Invincible Season 2 schwächelt, zeigt Marvel aber, wie man Multiversum richtig macht
Risiken und Chancen nach dem Mid-Season-Finale.
SPOILER: Wer die erste Staffel Invincible auf Amazon Prime noch nicht gesehen hat, holt das bitte umgehend nach, bevor er sich im ersten Absatz dieses Artikels den stärksten Serienmoment seit der dritten Staffel Game of Thrones versauen lässt: Schaut die erste Folge und zwar unbedingt einschließlich der Credits! Ansonsten: SPOILER für die komplette erste Hälfte von Invincibles Staffel 2.
Und da ist es mit Invincible Season 2 vorerst auch schon wieder vorbei: Das Mid-Season-Finale einer der interessantesten Superhelden-Serien überhaupt – ja, mir gefällt es besser als The Boys – begann an einem Punkt, dem ich einigem Zähneknirschen entgegensah: Marks Wiedervereinigung mit seinem Vater, dem Alien-Super-Fascho Nolan aka Omni-Man.
Nachdem das Ende der ersten Staffel die Charaktere in perfekter Verzweiflung in der Luft hängen gelassen hatte, war die Auflösung dieser schließenden Ungewissheit gefährlich. Omni-Man hatte keine Wiedergutmachung verdient, ihn als etwas anderes als die neue, alte Bedrohung zurückzubringen, war daher riskant. Und doch haben sie es irgendwie hinbekommen, Mark auf eine Art zu einem unfreiwilligen Team-up mit seinem Dad zu nötigen, die sich glaubwürdig und dynamisch anfühlte.
Das Ende von Staffel eins hätte genauso gut, vielleicht besser, der komplette Schluss der Serie sein können. Aber so, wie sie es fortgesetzt haben, fällt es mir gerade schwer, Kritik daran zu üben. Das war schon ziemlich gut gemacht. Klar, man könnte anmerken, dass das “Aufweichen” Omni-Mans fast ein wenig zu schnell ging. Dann wiederum war es klar, dass dies seine emotionale Entwicklung sein musste, nach dem, wie die erste Staffel endete.
Gleichzeitig war in den ersten drei Folgen viel Stückwerk dabei, bei dem man nicht sicher war, wohin das alles führen soll. Robots Probleme und die den neuen Guardians of the Globe interessieren mich bislang noch eher weniger, Folge drei widmete einen ordentlichen Teil seiner Laufzeit Allen, dem Alien, der sonst bislang durch Abwesenheit glänzte. Donalds Sub-Plot war noch einer der spannenderen, aber ihm schadete, dass parallel Omni-Man und Invincible ein entschieden drängenderes Problem hatten.
Insbesondere die Tatsache, dass Kirkman und Co. jetzt auch noch das Multiversum-Fass aufmachen, nachdem Marvel damit so dermaßen auf die Nase gefallen ist, ernüchterte mich gleich in der Pilotfolge des zweiten Durchgangs. Dann wiederum macht Invincible bislang nicht den Eindruck, dass man sich damit allzu sehr aus dem Fenster lehnen will. Stand jetzt haben die Macher der Serie das Multiversum allein dazu eingesetzt, uns Varianten von Mark zu zeigen, die sich ihrem Vater angeschlossen haben, was eine nette Verkehrung der Realität war, der wir beiwohnen durften und “unseren” Mark zu etwas Besonderem macht. Und wir durften der coolen Entstehung einer ekligen Nemesis für den Titelhelden beiwohnen. Ich hoffe, sie belassen es dabei und lassen die Türen zwischen den Universen ansonsten zu.
So ganz die große Liebe wie in Staffel eins ist es zwischen mir und Invincible unterm Strich nicht mehr. Dann wiederum sehe ich, dass es alles andere als einfach war, den ersten Satz an Episoden sinnvoll zu erweitern. Und vieles, was die Showrunner anpacken, gelingt ihnen erstaunlich gut. Ich mag das Zwischenmenschliche, vor allem, wie Mark und Debbie die Zeit nach Omni-Mans öffentlichem Fall erleben und verarbeiten. Das war schon exzellent geschrieben und Steven Yeun und Sandra Oh machen ihre Sache großartig.
Gleichzeitig ist klar, dass die einst überraschenden Gewaltexzesse heute nicht mehr ausreichen und der immer noch recht mutlose visuelle Stil mehr zum Problem wird, wenn die Erzählung nicht durchgängig das Interesse hält. Noch ist alles möglich und vielleicht habe ich nur nicht gemerkt, wie die Verantwortlichen das Fundament für etwas Großes gelegt haben. Wenn ich so zu Marvel hinüberschiele, hätte es auch deutlich schlimmer laufen können. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weitergeht.