Ist Anthems Performance wirklich besser geworden?
Und kommt das Spiel an die Optik des Ankündungs-Trailers 2017 heran?
Ja, Anthems Day-one-Patch hat sich tatsächlich einiger der Performance-Probleme und -Seltsamkeiten der Konsolenversionen angenommen. Doch trotz zweifellos vorhandener Verbesserungen und Optimierungen haben wir immer noch das Gefühl, dass Bioware an seinem neuen Epos noch etwas arbeiten muss. Spielt ihr auf dem PC, macht euch auf ein Erlebnis gefasst, das eure Hardware auf eine harte Probe stellt, dafür aber eindrucksvolle Verbesserungen gegenüber der Konsolenerfahrung ermöglicht. Doch liefert Anthem auf einem der Systeme etwas ab, das dem E3-Ankündigungsvideo gerecht wird? Die Antwort lautet nein. Dennoch ist es ein optisch faszinierendes Spiel.
Nach unserem ersten Testflug mit der Demo widmeten wir uns zunächst der Xbox-Version, die User der Microsoft-Konsole dank EA Access früher erleben konnten als Spieler mit PlayStation 4. Wir nahmen uns diese Fassung vor die Brust, sobald sie erhältlich war, entschieden uns aber dagegen, unsere Schlussfolgerung zu veröffentlichen - das Spielerlebnis war nicht nur ausnehmend verbuggt, in vielerlei Hinsicht war die Performance sogar schlechter als in der VIP-Demo. Das Erlebnis war wirklich nicht unbedingt besser als vorher, Tearing kam hinzu (was in der VIP-Demo noch nicht der Fall war) und zu allem Überfluss war die Bildrate auf der normalen Xbox One unlocked. Allgemein einfach kein schönes Erlebnis.
Letzten Donnerstag erschien der Day-One-Patch, der deutliche Verbesserungen mit sich brachte. Gelegentlich Tearing bleibt (beschränkt sich allerdings auf den oberen Bildrand - eine Latenz-sparende Maßnahme, die dem Spiel ein wenig mehr Rendering-Budget einräumt), aber die 30-FPS-Beschränkung der Demo ist zum Glück wieder intakt. Die Xbox One X bewegt sich jetzt näher an ihrer Zielbildrate, was wir mit großer Erleichterung zur Kenntnis nehmen, aber die allgemeine Verbesserung gegenüber der normalen Xbox One beziehungsweise der S-Variante ist minimal. Zu viel vom Spiel bewegt sich in mittleren oder niedrigen 20er-Bereichen, während nur die Innenbereiche in dem Höhlensystem sich den 30 FPS annähern.
In Sachen Auflösung bleiben beide Xbox-Versionen bei den vollen 4K beziehungsweise 900p der Demo, während es auf der Xbox One X verbesserte Schatten, weiter entfernte LODs und das sogenannte 'Enhanced Terrain Rendering' gibt. Im Direktvergleich mit der PC-Version jedoch liefert die Xbox One X im Grunde ein Erlebnis auf den mittleren Einstellungen, wenngleich eine Ambient-Occlusion-Qualität verwendet wurde, die im Grunde gleichwertig mit der HBAO-Einstellung des PCs und dessen hohe Schatteneinstellung ist.
Interessanterweise hatten wir mit der Version für Xbox One S und einer Session ein Problem: das Spiel lief mit 10-15 Bildern pro Sekunde mit aktiviertem V-Sync. Es war ein schwerwiegender Bug, der sich durch einen Neustart der Konsole beheben ließ. Die Render-Auflösung lag definitiv bei 720p. Was das Problem verursachte, ist bisher unbekannt und uns ereilte der Bug auch kein zweites Mal. Vielleicht hat die durchgängig schlechte Performance dafür gesorgt, dass ein dynamischer Skalierungseffekt einsetzte. In all unseren normalen Gameplay-Sessions hielt sich das Spiel allerdings an die angepeilten 900p. Die bedauernswerte Realität ist allerdings, dass Anthem schon wieder ein großes Multi-Plattform-Spiel ist, dass verglichen mit den anderen Konsolenversionen des Spiels Probleme hat, eine gute Performance zu liefern.
Auch die PlayStation-Versionen haben sich leicht verändert, seit wir Anthems Demo spielten. Aber die Anpassung hier könnten für einige Kontroversen sorgen. Die Demo lief mit komplett freigeschalteter Bildrate auf PS4 und PS4 Pro, was zu einigen interessanten Resultaten führte, insbesondere auf der jüngeren der beiden Konsolen. Vor allem kam hier ein nicht besonders willkommenes Stottern hinzu, wo das Spiel andernfalls eine ziemlich gute Chance hatte, recht stabile 30 FPS zu halten. Unser Vorschlag seinerzeit war, eine Bildraten-Beschränkung auf 30 FPS in den Optionen anzubieten. Hier gab es bereits die Möglichkeit, Effekte wie Motion Blur, chromatische Aberration und das Kamerawackeln zu deaktivieren. Mittlerweile hat Bioware das Spiel tatsächlich auf 30 FPS festgezurrt, mit ziemlich befriedigenden Ergebnissen auf der Basis-PS4 und im 4K-Modus der Pro.
Belassen wir es dabei, dass die Pro sich ganz ähnlich verhält wie die Xbox One X (wenngleich in reduzierter 1800p-Auflösung), sie läuft aber etwas stabiler und ohne Tearing. Die normale PS4-Version beeindruckt uns in der Demo-Phase damit, dass sie allgemein ziemlich ordentlich lief. Da hat sich wenig geändert, tatsächlich läuft sie sogar etwas stabiler als die Pro-Version, auch wenn es nicht ganz einfach ist, die beiden im allgemeinen Spielfluss auseinanderzuhalten. Das Hereinpoppen von Umgebungsdetails scheint auf der Standard-Konsole ein wenig auffälliger zu sein. Aktuell arbeiten wir noch an unserer Video-Coverage der PS4-Version von Anthem. Deshalb hier zunächst ein paar Performance-Schnappschüsse einer Session auf PS4 Pro und der normalen PS4:
Wie schon die Demo bietet auch die PS4 Pro einen sekundären Performance-Modus - einen, den man nur anwählen kann, wenn man die "Bildschirm und Sound"-Einstellung im Systemmenü der PS4 Pro auf 1080p stehen hat. Die native Auflösung reduziert sich entsprechend, was es während der Demo-Periode erlaubte, das Spiel zwischen 35 und 60 FPS laufen zu lassen. Doch auch das 30-FPS-Cap darf man in der finalen Version wählen, und das Resultat ist mit Leichtigkeit das stabilste Anthem-Erlebnis von allen Konsolen. Zu keinem Zeitpunkt scheint die Bildrate ins Wanken zu geraten, nicht einmal während der schlimmsten Effekt-Orgien. Wenn die Performance doch mal einbricht, nehmen wir an, dass es an Speicher- oder CPU-Flaschenhälsen liegt, während wir uns durch die Oberwelt bewegen. Hier kann es in allen PS4-Version zu kurzen Stotterern kommen.
Vor die Wahl zwischen variabler Bildrate oder einer Beschränkung auf 30 FPS gestellt, würden wir uns auf der PS4 Pro immer für Letzteres entscheiden. Schade, dass Bioware dem User nicht wirklich eine konkrete Option bietet, während es auf der Xbox One X überhaupt keinen Performance- (oder besser Stabilitäts-) Modus gibt. Am Ende läuft es darauf hinaus, auf der Xbox One X in tatsächlich nativem 4K zu spielen, wenngleich sich die optischen Vorteile im Vergleich zum 1800p-Output der Pro in engen Grenzen halten. Die PS4 Pro dagegen liefert das stabilste Erlebnis. Meines Session mit der Sony-Konsole im 1080p-Modus war das einzige Mal, dass sich die Bildrate nicht störend auf das Gameplay auswirkte.
Was ist also mit der PC Version? In Wahrheit läuft sie nicht viel anders als die Demo, die Hardware-Anforderungen, will man 60 FPS erreichen, sind - milde ausgedrückt - happig. Die Mainstream-Karten GTX 1060 und RX 580 geraten ordentlich ins Wanken, selbst wenn man die Grafik auf den Level der Xbox-One-X-Version herunterschraubt, sagt die Bildrate auf der Nvidia-GPU schon mal in 40er-Bereiche ab. Auch Stottern gibt es, aber wenn ihr V-Sync aktiviert habt, empfehlen wir euch es abzustellen und die Bilddarstellung auf randloses Vollbild umzuschalten. Dadurch wird Triple-Buffering aktiviert, was das Spiel weniger holprig laufen lässt.
AMD hat hier einen deutlichen Vorteil, und wenn ihr relativ stabile 1080p60 auf Ultra-Einstellungen erreichen wollt, seid ihr mit Vega 56 gut bedient - doch selbst diese teure Karte erreicht das Performance-Ziel in heftigen Kampfsequenzen nicht immer. Wer über 4K60 nachdenkt, kann sich diesen Gedanken gleich wieder aus dem Kopf schlagen. Nvidia's RTX 2080 Ti ist die stärkste Gamer-GPU auf dem Markt, und selbst auf Xbox-One-X-Einstellungen drückt die eindrucksvolle Pyrotechnik des Spiels die Performance schon mal unter die 60 Bilder pro Sekunde. Und wir nutzen bereits die Asus-ROG-Strix-Version dieses Nvidia-Monsters, mit 2 GHz GPU Core-Takt.
Die beste Balancen zwischen Performance und Bildqualität schlägt man mit den Einstellungen, in denen auch die Xbox One X läuft. Es handelt sich um eine mittlere Einstellung mit ein paar Verbesserungen. Das geht in erster Linie auf Kosten der Laubdichte in der Oberwelt. Andere Dinge, auf die man dann verzichten muss, gleichen die um 30 Prozent schnellere Performance wieder aus. In der Entwicklung schien Bioware die Konsolen als eine Art Baseline zu betrachten, denn sobald man irgendeine Einstellung unterhalb von Medium drückt, ist es mit der Schönheit dieses Spiels nicht mehr allzu weit her. Viel weiter runter als auf unsere optimalen Einstellungen würden wir also nicht gehen. Die Skalierbarkeit dieses Spiels ist also gewissermaßen begrenzt. Angesichts des fluktuierenden Performance-Levels wirken Displays mit adaptiver Bildrate wahre Wunder.
Mit diesem Wissen ist Anthems E3-2017-Ankündigungsvideo kein allzu erfreulicher Anblick. Das verblüffende Debüt von Fort Tarsis sieht im Vergleich wie der Next-Gen-Nachfolger des Spiels aus, das wir in Wirklichkeit erhielten. Die Politur und Dichte, die damals auf der Oberwelt zu sehen war, ist auf einem komplett anderen Level, mit bahnbrechendem Post-Processing. Die fertige Version von Anthem ist, was sie ist: ein spät in der Konsolengeneration erscheinender Titel mit wunderschönem Artwork. Aber die aufregende Evolution der Frostbite-Technologie, die der erste Vorgeschmack vor zwei Jahren versprach (und der laut Publisher-Angaben angeblich in Echtzeit lief), ist alles andere als repräsentativ für das fertige Produkt und vor allem nicht für den Xbox-One-X-Build, um den es sich laut EA damals gehandelt haben soll. Die beste Grafik gibt es natürlich auf den Ultra-Einstellungen der PC-Version, und die kommt nicht ansatzweise an den ersten Trailer ran. Die Ironie daran ist natürlich, dass das, was Bioware lieferte, immer noch großartig aussieht. Warum enthüllte EA also Anthem nicht mit einer Präsentation, die näher an dem ist, was die Entwickler tatsächlich zu liefern im Stande waren?