Jagged Alliance Online - Vorschau
Nichts ist unmöglich. Nicht einmal ein stabil laufendes Jagged Alliance
Update: Wenn ihr das Spiel selbst ausprobieren möchtet, dann gibt es hier bei uns Beta-Keys zu Jagged Alliance Online.
Veränderungen? Wir fürchten Veränderungen!
Zumindest wenn es um bekannte Musik, Filme oder eben Spiele geht. Ich weiß, gerade wir Spiele-Redakteure heulen den halben Tag wie die Wölfe, dass es Innovationen, Neuerungen und noch mehr geben muss, und zwar sofort. Aber insgeheim hat auch jeder von uns so seine Lieblinge, bei denen er ganz heimlich flüstert "...aber bitte nicht bei diesem hier". Wenn ich das neue Syndicate oder XCOM sehe, muss ich mich bewusst daran erinnern, dass das möglicherweise auch gute Spiele werden können, selbst wenn sie einen Schritt in die andere Richtung machen. So auch bei Jagged Alliance: Back in Action. Echtzeit in Jagged Alliance! Wie konnten sie nur. Innovation in einer meiner Lieblingsreihen...
Nun, ich werde mich bei gegebener Zeit daran erinnern, dass Veränderung auch eine Kraft für Gutes sein kann und bis dahin hänge ich erst mal zur Akklimatisierung in der Online-Version der angestrebten Renaissance des Jagged-Alliance-Zeitalters herum. Derzeit noch in der Beta, soll Jagged Alliance Online im Februar für alle Welt starten. Und es läuft im Browser. Warum auch nicht? Jede Browser-Engine hat heutzutage zehnmal mehr Power als alles, was Ende der 90er ganze PCs zu bieten hatten und der Runden-Aspekt hilft dabei sicher. Er ist schließlich auch der Anker, den man als Veteran braucht, um sich erst einmal mit Online anzufreunden.
Dass es keine Story gibt, sondern lediglich aneinandergereihte Missionen, ist nicht weiter verwerflich. Je erfolgreicher ihr seid und je besser die Reputation eures Teams, desto mehr könnt ihr auf der Weltkarte veranstalten. Ist halt so, schlechte Söldner kriegen keine Aufträge. Innerhalb der Mission angekommen, fallen ein paar Dinge auf, die man so nicht kannte und ein klein wenig den "Früher war alles besser"-Komplex aktivieren. Schaffen wir diese Dinge also erst einmal aus dem Weg. Die eigenen Leute können nicht sterben, sondern sind nur bewusstlos. Selbst nach einer komplett verhunzten Mission lassen sie sich in bester D&D-Manier jederzeit von den Toten zurückholen. Für mich fehlt hier ein wenig das Drama und die Hingabe zu den einzelnen Figuren, die man in früheren Jagged-Alliance-Spielen hatte. Klar, es ist ein sinnvoller Ausgleich für die Möglichkeit, einfach schnell einen Spielstand zu laden, aber es ist schlicht nicht das gleiche Feeling der steten Gefahr, einen seiner Untergebenen zu verlieren.
Das Nächste, was schon während der ersten Zusammenstöße mit Kontrahenten auffällt, ist das fehlende Looting. Wie schön war es doch, immer wieder nach einem Feuergefecht herumzustöbern, ob der Feind nicht doch die besseren Waffen hatte oder irgendwo Heilung zu finden war. Auch die Heilung selbst läuft praktisch ausschließlich über ein Lazarett zwischen den Missionen ab. Damit fällt die Rolle des Arztes ein wenig zurück.
Man kann an diesen Einschränkungen erkennen, dass es eine Verschiebung in der Bedeutung des Meta-Spiels zwischen den Missionen gegeben hat. Stand dieses bei früheren Jagged-Alliance-Titeln eher im Hintergrund, rückt es durch die Notwendigkeit, alle Versorgungs- und Ausrüstungsfragen zwischen den Einsätzen lösen zu müssen, nach vorn. Das heißt nicht, dass die Runden-Taktik über diese Dinge hinaus großartig abgespeckt wurde. Ihr zieht euren Trupp mit Bewegungspunkten, nutzt partielle Deckungen unterschiedlicher Höhe, um euch heranzuschleichen oder halbwegs sicher einen Feuerkampf zu überstehen und müsst nach wie vor alle Sichtlinien und Geländefeinheiten bedenken.
Nach wie vor kostet jede Aktion Punkte, sei es ein gezielter Schuss, das Nachladen oder auch nur ein einzelner Schritt. Diese lassen sich weiterhhin Aufsparen, indem ihr in der Runde nicht alle verbraucht, sondern lieber dem Feind auflauert, um dann seinen Zug zu unterbrechen. Es entstehen auf diese Weise immer noch extrem spannende Katz-und-Maus-Spiele aus Verschanzen, Vorstürmen und Flankieren, wenn euer zunächst sehr einsamer Mann (oder Frau) und später ein ein halbes Dutzend Söldner umfassendes Team Gangs in den USA oder Kontras in diversen Dschungeln aufmischt. Jagged Alliance Online bietet genau wie sein Vorgänger die gleiche Balance aus Zugänglichkeit durch gute Handhabung und Komplexität durch viele Variablen, die ein gutes Taktik-Spiel auszeichnet.
Zumindest meistens, aber das, was jetzt kommt, schieb ich mehr auf die Beta als alles andere, zumal in den letzten Ankündigungen des Entwicklers auch genau diese Punkte als "gerade im Bau" angesprochen wurden. Während die eigentliche Spielengine mit ihrer Umgebung in den Missionen, den Zügen und Bewegungen keinerlei Aussetzer zeigte, machen KI und Wahrscheinlichkeitsrechnung noch ein paar Problemchen.
Erstere schwankt derzeit noch drastisch zwischen "kann nichts" und "kann ein klein wenig mehr, als in diesem Moment möglich sein sollte". Eben noch ging der Feind nicht mal in Deckung, plötzlich weiß er scheinbar, wo ihr seid, bevor ihr selbst wusstet, dass ihr dorthin wolltet. Dazu kommt teilweise eine Zielgenauigkeit, von der die eigenen Glücksritter nur träumen können. Während ihr auch bei Trefferwahrscheinlichkeiten von 70 Prozent noch Kugeln reihenweise in den Sand setzt, scheint bei der KI erst gar nichts und plötzlich alles zu klappen, nur um dann wieder in Lethargie zu verfallen. Wiederum, es gibt jetzt schon mehr gute als schlechte Momente bei der KI und wenn die Letzteren noch ausgebügelt werden, steht Jagged Alliance Online seinen Vorgängern kaum nach.
Wie schon gesagt, stellt die Mission selbst "nur" noch den ausführenden Teil da, alle Logistik wurde durch das fehlende Looting komplett ausgelagert. Ihr habt ein nach Browserspielmanier ausbaubares Camp mit Lazarett, Lager und Werkstatt. Eingekauft wird hier entweder mit der Ingame-Währung oder mit Gold, welches die Bezahl-Variante für reales Geld darstellt. Die anheuerbaren Söldner schauen zuerst auf euren Ruf und Rang, um zu entscheiden, ob sie mitmachen wollen. Sind diese Bedingungen erfüllt, müsst ihr je nach Barschaftslage entschließen, ob ihr einen Kämpfer dauerhaft anwerben möchtet, was Gold kostet. Mit der Ingame-Währung heuert ihr die Leute lediglich für drei Tage Echtzeit an. So lässt sich planen, wann ihr wen braucht, da die Missionen mitunter andere Talente erfordern oder nur eine eingeschränkte Zahl zulassen. Die gesammelte Erfahrung behalten sie natürlich, wenn ihr die größtenteils bekannten Gesichter von Buns, MD, Ira oder Wolf erneut an Bord holt.
Es ist wie immer ein Balance-Akt, der aus Sicht des Einzelspielers gegen die KI keine Probleme bereitet. Entweder ihr habt es eilig, dann kauft ihr euch die Vorteile fester Söldner und besserer Ausrüstung. Oder ihr wartet geduldig, bis ihr euch sie so leisten könnt. Es gibt nichts, was ihr für den Kampf gegen den Computer braucht und euch nicht irgendwann auch gratis zuteil wird. Wie es jedoch mit der Balance im Kampf in PvP-Runden aussieht, wird sich zeigen, denn derzeit scheint es möglich, dass ihr euch Waffen-Sets holt, die besonders in den unteren Leveln durchaus bessere Treffsicherheit bieten. Aber da noch nichts final ist, heißt es erst mal abwarten.
Neben Gold und Cash ist Öl der dritte Faktor. Es limitiert die Missionen, die ihr annehmen könnt. Jeder Kampf erfordert eine bestimmte Menge und habt ihr die nicht mehr, müsst ihr entweder einfach warten - nicht allzu lange, wie es aussieht - oder welches kaufen. Für Gold natürlich. Wer drängelt, muss zahlen.
Ein paar Worte zu Technik und Umsetzung noch. Jagged Alliance Online ist definitiv kein Client-, sondern ein reines Browserspiel. In diesem Falle ist das grafisch kein Beinbruch, da die Umgebungen schön gezeichnet wurden, der Stil passt und die Animationen und Explosionen das leisten, was sie sollen. Rundentaktik erfordert halt keine technischen Wunder, die das Spiel folgerichtig auch nicht liefert. Nur einen Wunsch hätte ich dann doch: So nett es ist, dass die Söldner ihre klassischen Stimmen und Sprüche haben, so nervig können die immer gleichen Sätze nach wenigen Missionen werden. Etwas mehr Abwechslung bitte!
Beim PvP werden bisher drei Varianten angeboten. Das Deathmatch zweier Teams gegeneinander dürfte recht klar sein. Bei der Kopfgeldjagd gibt es eine Zielperson wie zum Beispiel einen lokalen Warlord und seine KI-Schergen. Wer von den beiden Spielerteams es schafft, ihn zu erwischen, bekommt die Belohnung, das andere Team geht leer aus. Die dritte Variante ist Search & Destroy. Jedes Team hat eine bestimmte Zahl an Zielen, die sie verteidigen muss, während sie versucht, die gegnerischen Ziele zu zerstören. Viel taktischer Freiraum wird besonders hier geboten, denn ihr müsst entscheiden, ob Angriff oder Verteidigung, Zerstörung der Ziele oder das Ausschalten des anderen Teams die beste Wahl ist. Einen Koop-Modus konnte ich leider noch nicht ausmachen. Schön wäre es jedoch, wenn man zu zweit mit dem eigenen Team gegen einen sonst übermächtigen KI-Gegner antreten könnte. Mal sehen, ob da noch was kommt.
Bis es soweit ist, hat mich Jagged Alliance Online in vielerlei Hinsicht überrascht und das zum allergrößten Teil sehr positiv. Dass man nicht mehr in den Missionen looten kann, gehört zu den weniger schönen Dingen und die eben nicht finalen Tode der Söldner senken den Drama-Faktor in harten Gefechten schon ein wenig. Wenn jedoch noch die wankelmütige KI gerade gezogen wird, dann kommt hier das vielleicht erste Jagged Alliance seit Ewigkeiten, das nicht vornehmlich durch massive Bugs auffällt, sondern absolut stabil läuft und das überall, wo ihr einen Browser habt.
Die taktische Tiefe hat sich vielleicht etwas mehr in Richtung der Vorbereitung der Missionen verschoben, als es bisher der Fall war, aber gelitten hat das Spiel, so jedenfalls der Eindruck nach kurzer Eingewöhnungsphase, nicht darunter. Plant ihr richtig im Voraus und nutzt ihr dann in den Missionen die Möglichkeiten jedes einzelnen Kämpfers und die des richtigen Zusammenspiels des Teams geschickt aus, werdet ihr ebenso spannende Rundengefechte erleben wie das letzte Mal, als ihr eine stabil laufende Version von Jagged Alliance vor euch hattet. Und das dürfte ein Weilchen her sein. Es gibt wahrlich nicht so viele im Browser laufende Spiele, die man wirklich ernst nehmen kann. Jagged Alliance Online jedoch zeigt, dass es eben doch möglich ist, eines zu schaffen, das keine spielerischen Vergleiche scheuen muss.
Jagged Alliance Online soll zwischen Ende Februar und Anfang März starten. Eine Open Beta wird ab Ende Januar offen sein.