James Cameron's Avatar: Das Spiel
Teurer Film, billiges Spiel?
Mit kräftigen Flügelschlägen gleitet der Drache im Sturzflug über einen Wasserfall, hindurch zwischen Bäumen und Felsen. Ein wunderschöner Moment. Eure Spielfigur sitzt auf dem Rücken des Ungetüms, schießt Explosionspfeile und bestimmt die Flugrichtung. In beschränktem Rahmen allerdings, denn die Strecke ist linear vom Spiel festgelegt. Fast könnte an meinen, SEGA hätte ihre Marke Panzer Dragoon reanimiert, zurückgeholt aus dem Sumpf nostalgischer Erinnerungen an die gute, alte 32-Bit-Zeit.
Doch die Szene stammt aus keinem neuen Panzer Dragoon. Es handelt sich um einen Abschnitt der Wii-Fassung von Avatar. Der Spieler heißt dort auch nicht Keil, sondern Ryuk und ist Krieger einer menschenähnlichen Rasse namens Na’vi. Die Flugechse nennt sich Banshee (deutsch: Todesfee) und lässt sich entweder mit dem Wii Balance Board oder per Kippen des Nunchuks steuern. Ballern dürft ihr mit der Wiimote, den Aufsatz MotionPlus unterstützt Avatar ebenfalls. Das volle Programm also. Doch wofür?
Avatar ist das Spiel zu James Camerons („Aliens“) jüngstem Kinostreifen, der eine Woche vor Weihnachten anläuft. Eine in 3D gefilmte Hollywood-Hochglanz-Produktion, die den Zuschauer auf den Planeten Pandora entführt. Während die Xbox-360-Version auf der gamescom bereits im Pressebereich ausprobiert werden durfte, hat Ubisoft von der Wii-Fassung erst jetzt ein spielbares Probeexemplar verschickt. Und tatsächlich handelt es sich hierbei um ein völlig anderes Spiel mit anderen Levels und anderem Hauptcharakter. Mit Kampfstab und Langbogen macht ihr aus der Verfolgerperspektive als ungefähr drei Meter großer, blauhäutiger Außerirdischer Soldaten den Garaus, die sich in eurer Welt herumtreiben.
Über den umgestürzten Baum habt ihr euch dem Soldat von oben genähert. Diese Typen sehen in ihren Uniformen alle gleich aus. Nicht gerade abwechslungsreich. Egal, Zeit für den Schleichangriff. Denn unauffälliges Vorgehen ist in diesem Spiel das A und O. Mit eurem Stab voran stürzt ihr euch auf euer Ziel und versetzt ihm mit einer Wiimote-Hoch-Runter-Bewegung den Todesstoß. Sehr gut, keiner hat etwas bemerkt. „Ein Feind!“, ruft plötzlich eine Stimme. Zu früh gefreut. Mit wilden Seitwärts-Schütteleinlagen der Wiimote gebt ihr zwei weiteren Soldaten euren Stab zu schmecken ...
Das Problem an der Sache ist die Kamera. Die zeigt im Grunde nie das an, was man bei seinen Aktionen sehen will und lässt sich nur kompliziert zur Kooperation bewegen. Das führt in der Regel zu eher unkontrollierten Gefechten. Unschön. Dass jederzeit ein zweiter Spieler in die laufende Partie einsteigen kann, mildert das Chaos nicht. Zumindest kann man in der Hektik nicht aus Versehen von einem Vorsprung fallen: Das Spiel erlaubt solche Aktionen nur per Sprung an vorherbestimmten Stellen. Besser als die direkte Konfrontation ist, das Gelände in Sam-Fisher-Manier zu infiltrieren und leise eine Wache und eine Selbstschussanlage nach der anderen auszuschalten. Und mit dem Bogen ein rotes Fass in die Luft zu jagen, hat auch noch in keinem Actionspiel geschadet.
Avatar sieht lecker aus, das Gameplay selbst liefert abgesehen vom Kooperativ-Modus aber offensichtlich nur Lizenz-Standardkost, ein Mix aus Splinter Cell mit Fluganleihen aus Panzer Dragoon. Die Varianten für die technisch stärkeren Systeme scheinen etwas mehr zu bieten. Der große Wurf im hart umkämpften Actionspiel-Dschungel gelingt aber wohl allen nicht. Doch ich lasse mich im Dezember gerne eines Besseren belehren.
Avatar erscheint voraussichtlich am 3. Dezember für Wii, PC, Xbox 360 und PlayStation 3.