvoll Expendables-Onelinern Platz machen musste. Auf den ersten Blick möchte man dieser offensichtlich Fokusgruppentests geschuldeten Generalüberholung am liebsten selbst den Stecker ziehen.
Zum Glück haben wir anschließend noch selbst den Controller in die Hand gedrückt bekommen, denn daraufhin drängte sich ziemlich schnell das große Potenzial Titels am nichtssagenden Art-Design vorbei in den Vordergrund. Ein vollkommen asymmetrisches Koop-Spiel zu viert muss man nämlich auch erst einmal hinbekommen und der Ansatz, den Insomniac hier verfolgt, ist ein wirklich cleverer. Mehr als eine Notiz hat man sich bei gängigen MMOs gemacht, auch, wenn hier nicht einfach typische Rollenbilder eins-zu-eins kopiert wurden. Zwar könnte man Anführer Dalton Brooks ein wenig als den Tank der Gruppe beschreiben, weil er munter voran marschiert.
Im Grunde liegt das aber eher an seiner Waffe. Der Magshield, der wie auch die drei experimentellen Schießprügel seiner Kollegen von einer Geheimorganisation unter Zuhilfenahme der außerirdischen Substanz aus dem Titel entwickelt wurde, lässt ihn tapfer in die Schusslinie der Feinde stapfen. Auf Knopfdruck breitet sich vor ihm nämlich ein von der anderen Seite undurchdringliches, magnetisches Segel aus. Während auf Daltons Seite des Magshield alle sicher sind, können seine Kollegen von hier sogar durch das transparente Kraftfeld nach außen feuern. Auch absorbiert der Schild feindliche Projektile und schleudert sie auf Knopfdruck zurück, damit Dalton auch seinen Beitrag zum Kill-Zähler leisten kann.
Sein Kollege Kimble, ein Ex-Polizist - der im nächsten fehlgeleiteten Versuch "edgy" rüberzukommen, als Kindermörder grillender Selbstjustiziar vorgestellt wird -, verfügt über eine Armbrust, die Gegner festnagelt und sogar teilweise gleich einschmilzt. Naya Deveraux ist die Tochter eines zentralen Gegenspielers und verschießt mit der Warprifle Singularitäten. Die verwandeln eure Gegner nach einigen guten Treffern in kleine Schwarze Löcher. In der Anspielsitzung war es beinahe am motivierendsten, mit ihr zu spielen, weil sich ein kleines Rudel Feinde schnell in eine alles verschlingende, wild wabernde Antimaterie-Wolke auflöste und so Kombos mit hohen Punktzahlen möglich waren. Zu guter Letzt war da noch Izzy, die mit der Shattergun jeden kristallisiert, der sich mit unguten Absichten am falschen Ende ihres Laufes wiederfindet. Angenehmer Nebeneffekt: Die gewaltigen Kristalle, die daraufhin aus dem Leib des Getroffenen sprießen, stemmen ihn in die Höhe, aus seiner Deckung heraus, und spießen dabei gleich seine umstehenden Kumpanen auf.
Diese Talente soll ein Quartett Spieler nicht nur aneinander vorbei einsetzen, sondern bündeln. Kollegiales Spielen soll dadurch belohnt werden, dass etwa Treffer durch den Magshield hindurch auch Dalton Erfahrungspunkte bescheren. Gleiches gilt für alle anderen Team-Aktionen. Wenn Izzy eine Reihe schießwütiger Raven-Angestellte aus ihren Verschlägen zwingt und andere daraufhin mit ihren jederzeit ebenfalls verfügbaren konventionellen Waffen den Job vollenden, freut sich auch das Exp-Konto der Rothaarigen. Was immer dort eingeht, wandert nach und nach in einen überschaubaren Fähigkeiten-Baum, der eure Effizienz mit normalen Waffen und im Umgang mit dem außerirdischen Element steigert oder körperlichen Attributen einen Boost verpasst. Da die freigeschalteten Skills an euer Spielerprofil gebunden sind, ist es zudem problemlos möglich, seine Schlachtfeld-Identität in die Partien wechselnder Wildfremder mitzunehmen.
Insgesamt ist es die Sorte Schlachtfeld-Dynamik, die man von einem Verfechter kreativer Waffensysteme in Spielen, wie Insomniac nun mal einer ist, durchaus erwarten durfte. Absprachen untereinander sind nicht nur erwünscht, sondern werden aktiv forciert. Und sie funktionieren sogar recht schnell, ohne dass man ein Wort sagen müsste. Man einigt sich auf eine Vorgehensweise fast wie von selbst, weil sie sich aus der jeweiligen Spielsituation heraus ergibt.
Aktuell Gedanken mache ich mir noch über die Steuerung, denn bevor die Figuren sich in die gewünschte Richtung in Bewegung setzen, müssen sie stets erst der Dreh-Animation ihrer Beine hinterherlaufen. In der gespielten Fassung sorgte das noch für Verzögerungen. So lobenswert es auch ist, dass die Entwickler ihre Figuren nicht wie viele andere einfach "schlittern" lassen, so sehr vermisste ich doch ein unmittelbareres Reagieren auf meine Eingaben. Das Deckungssystem war ebenfalls etwas gewöhnungsbedürftig, weil kein fließender Wechsel zwischen seitlichem Herauslehnen und dem Oben-Drüberschauen möglich war. Wenn sich daran noch was ändert, wäre das allerdings wenig verwunderlich, denn der Titel hat fast noch ein halbes Jahr Zeit, bis er sich zu den anderen ins Regal stellt.
So ernüchternd das mut- und zahnlose Re-Design auch ausgefallen ist, so vielversprechend ist am Ende doch das Wechselspiel der vier grundverschiedenen Rollen. Dies ist definitiv die Richtung, in die Koop-Spiele in den kommenden Jahren gehen sollten. Ruhig sogar noch etwas weiter. Wir werden sehen, ob Fuse im weiteren Verlauf der Handlung tonal wieder etwas zielsicherer auftritt und so auch auf Leute anziehend wirkt, die erwachsenes Design nicht allein mit Lederklamotten und desaturierten Farben gleichsetzen. Zu wünschen wäre es Insomniac.