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James Bond: Ein Quantum Trost

Ein Quäntchen Spiel

Im Ego-Shooter zum frischen Bond-Streifen gibt es ein Achievement mit dem Namen „Der Mann mit dem Goldenen Colt“. Das kredenzt dem Spieler 25 Punkte auf seinen Gamerscore für den fünfzigsten Abschuss mit nur einer einzigen Kugel. Dieses Achievement erreichte ich zu Beginn des dritten Levels des Spiels – ohne dass ich großartig gezielt hätte. Was uns das sagt? Ein Quantum Trost ist verdammt leicht!

Auf dem Papier spricht zunächst einiges für Treyarchs neuen Shooter: Hier wurde der exzellenten Call of Duty 4-Engine ein Deckungssystem auf den Leib geschneidert, das auch von Epic hätte kommen können. Nur dass der Spieler nicht zwischen den stählernen Schulterpolstern von Marcus Fenix steckt, sondern im feinsten englischen Nadelstreifen des 'besten Agenten Ihrer Majestität' – zum nunmehr zweiten Mal verkörpert von Daniel Craig.

Durch einen Druck auf die A-Taste zieht Bond an der zahlreich vorhandenen Deckung den Schädel ein, huscht von Kiste zu Kiste oder sprintet von einer Mauer zur nächsten. Mit dem linken Trigger streckt der Agent seinen exzellent nachgebildeten Rottweilerschädel samt Waffenarm aus seinem Schutz hervor, um sich seiner Feinde zu erledigen. Das System funktioniert tadellos und intuitiv – eben genau so, wie man es sich vorstellt. Es funktioniert nur leider etwas zu gut. Nach kurzer Zeit wird einem nämlich bewusst, dass Deckung selbst für die aussichtsloseste Situation noch das Allheilmittel ist. Und das auf jedem der vier Schwierigkeitsgrade.

Die Feinde sehen sich jedesmal außer Stande, selbst durch zu niedrige Deckung exponierte Körperteile zu treffen, während Bond schon aus seinem Versteck heraus seinen rot aufblinkenden Sucher auf die Angreifer richten darf, um dann einen nach dem anderen oft noch in seinem Versteck zu erledigen.

Ganz so gut sieht der neue Bond nicht aus. Dafür stimmen aber Framerate, Effekte und einzelne Szenarien.

Immer und immer wieder merken kauernde Gegner nicht, dass gleich bleierner Besuch an ihr Oberstübchen klopfen wird, während sie an meist schreiend offensichtlich unzureichender Deckung lehnen. Dank des idiotensicher zielgenauen Blindfires, reicht es auf mittlere Distanz sogar oft, seine Bleispritze grob in Richtung eines Opfers zu halten und abzudrücken.

Wenn alle Stricke reißen und ein Feind doch einmal nicht direkt zu treffen ist, steht grundsätzlich gleich zwei Meter weiter eine einladend flackernde Sauerstoffflasche, eine funkelnde explosive Kiste oder sonst eine laut "HIER!" schreiende zündelnde Überraschung, neben der kein gesunder Mensch auch nur sein Pausenbrot einnehmen würde. Das sind Dinge, die aus einem potentiell spannenden Shooter mit tollem Handling etwas ganz anderes machen. Um es kurz zu machen: Ich hatte beim Spielen regelmäßig das Gefühl, von einer Jahrmarkt-Schießbude in die nächste zu stolpern.

Hardcore-Spieler greifen schon bald auf den höchsten Schwierigkeitsgrad über. Dann steckt Bond natürlich noch weniger Treffer weg und muss länger auf Feuerpausen der Feinde warten. Allerdings werden die Kämpfe dann auch statischer. Man stirbt zwar bedeutend häufiger, anstatt dem Spieler aber damit zu vermitteln: „Ha, du bist wohl noch nicht gut genug, Du Waschlappen! Du musst üben!“ scheint das Spiel zu sagen „Tja, hättest du deine hässliche Visage mal länger hinter dem Kistenstapel versteckt!“. Wer länger unten bleibt, provoziert immerhin vereinzelte Granatenwürfe, trotzdem stirbt man immer nur so oft, bis man weiß, wann und wo die Feinde auftauchen. Und das spricht nicht gerade für die Herausforderung, die einem die Gegner bieten.

Hin und wieder ist Agentenkram wie lautloses Vorgehen oder das Hacken einer Anlage gefragt. Kommt man nah genug an einen Feind heran, initiiert man durch das Klicken des rechten Sticks ein simples Quicktime-Event, mit dem man den Gegner laut- aber nicht schmerzlos von seinen Wachpflichten erlöst. Auf ähnliche Weise macht Ihr Euch auch an den Sicherheitskameras oder bestimmten Computerterminals zu schaffen, die Ihr ab und an finden müsst. Nicht eben schwierig, wenn alle Wege nur dorthin führen. Das Hacken an sich klappt eigentlich immer ohne große Anstrengungen, sodass der spielerische Wert dieser Einlagen „Press this Button to open that door“ nur selten überschreitet.

Anders als es hier den Anschein hat, bewegt Ihr Euch meist, durch sehr eng abgesteckte Bereiche.

Online sieht es dagegen schon etwas besser aus. Der „Goldener Colt“-Modus aus Goldeneye ist wieder da, in welchem die Spieler in einem Deathmatch um diese tödlichste aller Bond-Waffen kämpfen. Die „Bond-Flucht“ ist ebenfalls eine interessante Variante: Hier muss Bond in eine sichere Zone evakuiert werden. Da in dieser Hinsicht andere, bessere Shooter aber genauso viel oder mehr bieten, ist es sehr fraglich, ob sich Online langfristig angemessen viele Gegner finden werden.

Was den Agenten-Shooter vor dem kompletten Absturz rettet, sind die – trotz grafischer Schwankungen von „pfui“ bis „hui“ – durchaus interessanten Set-Pieces. Die Dächer von Siena. Die bleihaltige Neuinterpretation der Parkour-Verfolgungsjagd aus Casino Royale in Madagaskar. Oder die Bregenzer Seebühne, von der uns noch im Sommer Kerner, Klopp und Weltschiedsrichter Urs Meyer die EM analysierten. Allesamt angemessen internationale Schauplätze, die der Vorlage durchaus gerecht werden. Und da die einzelnen Level nie zu lange dauern, reicht das Interesse des Spielers an Bond und der besten Bondspiel-Engine seit zehn Jahren solange, bis nach fünfeinhalb Stunden schon der Abspann über den Bildschirm flackert.

Keine katastrophale Filmumsetzung also, aber auch ein höchst mittelmäßiges und viel zu kurzes Spiel in einem Genre, das schon zum Budget-Preis so viele bessere Konkurrenten zu bieten hat. Daniel Craig-Fans und Gamerscore-Angeber holen es sich über ein Herbstwochenende aus der Videothek.

Passend zur Note startet 'Ein Quantum Trost' am 6. November in den deutschen Kinos.

6 / 10

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