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Point & Click: Die Adventure-Kolumne

What's up, Vivendi?

What's up, Vivendi?

Es gab eine Zeit, in der Sierra der unbestrittene Taktgeber der Adventurewelt war. Unter Firmengründer Ken Williams sind Adventures fast im Monatstakt erschienen und legendäre Serien wie Leisure Suit Larry, Space Quest und Quest for Glory entstanden. Der erste von inzwischen acht Teilen King's Quest gilt als wegweisend für das spätere Design von 3rd-Person-Adventures. Wer Adventures spielen wollte, kam an Sierra nicht vorbei.

Wie alles, von der Wurst einmal abgesehen, hatte schließlich auch diese Erfolgsgeschichte ein Ende: 1996 verkaufte Ken Williams seine Firma. Heute existiert Sierra nur noch als Label des Großkonzerns Vivendi, der an den alten Lizenzen und deren Genre offenbar nur sehr begrenztes Interesse hat. Hier und da erscheint mal eine peinliche Minispiel-Melange im Larry-Gewand oder es wird ein Handyspiel aus dem King's-Quest-Universum angekündigt, an echte Nachfolger der Klassiker ist aber nicht zu denken – erst recht nicht an solche ohne barbusige Umwelt-Aktivistinnen. Ein 2002 noch vor der Ankündigung auf Eis gelegtes Space-Quest-Sequel war da noch das höchste der Gefühle.

Umso überraschter war die Fachwelt, als im vergangenen Jahr plötzlich vier Spielesammlungen bei Amazon.com auftauchten, die angeblich die Sierraserien King's Quest, Space Quest, Police Quest und Larry enthielten. Derartige Boxen waren zwar schon vor einigen Jahren erschienen, diese sind aber inzwischen so rar, dass sie nur noch zu Mondpreisen bei eBay zu haben sind. Eine offizielle Bestätigung von Vivendi blieb allerdings aus und ständige verschiebungen ließen Zweifel aufkommen, ob diese Produkte überhaupt existierten. War vielleicht alles nur ein Datenbankfehler bei Amazon?

Nein, war es nicht, denn mit mehr als einem Jahr Verspätung haben die lang erwarteten Compilations jetzt endlich den US-Markt erreicht. Statt Freude über die Neuauflagen sind die Fanforen allerdings voller Enttäuschung. Gut, Handbücher als PDF-Scans gehören inzwischen schon fast zum Standard und auch dass die angepriesene "XP-Kompatibilität" nicht durch eine Veränderung der Software, sondern durch das Beipacken des freien DOS-Emulators DOSBox hergestellt wird, überrascht wenig. Dass so gut wie keine Extras auf den CDs sind trifft den Fan schon härter und dass die Verpackungen nicht mehr als ein oder zwei CDs in Papierhüllen und ein Support-Zettelchen enthalten, grenzt schon an eine Unverschämtheit.

Warum jedoch ganze Spiele fehlen, bleibt ein Mysterium. Bei der Larry-Compilation sucht man das geniale Yacht nach Liebe, den siebten Teil der Serie, vergeblich und in der King's Quest-Sammlung bleibt der nicht unumstrittene, aber zur Serie gehörende achte Teil außen vor. Hatte man bei den moderneren Spielen vielleicht Probleme, eine funktionierende DOSBox-Konfiguration zu erzeugen? Bei Larry 6 war nur noch Platz für die Disketten-Version ohne Sprachausgabe und bei den frühen Spielen, die Sierra bereits mit einem Remake bedacht hatte, fehlen die jeweiligen Ur-Versionen.

Jämmerlicher hätten diese Spielesammlungen wahrlich nicht ausfallen können. Als Sammlerstücke sind sie völlig ungeeignet, selbst nüchtern betrachtet eignen sie sich wegen der Unvollständigkeit kaum fürs Spielearchiv. Kaufen werde ich sie mir trotzdem alle vier, allein um den Entscheidern bei Vivendi zu signalisieren, welche Art von Spielen ich mir für die Zukunft wünsche.

Jan Schneider ist Webmaster von Adventure-Treff.de, der großen deutschen Website für Adventure-Spiele. Jeden Mittwoch macht er sich auf Eurogamer.de Gedanken über das Genre.

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