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John Wick: Chapter 2 - Filmkritik

Das The-Raid-2-Syndrom abgewendet!

Regie: Chad Stahelski
Buch: Derek Kolstad
Darsteller: Keanu Reeves, Ian McShane, Ruby Rose, Common, Riccardo Scamarcio

Was immer du tust: Finger weg von seinem Auto - und bring dem Hund ein Leckerli mit!

Für mich kam John Wick 2014 genauso aus dem Nichts, wie sein titelspendender Protagonist sich angeblich an seine Opfer anschleicht. Was für ein Film das war: schlank, böse, gemein unterhaltsam und mit einer Action-Choreographie gesegnet, der wohl auch das The-Raid-Team um Gareth Edwards ihren Segen gäbe. Roh war er, fokussiert und gerade genug der Realität entrückt, um den filmgewordenen Massenmord noch gut verdauen zu können. Keanu Reeves machte sich sowieso gut in der Rolle des stoischen Killer-Rentners, von dem die gesamte Unterwelt nur in verhuschten Tönen spricht. "He's not the boogeyman. He's the one you send to kill the boogeyman".

Und jetzt eben der zweite Teil. Ich befürchtete fast, er würde den gleichen verständlichen Fehler begehen wie die Damen und Herren vom bereits erwähnten The Raid und den zweiten Teil durch das Aufblasen seiner im ersten Film nur angedeuteten Mythologie ein bisschen zu sehr auf episch bürsten. Das ist nur zur Hälfte geschehen und im Resultat ist Teil zwei ebenso ein voller Erfolg, wie der erste es war.

Ja, die Welt der Auftragsmörder wird in Chapter 2 schrill schillernd überzeichnet, der Kosmos des organisierten Verbrechens in größerem Rahmen vorm Zuschauer ausgewalzt. Aber zu keiner Sekunde tut das dem Spaß bei dieser wahnwitzigen und immer noch auf den Punkt genau zielsicheren Rachegeschichte irgendeinen Abbruch. The Raid 2 verlor sich trotz unfassbar einnehmender Choreographie und einer verstörend faszinierenden Gewaltästhetik ein bisschen zu sehr in schon dutzendfach gesehenem Gangster-Einerlei.

John Wick 2 auf der anderen Seite bewegt sich strammen Schrittes in Richtung Superheldenterritorium und verpasste es nicht, durch die neue Überhöhung mehr Spaß aus dem Material zu ziehen. Im Gegenteil. Tatsächlich fühlt man durch den Killer-Geheimbundirrsinn mit eigener Währung, dediziertem Mörder-Dienstleistungssegment und eigener, über dem weltlichen Gesetz stehender Rechtsprechung den Freifahrtschein, sich bei aller Gewalt prächtig zu amüsieren, jederzeit tief in der Tasche.

Keine Sorge: Diesmal bleibt der Hund am Leben.

Bei allem Blut und Gekröse ist das hier doch Kopfschuss- und Jiu-Jitsu-Porn der eher sauberen, moralisch konflikt- und kollateralschadenfreien Sorte. John Wick 2 zelebriert Gewaltfantasien als eben das: Fantasien. Und er nimmt in seinem schönsten Kunstgriff den Fuß nur dann vom Gaspedal, wenn die Zuschauer mal einen Moment durchschnaufen müssen oder ein Moment dem Spannungsbogen guttut, in dem man sich fragt, wann zwei sich gegenseitig erkennende Killer in einer stramm gefüllten U-Bahn aufeinander losgehen.

Die Stunts glänzen einmal mehr mit wundervoll überzeugender Nahtlosigkeit, weil Stahelski nur die nötigsten Schnitte setzt. Trotzdem schmerzt jeder Schlag, jeder Tritt und jeder Pistolentreffer schon beim Zuschauen. Auch ästhetisch ließ sich der als Stunt-Koordinator bekannt gewordene Filmemacher einiges einfallen. Exotische Kameraeinstellungen, ebenso stilvoll wie geschickt gewählte Perspektiven und ein Auge für interessantes Szenenbild und erinnerungswürdige Set-Pieces - der Kampf in einem Spiegelkabinett im dritten Akt ist ein besonders ansehnliches Highlight - geben dem Streifen einen Look mit Wiedererkennungswert.

An den ersten The Raid kommt er, wie schon John Wick 1, nicht wirklich heran. Der war spannender, ging mehr an die Substanz. Aber diese schräge Schattenwelt voller überzeichneter Mords-Freelancer würde auch für einen dritten Teil noch so einiges hergeben. Und die Verantwortlichen sind sich dessen offensichtlich bewusst. So sehr ich das Ende mochte, so klar ist doch auch, dass es so nicht wirklich ausgehen kann. Müsste ich meckern, würde ich sagen, dass zwar fast alle Shootouts, aber eben nicht jeder eine durchweg interessante Spannungskurve mitbringt. Und die Art und Weise, wie der Film zum zweiten Mal in Folge den Antagonisten abserviert, um den es Wick eigentlich gehen sollte, ist mal wieder ziemlich antiklimaktisch gelöst. Ich wünschte, für den dritten Teil würde Stahelski mal etwas von seinem Action-Einfallsreichtum in einen finalen Showdown stecken, der den Namen auch verdient.

Dennoch darf man nicht vergessen, dass diese Sorte des archetypischen Männerfilms schon viel zu lange von bequemen Nachmachern heruntergewirtschaftet wurde. Das hier dagegen ist die Evolution, die die "Harter-Hund"-Filme der Siebziger- und frühen Achtzigerjahre hätten eigentlich nehmen sollen. Stattdessen fahren zum Beispiel Stallones Expendables oder jeder zweite beliebige Statham-Streifen die traurige, stroboskopartig geschnittene und Mogel-CG-schwangere Mehr-ist-mehr-Schiene, die seit Jahren nur noch deprimiert. Sie sind der tranige Boogeyman, vor dem es Fans wirklich aufregender, gefährlich wirkender Action nur so schaudert. Gut, dass es mit John Wick jetzt jemanden gibt, der sich mit so etwas auskennt.


John Wick: Kapitel 2 ist auf DVD, Blu-ray und digital bei den Anbietern eures Vertrauens zu haben.

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.