Kane & Lynch 2: Dog Days
Vergebene Chancen
Natürlich warten ein Dutzend Waffen auf ihren Einsatz, doch mehr als das übliche Schrotflinten-, Maschinenpistolen- und Scharfschützen-Geballer braucht ihr nicht zu erwarten. Natürlich gibt es später mal ein Maschinengewehr oder moderne Sturmwaffen, doch unterm Strich spielt sich nahezu alles gleich. Kurz: So innovativ Charaktere, Locations und Design daherkommen, so konservativ fällt die Kampagne aus. Ballern bis der Arzt kommt mit viel zu wenig Story, viel zu kurzen Zwischensequenzen und vielen vergebenen Chancen.
Zum Glück gibt es abseits der ca. acht Stunden langen Geschichte noch einen intelligenten und vor allem frischen Multiplayer-Modus. Genauer gesagt gibt es zwei witzige Koop-Varianten und packende Versus-Fights in Cops vs. Robbers. Am frischesten spielt sich dabei Fragile Alliance. Gemeinsam mit sieben Partnern sollt ihr einen groß angelegten Raub durchziehen. Je nach Location müsst ihr dazu erst eine Bank ausnehmen und dann durch eine vollgepackte U-Bahn-Station fliehen, anderen Gangstern Beute abknöpfen und euch anschließend durch KI-Polizei-Horden kämpfen oder einfach nur ein Flugzeug erwischen.
Interessant wird die Hetzjagd durch die Möglichkeit, sich in einen Verräter zu verwandeln und euren Partnern die Beute abzuknöpfen. Noch bevor ihr das Fluchtfahrzeug erreicht, könnt ihr unachtsamen Kollegen einfach in den Rücken schießen und anschließend ihr Geld einsacken. Als Verräter gebrandmarkt, werdet ihr anschließend zum Freiwild. Jederzeit können euch eure Mittäter gemeinsam erledigen, bis sich das Ganze zu einem gewaltigen Blutbad hochschaukelt.
Dog Days spielt dabei perfekt mit euren Sehnsüchten, geheimen Wünschen und hinterhältigen Gedanken. Mehr Geld für euch bedeutet nämlich nicht nur mehr Erfahrungspunkte für weitere Gefechte, sondern auch dickere Waffen beim nächsten, noch herausfordernderen Level.
In der Undercover-Cop-Variante kommt ein weiteres entscheidendes Element hinzu: Ein eingeschleuster Polizist, der euch das Leben schwer macht. Sein Ziel besteht darin, den Raub vereiteln und euch für einen Finderlohn die Kohle abnehmen. Da diese Rolle zu Beginn zufallsmäßig verteilt wird, steigert sich der Wahn der korrupten Diebe in eine ausgewachsene Psychose. Deutlich simpler und fast schon gewöhnlich erscheint da die Polizei-vs-Räuber-Alternative. Gut gegen Böse. Die Ordnungshüter müssen die Gangster aufhalten, doch auch hier greift die Möglichkeit, jederzeit zum Verräter zu werden. Insbesondere auf den letzten Metern zum Ziel gibt es zwischen den Bösewichtern immer wieder heftige Schießereien.
Der Arcade-Modus ist im Prinzip die Singleplayer-Variante von Fragile Alliance. Gemeinsam mit KI-Kollegen ballert ihr euch durch immer stärkere Gegnerwellen, rüstet eure Waffen auf und kämpft weltweit in einer Rangliste. Zum üben ganz nett, aber nach ein bis zwei Stunden auch schon wieder langweilig. Ach ja, zum Schluss noch ein Lob an die Synchronsprecher: Die englische Sprachausgabe ist fantastisch und selbst die deutschen Kollegen geben sich alle Mühe, die beiden Gangster glaubwürdig zu porträtieren. Viele Dialoge gehen zwar im Gewehrfeuer unter, der Rest macht aber sichtlich Spaß und zeigt die hervorragende Chemie der beiden notorischen Anti-Helden.
Die Unterschiede zwischen den Versionen müsst ihr übrigens mit der Lupe suchen. PS3 und Xbox 360 sehen beide gut aus, werden mit ihrem verwaschenen Wackel-Look aber die Geister scheiden. Leider bietet die PC-Version keine optischen Aufbesserungen und fällt damit etwas ab. Die starken Filter verdecken zwar Textur-Unzulänglichkeiten, die Betonhaare der Hauptdarsteller fallen in großen Auflösungen aber umso deutlicher ins Auge.
Was für ein beeindruckender Look, wie viel Liebe zum Detail und Mut zu ungewöhnlichen Hauptfiguren. Und doch scheitert Kane & Lynch 2: Dog Days an so fundamentalen Dingen wie der spielerischen Abwechslung, der Story oder den Koop-Elementen. Man hat fast das Gefühl, dass die Entwickler sich zu sehr um die äußere Schale gekümmert haben und am Ende der eigentliche Inhalt zu kurz kam. Es genügt eben nicht, ein paar Waffen und Gegner in den Ring zu werfen und darauf zu hoffen, dass es am Ende Spaß macht. Ohne Rollenspiel-Elemente, eine offene Spielwelt oder ähnlichen Firlefanz muss wirklich alles stimmen. Große, beeindruckende Setpieces á la Modern Warfare, ständig frische Spielelemente wie bei Gears of War, ein perfektes Gunplay wie bei F.E.A.R. oder Rätsel- und Schleichanlagen wie bei Uncharted 2.
Eine lineare Ballerbude wird auch durch einen schicken Look und einigermaßen kompetente Gegner nicht spannender. Erst zum Ende hin gelingt es IO Interactive, das Versprechen eines bombastischen Gangster-Abenteuers einzuhalten. Zu spät. Zum Glück reißt es der Multiplayer zumindest zum Teil wieder heraus. Der ungewöhnliche Koop-Modus wird zwar Halo und Co. nicht von der Xbox-Live-Spitzenposition verdrängen, doch als echte, spannende Alternative zu dem üblichen Mehrspieler-Brei liefert er genau die Abwechslung, die der Kampagne abgeht.
Kane & Lynch 2: Dog Days ist für Xbox 360, PC und PS3 erhältlich.