Interview: Clive Barker über Jericho
'Bestien, dir mir die Schöpfer nicht zeigen können, interessieren mich nicht'
Die Liste der Autoren, die mich inspiriert haben, ist praktisch endlos, aber ich kann ein paar wenige Namen nennen: Herman Melville, Edgar Allen Poe, Ray Bradbury, William Blake. Meine Arbeit steht auch stark unter dem Einfluss von Malern wie Francisco Goya, Ernst Fuchs, James Ensor (der belgische Surrealist). Ich habe diese Künstler immer im Kopf und sie inspirieren mich immer dazu, noch besser zu werden.
Ich mochte die Idee zu Jericho vom ersten Moment an, weil sie zwei meiner Leidenschaften (Geschichte und Horror) verbindet: Unsere Protagonisten reisen im Spiel durch Abschnitte anderer Zeiten und nähern sich so stetig dem Großen Widersacher, der im Zentrum dieses Zeitlabyrinthes sitzt.
Es gibt tatsächlich eine Verbindung im Spiel zu den architektonisch gewaltigen Räumen, die in den Werken von H.P. Lovecraft heraufbeschworen werden. Aber dort hört die Ähnlichkeit meiner Meinung nach auf. Lovecrafts Methode war es, immer wieder auf die Präsenz überwältigender, unbenennbarer und unbeschreiblicher Kräfte hinzuweisen. Ich finde, dass das nach einer gewissen Weile etwas fad wird.
Irgendwann fängt es an, mich zu ärgern, wenn ich zum wiederholten Mal lesen muss, dass das Monster so schrecklich ist, dass der Autor keine Worte findet, es zu beschreiben. Vom Beginn meiner Karriere als Schöpfer phantastischer Werke an bereitete es mir immer eine große Freude, dem Leser, oder im Fall von „Hellraiser- Das Tor zur Hölle“, dem Zuschauer, präzise ausgemalte und elegant gefilmte Bösewichte zu präsentieren. An einer Bestie, die mir der Schöpfer angeblich nicht zeigen kann, bin ich nicht interessiert.
Ich habe keine Lieblingsfiguren in Büchern oder Spielen. Nein, Moment, das stimmt gar nicht. Ich liebe die Bösewichte. Ich habe sie immer schon geliebt und werde sie immer lieben.
Wenn die Spieler Jericho mögen, werden wir unser übersinnliches Kommando sicherlich auch in andere Abenteuer schicken (natürlich nur sofern irgendeiner von ihnen überlebt). Die Lust des Menschen auf Mystery und Terror ist nie abgeflaut, selbst jetzt nicht, wo die Welt mit sehr realem Terror konfrontiert ist. Vielleicht ist das die Verbindung. Vielleicht suchen wir nach Spielen und Geschichten, die es uns erlauben, ein gewisses Maß an Kontrolle über den Horror der erfundenen Welten zu haben: Eine Kontrolle, die wir in der realen Welt leider nicht haben.
Ich finde nicht, dass man lange nach dem Guten in meinem Werk suchen muss. In meinen Büchern „Imagica” und “Gyre” kommen äußerst mächtige Helden und Heldinnen vor, so wie auch in den Geschichten, die ich für alle Alterskategorien schreibe: In „Der Dieb der Zeit“ zum Beispiel kommt ein sehr starker Held namens Harvey vor, der einem viel mächtigeren Feind gegenüber steht, so wie David in der Bibel dem starken Goliath gegenüber steht. In den „Abarat“ Büchern, von denen zwei der fünf Bände bereits veröffentlicht wurden, gibt es eine ganze Gruppe von Guten im Umkreis unserer Heldin, dem Menschenmädchen Candy Quackenbush. Natürlich sind die Bösen den Guten zahlenmäßig überlegen, aber sonst würde es ja auch keinen Spaß machen, oder?
Dazu passend findet Ihr ab sofort vier Trailer der schaurigen Art auf youtube/strangeexperiments.