Japansoft: An Oral History: Test - Lost in Translation. Mal wieder.
Unverfälschte Augenzeugenberichte, abzüglich der Emotionen.
Es ist schon ein Weilchen her, dass ich hier Britsoft: An Oral History vom kleinen Read Only Memory Verlag - die uns die legendäre SEGA Mega Drive / Genesis: Collected Works schenkten - besprach, und nun liegt ein neuer Band vor, der diesmal die Urschleim-Tage der japanischen Games-Industrie auf recht eigene Weise beleuchtet. Wie schon zuvor besteht "Japansoft: An Oral History" praktisch nur aus Interview-Zitaten und Erzählungen all derjenigen, die man finden und für das Projekt gewinnen konnte. Hier und da sind ein paar erklärende Zeilen über einzelne Spiele, Fakten oder Ereignisse eingestreut, aber der allergrößte Teil sind das, was der Titel verspricht: Die mündliche Überlieferung von Geschichten aus einer anderen Zeit.
Die Aufbereitung ist dabei nicht einfach für den Leser, so wie ich annehme, dass sie für den Editor nicht nur ein Vergnügen war. Es gibt zwölf Kapitel, jedes zu einem der großen frühen japanischen Studios. Ihr habt hier Nihon Falcom, Enix und Square - noch getrennt natürlich -, ASCII, Westone, Capcom, Hudson oder SEGA, um ein paar zu nennen. Eine gute Mischung aus allgemein bekannten Namen und recht obskuren Dingen für Materie-Kenner. Oder sagt euch dB-Soft noch etwas? Wenn ja, ist das beeindruckend. Oder ihr ein echt großer Flappy-Fan.
Zu jedem der Kapitel habt ihr eine Handvoll am damaligen Geschehen Beteiligter in wirklich weiter Fächerung an Expertise: den Schöpfer von Wonder Boy, einen Metal Gear 2 Programmierer, diverse Artists für Werbung, Cover und Anleitungen, der Director von Chrono Trigger, Programmierer aller möglichen Werke, manche gut wie Ys, manche eher fragwürdig wie Hydlide, den Super Soccer Schöpfer, den Gründer von Falcom, Leute mit eher losen Job-Titeln wie "Falcom JRPG Pionier". Es ist ein unglaublich weites Spektrum und eingangs zu einem Kapitel werden sechs oder sieben kurz namentlich erwähnt, plus eine solche lose Jobbezeichnung.
Dann geht es los. In vage chorologischer Reihenfolge habt ihr über zehn, zwanzig Seiten kurze Texte und Passagen, manchmal anderthalb Seiten, manchmal nur einen wenige Zeilen langen Abschnitt. Es gibt dabei keine Erzählstruktur im eigentlichen Sinne, keinen "Story-Arc" jenseits von "wir haben das gemacht" und es liest sich oft kaum komplexer als das. Um euch einen Eindruck zu geben, wie verwirrend das sein kann: Im dem Kapitel über Westone wird auf einer Seite 20 Zeilen lang berichtet, welche Eigenheiten es bei der Lizenzierung der Spiele gab. Neuer Absatz, es geht um ein paar Leute, die von dB-Soft zu einem anderen Studio wechselten, und welche drei Spiele man dann für die PC-Engine machte. Dritter Absatz, immer noch dieselbe Seite, ihr erfahrt etwas über ein in der PC-Engine-Version von Prince of Persia genutztes Kompressionsverfahren. Erster Absatz auf der nächsten Seite: Crest of Wolf ist kein Remake von Riot City, sondern von Hand abgekupfert, während man das eigens gekaufte PCB als Vorlage nahm. Nächster Absatz: ein wenig Management-Kultur und -Philosophie. Immer von einem anderen Erzähler. Es ist ein kontinuierliches mentales Schleudertrauma.
Ich wusste zuerst nicht, was ich damit anfangen sollte und bin mir immer noch nicht ganz sicher. Es ist das letzte Buch, das ich wählen würde, um einen Uneingeweihten die Wunderwelt früher japanischer Videospielkultur näherzubringen, das steht schon mal fest. Aber was fängt der relative Kenner wie ich damit an, dem zumindest die Namen fast aller Spiele und Firmen etwas sagen, wenn auch nicht unbedingt die Namen der Personen? Es ist ohne Frage immer wieder ein kleines Stückchen Gold zwischen all dem zu finden, es war eine wilde Zeit, in der jeder machte, was er wollte, Lizenzierungen möglich waren, die heute eine Firma aus der Branche schießen würden, oder "Inspirationen", die zig Kanzleien von Anwälten beschäftigt halten würden. Vieles jedoch sind auch ganz banale Dinge, wie irgendwelche Abwerbungen außerhalb jeden Kontextes oder einer dazugehörigen Geschichte, warum sich der Erzähler nun ausgerechnet daran noch so viele Jahre später erinnert.
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Meine Vermutung wäre auch, dass vieles hier "Lost in Translation" bleibt. Eines meiner ersten Interviews war mit Yoshinori Ono zu Street Fighter 4. Bei fast jeder Frage erzählte er minutenlang, lachte, freute sich und schien lebendig zu berichten. Die Übersetzung war knochentrocken und gestelzt. Sicher waren alle Informationen noch intakt, aber die Emotionalität ging verloren. Japansoft könnte darunter noch weit mehr leiden, denn ehrlich gesagt liest sich fast jeder Absatz wie das Ergebnis dieses Interviews damals, was den Lesespaß dramatisch mindert. Bei Britsoft oder a Gremlin in the Works wusstet ihr schon allein auf Basis der Sprache des Einzelnen, wer gerade etwas erzählt, wie er es meint, welche Wortspiele und Innuendos er einfließen lässt. Wenn es hier welche gab, dann blieben sie im Limbo zwischen zwei sehr unterschiedlichen Sprachen zurück. Das oder die waren beim Erzählen alle knochentrocken und leblos.
Es hätte auch nicht geschadet, mehr Bilder einfließen zu lassen. Ihr habt ein paar zu sehr verfremdete Fotos der Erzählenden verteilt, im Anhang noch ein paar Werbeflyer und die nicht mal bebilderten Kurzbiographien aller Beteiligten. Das ist schon nicht gerade üppig. Selbst Schwarz-Weiß-Screenshots, Fotos von Studios oder Gebäuden wären eine Bereicherung gewesen, irgendwas, um sich in der Flut wild gestreuter Informationen daran festzuhalten. Dafür hätte ich dann gern auch auf die nett stilisierten Bilder der Konsolen und Computer auf den letzten Seiten verzichtet. Und über das Cover reden wir am besten gar nicht. Was auch immer zur Hölle sich da einer dachte.
Japansoft: An Oral History ist ein zutiefst seltsames Buch. Es sollte Emotionalität in seinen "Augenzeugenberichten" mitbringen, lebendig von einer verlorenen Ära berichten, denn eines ist es ganz sicher nicht: ein wohlstrukturiertes Nachschlagewerk. Aber was ist es dann? Ich mag es, irgendwie zumindest, ich glaube diese Einblicke haben mein Leben minimal bereichert, da ich relativ große Teile dieser Ära zumindest als Import-Game-Fan mitgenommen habe und vieles für mich einsortieren kann. Ich glaube, Japansoft scheitert am Ende an der Sprachbarriere. All diese Leute gingen mit viel Leidenschaft damals zu Werke und ich bin mir sicher, dass diese auch Teil ihrer Erzählungen ist. Aber ohne das bleiben nur ein paar nicht uninteressante Erinnerungsfetzen, die nur einen Hauch davon wiedergeben, was sie eigentlich ausdrücken wollten.
Am Ende bleibt ein Buch, das fachlich, fast wissenschaftlich als Ergänzung zu anderen Materialien Anekdoten gibt und mehr Kontext schaffen kann. Es ist gut, dass diese Dinge einmal zu Protokoll gegeben wurden, denn gemäß der Natur wird diese Generation über die nächsten Jahrzehnte verschwinden. Aber es ist keine Literatur, mit der man sich jetzt zum Spaß hinsetzt.
Autor/Publisher: Alex Wiltshire (Editor)/Read Only Memory- Preis: zirka 35 Euro (30,00 GBP) - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Englisch (keine deutsche Ausgabe geplant)