Journey to the Savage Planet: Das schrille Metroidvania
"Dieses Spiel wird dein Leben garantiert nicht auffressen"
Schrilles Weltraum-Abenteuer im Metroidvania-Stil
Vorschau von Sönke Siemens
Videospiel-Präsentationen machen immer dann am meisten Spaß, wenn man dem vortragenden Entwickler die Begeisterung für das eigene Produkt ab der ersten Minute anmerkt und der Betreffende ganz ohne inhaltliche Restriktionen aus dem Nähkästchen plaudert. So auch im Falle von "Journey to the Savage Planet" aus der Feder des kanadischen Indie-Entwicklers Typhoon Studios. Noch bevor die Introsequenz der Preview-Version über den Bildschirm flackert, strahlt Branchenveteran Alex Hutchinson - früher u.a. Spieldirektor von Krachern wie Assassin's Creed und Far Cry 4 sowie Lead Designer von Spore und The Sims 2 - übers ganze Gesicht. Sekunden später drückt mir der gebürtige Australier mit Wahlheimat Montreal dann auch schon voller Zuversicht den PS4-Controller in die Hand, während er bereits erste Details zur Entstehungsgeschichte des Projekts ausplaudert.
"Meine Partner und ich hatten viele Jahre lang an all diesen großen, erfolgreichen Marken gearbeitet und einen Punkt erreicht, an dem wir alle etwas Kleineres und Persönlicheres auf die Beine stellen wollten. Wir wollten etwas erschaffen, das komplett uns gehört und bei dem wir nicht jede kleine Designentscheidung in einem groß angelegten Meeting durchdiskutieren müssen", so Hutchinson. "Das Ergebnis der seit 2017 andauernden Entwicklungsarbeiten bezeichnen wir Studio-intern gern als First-Person-Explore'em Up. Die Story ist schnell erklärt: Der Held wurde von Kindred Aerospace auf einen potenziell lebensfreundlichen Planeten befördert und soll nun die Flora und Fauna dort katalogisieren. Denn nur so kann die Menschheit herausfinden, ob der Himmelskörper ein geeignetes Zuhause für zukünftige menschliche Kolonien ist. Da es sich bei Kindred Aerospace jedoch nur um das viertbeste Weltraum-Explorations-Unternehmen der Erde handelt, haben sie dich zwar mit jeder Menge Hoffnung, aber dummerweise ohne das nötige Equipment dorthin geschickt", resümiert Hutchinson. „Die gute Nachricht: In deinem zweitklassigen Raumschiff gibt es immerhin einen verstaubten 3D-Drucker."
Schon an dieser Stelle der Präsentation wird klar: Journey to the Savage Planet nimmt sich selbst zu keiner Zeit sonderlich ernst. Im Gegenteil, es versteht sich als spielbare Weltraum-Satire, die gleichzeitig viel Wert auf eine optimistische Gangart legt. Und darauf, dass möglichst viele Spieler das Ende sehen. "Manchmal machen wir Witze, dass es ein Spiel für alte Leute ist. Oder Leute mit Jobs. Die Kampagne wird dich etwa zehn bis zwölf Stunden beschäftigen", verrät Hutchinson. "Gleichzeitig ist sie das komplette Gegenteil zum artverwandten No Man's Sky. Wenn irgendwo ein Stein den Weg blockiert, dann liegt das daran, dass unser Leveldesignteam den genau dort platziert hat. In unserem Abenteuer gibt es absolut keinen prozedural generierten Content. Du spielst es durch, stellst es dir danach ins Regal und kramst es hoffentlich nach einigen Jahren noch mal raus, weil es dir damals gut gefallen hat."
Während es in No Man's Sky in erster Linie darum geht, das Zentrum eines prozedural generierten Universums zu erreichen, spielt sich Journey to the Savage Planet in vier maßgeschneiderten Biomen des Planeten ab und funktioniert im Kern wie ein klassisches Metroidvania. Will heißen: Beim Erforschen des mysteriösen Himmelskörpers stoßt ihr immer wieder auf Areale, die zunächst auf irgendeine Weise nicht zugänglich sind. Kurz nach Spielstart zum Beispiel versperren Kristallformationen den Weg. Einige Zeit später hindern euch klaffende Abgründe am Weiterkommen und kurz darauf entdeckt ihr mehrere Steilklippen, die ohne Hilfsmittel unüberwindbar scheinen. Die Lösung für diese und viele andere Herausforderungen besteht nun in der Regel darin, vorgegebene Ressourcen zu finden und damit am 3D-Drucker eures Raumschiffs einen ganz bestimmten Gegenstand zu craften, der euer Fähigkeitenspektrum passend erweitert.
Die eben skizzierte Kristallblockade etwa neutralisiert ihr schon bald mit der Nomad-Plasma-Pistole. Die meterweiten Abgründe überwindet ihr mit einem Jetpack und wer Steilwänden ein Schnippchen schlagen wir, braucht einen Energie-Enterhaken. Zur Liste der insgesamt 44 Ausrüstungs-Upgrades gesellen sich später außerdem Dinge wie ein Schubdüsen-unterstützter Quadruple-Jump, ein erweiterter Werkzeuggürtel sowie eine XXL-Nadel, um den mehr als 30 Alienkreaturen auf AR-Y 26 Gewebeprobe zu entnehmen. Nicht zu vergessen haufenweise Waffen-Upgrades, die u.a. schnellere Nachladezeiten ermöglichen, das Magazin erweitern, einen Charge-Shot hinzufügen und dergleichen mehr.
Geht's nach Hutchinson, waren Waffen im ursprünglichen Gamedesign-Dokument übrigens gar nicht vorgesehen. „Zu Beginn der Entwicklung haben wir wirklich sehr hart versucht, einen gewaltfreien Ansatz umzusetzen. Unterm Strich hat das jedoch hinten und vorne nicht funktioniert. Die meisten Crafting-Ressourcen des Spiels sind zudem in den Körpern irgendwelcher Kreaturen verborgen", gesteht Hutchinson mit einem verschmitzten Grinsen.
Neben einer Vielzahl von Ausrüstungs-Upgrades, ist es jedoch vor allem die ständige Interaktion mit der bizarren Flora und Fauna des Planeten, die den Reiz dieses Rätsel-lastigen Action-Abenteuers ausmacht. Ein Beispiel: Nach etwa 25 Spielminuten erreicht ihr ein von einäugigen Alienpflanzen überwuchertes Gebirgsplateau. Ein schmaler Pfad führt zum nächsten Missionszielmarker, wird allerdings durch die meterlangen Tentakel der Pflanze blockiert. Die erste Idee: Klar, draufschießen! Da dies aber nicht den gewünschten Erfolg bringt und mir das Jetpack-Upgrade fehlt, um das Hindernisse fliegend zu überqueren, scanne ich zunächst die Umgebung nach Hinweisen.
Hutchinson schaut amüsiert zu und schlägt vor: „Versuch doch mal, der Zyklopen-Pflanze einen Pufferbird ins Maul zu katapultieren". Gesagt, getan. Ein kurzer Anlauf, ein beherzter Fußtritt und schon landet der pummelige Paradiesvogel im surrenden Schlund des Tentakelgewächses. Surrend deswegen, weil propellerartige Zähne die Beute sofort einsaugen und begleitend von einer Art Gartenhäckslergeräusch in Sekundenschnelle zermalmen. Grüner Schleim spritzt durch die Luft, eine orangene Flüssigkeit tropft aus dem Maul heraus und dann scheint die fleischfressende Pflanze fürs Erste pappsatt zu sein. So satt, dass sie ihre Tentakel wieder einzieht und nach einem nicht zu überhörenden Rülpser einschläft.
Zugegeben, wer sich auf Journey to the Savage Planet einlässt, sollte eine gesunde Portion schwarzen Humor vertragen können. Ist dieses Kriterium erfüllt, läuft die Erkundungsmission auf AR-Y 26 allerdings zu Hochform auf und sorgt immer wieder für herzhafte Lacher. Nicht zuletzt, weil auch eure Begleit-K.I. in schöner Regelmäßigkeit derbe Sprüche raushaut. Kostprobe gefällig? Den grausamen Häckslertod des Pufferbirds zum Beispiel kommentiert E.K.O mit einem trockenen "Ich liebe diese Dinger. Verfüttere noch einen!" Zermatscht ihr dagegen euren ersten Pufferbird mit einem wuchtigen Handrückenschlag heißt es: "Ich will nicht lügen. Ich fühl mich irgendwie schlecht. Aber die Dinger sind so süß! Und so voller Saft."
Ergänzend zur leicht sadistischen KI E.K.O. tritt vorwiegend Martin Tweed mit euch in Kontakt. Der Chef und Gründer von Kindred Aerospace hält euch mit allerlei Videobotschaften auf dem Laufenden, scheint aber - genau wie der Planet - ein dunkles Geheimnis zu verbergen. Oder um es mit den Worten von Alex Hutchinson auszudrücken: „Tweed wirkt anfangs wie ein echt netter Typ. Mit fortschreitender Spieldauer wird er jedoch immer mehr wie Elon Musk. Anfangs charmant, aber dann stimmt irgendetwas nicht."
Herauszufinden, was Tweed wirklich mit AR-Y 26 vorhat, ist einer der wichtigen Story-Motoren. Der andere besteht darin, zu enträtseln, was es mit den überall auftauchenden Alien-Installationen auf sich hat. Wer waren die Erbauer dieser Strukturen? Leben die Außerirdischen noch immer auf AR-Y 26? Und wenn ja: Wo sind sie abgeblieben? Was verbirgt sich hinter den später immer häufiger auftauchenden Schutzmechanismen der gigantischen Himmelsfestung? Fragen über Fragen, die Lust machen, wirklich jeden Winkel dieser geheimnisvollen Welt zu erkunden.
Auf Wunsch klappt Letzteres übrigens auch im Koop-Modus, der zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch einen Haken hat. Er funktioniert ausschließlich online. "Wir sind nur ein kleines Team, daher hatten wir nicht die Menge an Programmieren, um einen Splitscreen-Modus umzusetzen", so Hutchinson. "Zudem hätte man dafür das Interface und einiges mehr anpassen müssen. Wir wollten es wirklich und vielleicht können wir das Splitscreen-Feature noch nachreichen, wenn wir genügend Einheiten absetzen." So wie auch vielleicht eine mögliche Switch-Version, die aktuell noch nicht bestätigt ist, aber man sich zumindest intern angucken will.
Journey to the Savage Planet erscheint bereits in weniger als zwei Wochen für PC, PS4 und Xbox One.
Entwickler/Publisher: Typhoon Studios / 505 Games Erscheint für: PC, PS4, Xbox One- Geplante Veröffentlichung: 30. Januar 2020 - Angespielt auf Plattform: PS4 Pro