Ion Maiden: 3D Realms' Rückkehr zu den Wurzeln - mit einer Engine aus den 90ern
Im Gespräch mit 3D-Realms-Gründer Scott Miller.
Spielt ihr gerne Old-School-Shooter, bekommt ihr in regelmäßigen Abständen Spiele geboten, die dieses Bedürfnis befriedigen. Dazu zählen hervorragende Genre-Vertreter wie die beiden jüngsten Wolfenstein-Spiele, das letzte Doom oder Shadow Warrior. Andere Spiele versuchen sich daran, scheitern aber an ihren Ambitionen. Strafe wäre ein Beispiel dafür.
Dass id Software sein Handwerk beherrscht, ist bekannt und sie stellten es mit Doom eindrucksvoll unter Beweis. Aber was ist eigentlich den anderen Urvätern des Genres aus dem Hause 3D Realms? Duke Nukem 3D ist vielen (älteren) Spielern ein Begriff und über viele Jahre hinweg machte sich das Studio einen Namen in der Branche. Es folgten turbulente Jahre, eine ewig in die Länge gezogene Entwicklung von Duke Nukem Forever und andere Probleme.
Wenn ein Studio was von Old-Shootern versteht, dann ist es 3D Realms, oder nicht? Dachte sich das Unternehmen ebenso und werkelt derzeit am Shooter Ion Maiden, der als Early-Access-Titel erhältlich ist. Das Besondere daran: Ion Maiden basiert auf der Build-Engine. Dabei handelt es sich um das Grafikgrundgerüst, das damals unter anderem Duke Nukem 3D verwendete.
Die Idee für Ion Maiden basiert ursprünglich darauf, ein Begleitspiel zu dem vor zwei Jahren veröffentlichten Bombshell zu entwickeln, das die Hintergrundgeschichte von Protagonistin Shelly "Bombshell" Harrison erklärt. "Je weiter das Projekt vorankam, desto mehr betrachteten wir es als etwas Eigenständiges, das mehr Entwicklungszeit und Arbeit verdiente", sagt 3D-Realms-Mitgründer Scott Miller im Gespräch mit Eurogamer.de. "Die Quintessenz ist, dass die Build-Engine noch immer die Grundlage eines unterhaltsamen Spiels sein kann."
Ion Maiden zeigt Shellys erste große Mission, bevor sie einen ihrer Arme durch eine Explosion verlor. Wie Miller anmerkt, setzt das Team alle zukünftigen Spiele mit ihr in 3D um. Bombshell zeigte das Geschehen aus einer isometrischen Perspektive. "Das war ursprünglich auch unsere Absicht, als der Charakter in den späten 90ern entstand. Sie war Duke Nukems Sidekick im allerersten Trailer zu Duke Nukem Forever", erzählt er. Ihr seht sie im folgenden Video bei 47 Sekunden und bei 3:00.
Der Name ist zum Einen eine Anspielung auf die Band Iron Maiden, zum Anderen heißt so die Standardwaffe in Bombshell. Die Ion Maiden ist eine Technologie, die Miller mit dem Arc Reactor in Iron Man vergleicht. Was dahinter steckt, zeigt das vollständige Spiel. In der Preview-Kampagne, die aktuell in der Early-Access-Version verfügbar ist, spielt das noch keine Rolle.
Den Vorteil gegenüber anderen Old-School-Shootern - in puncto Grafik - sieht Miller darin, dass die Engine nicht versucht, alte Spiele zu imitieren. "Der entscheidende Unterschied ist, dass Ion Maiden eine Engine verwendet, die aus den 90ern stammt. Es war eine tolle Möglichkeit für uns, das Look and Feel dieser Ära zu replizieren. Bevor es regenerierende Gesundheit gab, lineare Maps und so weiter. Es fühlt sich so real an, weil es das bis zum Kern ist", sagt Miller.
Gegen Moderne Shooter hat er im Grunde nichts, bezeichnet sie als Meisterleistungen im Hinblick auf Design und Aufwand. Das bringt gleichzeitig enorme Kosten mit sich, weswegen viele Entwickler mit ihren Design-Zielen den sicheren Pfad wählen. Ein einzelner Level für Call of Duty oder das neueste Doom kostet ihm zufolge zehnmal mehr als Ion Maiden in seiner Gesamtheit.
"Da unsere Kosten im Vergleich dazu niedrig sind, drehen wir beim Level-Design komplett durch. Realismus ist uns weniger wichtig, solange es Spaß macht - es braucht keine perfekte Logik dahinter. Wir erstellen nicht-lineare Level, die voller Geheimnisse und Anspielungen stecken. Der Spaß steht bei uns an erster Stelle, so wie in den 90ern", merkt er an.
Die klassische Build-Engine bekam für Ion Maiden ein paar Upgrades spendiert, ganz ohne geht es nicht. Unter anderem schraubten die Entwickler an der Beleuchtung, die Texturen haben eine viermal höhere Auflösung und Glas ist tatsächlich durchsichtig. Die Level sind viermal größer und erwecken den Anschein, miteinander verbunden zu sein, denn ihr verlasst die Spielwelt nicht zwischen den Abschnitten. Ein bisschen Modernisierung sei ihnen zugestanden, aber seht oder erlebt ihr Ion Maiden erst mal in Bewegung, sieht es wahrhaft so aus, als wäre es ein unveröffentlichtes Spiel aus den 90ern. Und das ist in dem Fall nichts Schlechtes.
"In der Praxis treibt es moderne PCs ganz ordentlich an. Aber wenn das unsere Absicht wäre, ließe sich Ion Maiden wahrscheinlich so compilieren, dass es auf einem älteren PC lauffähig wäre", sagt er.
Überraschend für einen Old-School-Shooter ist die Tatsache, dass es Checkpoints gibt. Laut Miller ist eine Frage der Annehmlichkeit. Eine Quicksave-Option ist ebenso vorhanden und die Entwickler denken darüber nach, Spieler die Speicherpunkte deaktivieren zu lassen, sofern sie dies möchten.
Eine der größten Herausforderungen von 3D Realms bestand nach Angaben von Miller darin, ein Team aus fähigen Entwicklern zusammenzustellen, die sich mit dem Code der Build-Engine und den Entwicklertools auskennen. Im Endeffekt entstand mit VoidPoint ein neues Team mit entsprechenden Leuten, die durch Entwickler aus den Reihen von 3D Realms Unterstützung fanden.
"Als weitere Herausforderung erwies sich die nicht-lineare Gestaltung der Level mit verschiedenen Pfaden zur Lösung. Die Spieler erhalten mehr Freiheiten bei der Erkundung und die Möglichkeit, die Level mit ihrem eigenen Spielstil abzuschließen. Verglichen mit modernen Shootern steckt eine andere Design-Denkweise dahinter. Es ist nicht länger selbstverständlich, einen offeneren Ansatz zu verfolgen", erläutert Miller.
Für die Entwickler ist die Early-Access-Phase eine große Hilfe. Wie Miller angibt, erhält das Team haufenweise tolles Feedback, sowohl auf Steam als auch auf Messen wie der PAX in Boston. Die Macher schauen sich jede Meinung an und wenn es Sinn macht, setzen sie es um.
Dabei zeigen sich immer mal Probleme, wenn sie damit beschäftigt sind, neue Dinge zu integrieren. "Bei den ersten Tests der Bowling Bombs nahmen diese häufig Shelly als Ziel. Du musstest auf einen Schreibtisch oder oder einen Vorsprung hüpfen, um dich nicht selbst in die Luft zu jagen", erzählt er. "Solche witzigen Dinge passieren regelmäßig während der Entwicklung. Es ist unmöglich, jedes Resultat und jede Konsequenz zu berücksichtigen, wenn du zum ersten Mal neue Codezeilen testest."
3D Realms plant darüber hinaus die Veröffentlichung von Mod-Tools für das Spiel. Wie diese konkret aussehen, ist noch nicht zu 100 Prozent klar. "Unser Ziel ist, ein Map-Tool zu veröffentlichen und es den Spielern zu erlauben, das Spiel umfassend zu modifizieren", sagt er. Ein Multiplayer-Modus ist ebenso vorgesehen, dazu möchte er sich aber noch nicht im Detail äußern.
Aktuell bleibt Ion Maiden den Spielern auf PC, Mac und Linux vorbehalten. Millers Angaben zufolge ist eine spätere Veröffentlichung auf den Konsolen vorgesehen. "Dieser Prozess hat aber noch nicht begonnen", ergänzt er. Möchtet ihr nicht warten und schon jetzt das Old-School-Feeling mit Maus und Tastatur genießen, lohnt in jedem Fall ein Blick auf die PC-Fassung.