Joe Danger 2: The Movie - Test
Die Indie-Ikone landet ihren letzten Stunt.
Joe Danger dürfte das erste erfolgreiche Franchise seit langem sein, dass wohl niemals zur Trilogie anwächst. Hello Games sagt seinem markanten Stuntman bereits mit Teil zwei endgültig ade, als fürchte das Team die kreative Bequemlichkeit, die gemütlich sechsstellige Verkaufszahlen schon mal mit sich bringen. Wenn man darüber nachdenkt - ohne freilich den Mut dieses sympathischen Mini-Studios aus dem englischen Guildford niederzureden, die Marke zu beenden, die sie erst bekannt gemacht hat -, ist die Weiterführung dieses Konzeptes aber ohnehin keine allzu dankbare Aufgabe.
Es ist ein Spiel über einen Stuntman, der mit allerlei Gefährten Abhänge, Rampen und Schanzen unterschiedlicher Neigung hinuntersaust. Wie viele braucht man schon von der Sorte? Nun, das erste, die routinierte Special Edition für Xbox Live und auf jeden Fall dieses eine noch. Denn Joe Danger 2: The Movie, das zu seiner Ankündigung noch ohne die Zwei im Titel auskam, ist in vielerlei Hinsicht die definitive Version des Konzeptes. Der glorreiche, farbenfrohe und alles andere als wehmütige letzte Ritt eines urigen Originals, von dem man meinen könnte, es begleite einen schon seit 16-Bit-Tagen.
Auch wenn der Untertitel etwas anderes verspricht, geht es natürlich immer noch um wenig mehr als die gepflegte, freundliche Halsbrecherei in sympathisch-videospieligen 2D-Hindernisparkours. Der versprochene "Film" dient einzig und allein als Ausrede, die Abwechslung zu steigern. Joe wird als Stuntman durch den vermutlich handlungsbefreitesten Actionstreifen gleich nach den Transformers-Filmen gescheucht. Anders als im Vorgänger wechselt dabei munter euer fahrbarer Untersatz. Folglich gebt ihr auf der Fährte von Indiana Jones als Lorenpiloten, flieht auf einem Quad vor Dinosauriern oder verhindert mit dem Schneemobil als Agentendarsteller arktische Raketenstarts. Polizeiverfolgungsjagden auf entsprechenden Motorrädern gibt es auch und natürlich sind zweirädrige Fahrzeuge in bester Serientradition allgemein der Normalfall.
Doch auch verrücktere Untersätze sind mit dabei, ein Jetpack etwa oder ein Einrad - die Königsdisziplin, weil man Joe auf dem wackeligen Zirkusvehikel ganz nebenbei auch aufrecht halten muss. Beachtenswert ist, wie sich Fahrgefühl und Handhabung durch den Fahrzeugwechsel zwar immer leicht ändern, nicht aber die Steuerung. Deren bekanntes Gas-Sprung-Turbo-Layout samt Neigung per Stick ist griffig wie eh und je, der Übergang von einem Gefährt zum nächsten passiert instinktiv. Es sind Feinheiten, die die diversen Gefährte trennen, Dinge wie Neigungsgeschwindigkeit, Beschleunigung und Gewicht. Aber sie genügen, um das Spiel mit jeder neuen Strecke interessant zu halten. Überhaupt ist es das Spielgefühl, das einmal mehr signalisiert, mit was für einem Kaliber von Entwickler wir es hier zu tun haben. Es ist extrem befriedigend, wie hier fehlerfreie Abfahrten, gewaltige Sprünge und perfekt getimte Turbos und ineinander übergehen, während die fröhliche Gestaltung und das Item-Geklimper jeder Synapse signalisieren: Das hier ist es, worum es in einem guten Videospiel geht.
Wie in jedem Geschicklichkeitstest, der etwas auf sich hält, geht das so in Mark und Bein über, dass Ratio schon bald keine Rolle mehr spielt. Die Reflexe übernehmen, man fühlt den Rhythmus eines Levels und ertappt sich regelmäßig dabei, dass man keine Ahnung hat, wie man diese haarsträubend schwere, versteckte Abkürzung eben genommen hat, für die man nicht weniger tun musste, als einen haushohen Looping zu überspringen. Das passiert instinktiv, aus dem Bauch heraus und manchmal wundert man sich über sich selbst.
Irgendwann packt einen halt der Ehrgeiz, was dazu führt, dass man sich in einige Abschnitte verbeißt, bis die Zähne knirschen. Das liegt neben dem exzellenten Spielgefühl vor allem an den Sternen, die den Verlauf der beiden Kampagnen ("The Movie" und "Deleted Scenes") lose strukturieren und dem Spieler ganz nebenbei erlauben, den Schwierigkeitsgrad selbst zu skalieren. Einen Stern gibt es immer für das Erledigen der Primäraufgabe einer Stage. Und allgemein wird diese erst ab der Mitte der härteren Deleted-Scenes-Kampagne zum wirklichen Problem. Wollt ihr die Bananen-Herausforderung eines Levels knacken, alle Pick-Ups finden oder gar jeden einzelnen Stern eines Levels in nur einem Lauf und damit die begehrte Pro Medaille ergattern? Nun, dann habt ihr hier eher früher als später einen Titel vor euch, der beinahe ähnlich zur Weißglut treibt, wie das Trials Evolution in seinen unmenschlichsten Momenten gelingt.
Ich hatte vollkommen ohne Übertreibung auf einigen Strecken geradezu zwanghafte über 200 Versuche am Stück zu Buche stehen, bis das Ergebnis meinen Vorstellungen entsprach. Es hat sich jedenfalls gelohnt: Gleich auf der ersten Strecke des Spiels bin ich mit 25,38 Sekunden aktuell noch schneller als "100 Prozent der anderen Spieler", von denen es bereits eine ganze Menge gibt. Platz eins und ich muss auch sagen, dass es mich wundert, dass nicht noch mehr Spiele auf Zeit die Spieler-Leistung durch einen solchen Prozentwert bemessen. Hello Games klopft einem mit diesem Kniff auf die Schulter. Wenn dort zum Beispiel steht, dass man schneller ist als 70 Prozent aller Anderen, ist das immer noch ein besseres Gefühl als "Platz 3.572". Für mich und meinen ansonsten eigentlich nicht allzu ausgeprägten Ehrgeiz war es auf jeden Fall extrem motivierend, mir selbst das Ziel zu setzen, stets schneller als mindestens 80 Prozent aller anderen Joe-Danger-Besitzer zu sein.
Hello Games Design-Maxime, modernen Games das Look und Feel der Neunziger aufzudrücken, verleiht Joe Danger 2 ein sympathisches Gesicht, das gleichzeitig auch in Sachen Messwerte überzeugen kann. Niemals stotternde 60 FPS, knackscharfes Bild und schöne Unschärfe- und Rauch-Effekte verbreiten das Gefühl eines handwerklich einfach exzellenten Spiels, etwa, wie man es von Nintendo-Spielen in Bestform gewohnt ist. Man vergisst schnell, dass man es hier mit einem günstigen Indie-Titel zu tun hat. Ehrlich gesagt könnte ich auch ohne den plappernden Regisseur leben, der das Spielgeschehen kommentiert, manchmal während eines "Takes" aber auch nützliche Warnungen ausspricht. Und auch der filmische Zusammenschnitt aller Höhepunkte eines Levels verschafft der "Film"-Idee hinter dem Spiel nicht mehr als den Charakter eines Vorwandes, aber das sind Sachen, die nicht einmal das Prädikat "Ärgerlich" verdienen.
Schade, dass es, trotz allem aufgebohrten Umfang und der Möglichkeit, endlich geschaffene Level mit seinen Freunden zu teilen, immer noch nicht möglich ist, online gegeneinander anzutreten. Und die Handvoll Level für den Couch-Multiplayer reicht auch nicht lange aus. Immerhin verspricht Hello Games per Internet neue Strecken für gesellige Spieler nachzureichen. Ein ausgefuchster Netzcode ist für ein Studio dieser Größe und bei einem derart kompetitiven Spiel wohl utopisch.
Letzten Endes ist Joe Danger 2 eines der wenigen "kleineren" Spiele, denen es gelingt, erfrischend hart und entschieden Indie zu sein, gleichzeitig aber nach mehr Geld und Manpower auszusehen, als Hello Games vermutlich jemals in ein Projekt schütten wollen würde. Dabei ist jedoch es stets die hochkonzentrierte Reinheit der Idee, die diesem Abschiedsspiel diese beinahe unheimliche Macht über den Spieler verleiht. Die wirft einen zurück in eine Zeit, in der Videospiele noch strahlend blaue Himmel hatten, Dinos und Roboter die coolsten Gegner waren, die man sich vorstellen konnte und Polizist, Feuerwehrmann oder eben Stuntman die bestmögliche Berufswahl.
Deshalb muss man einfach 'Danke' sagen, 1.200 MS-Punkte lockermachen und sich nach gut und gerne 20 Stunden darauf freuen, worauf auch immer Hello Games sein beachtliches Maß an Talent und Leidenschaft als Nächstes werfen mag.