Kane & Lynch 2: Dog Days

Im Vorfeld hatte uns Rasmus Poulsen, der künstlerische Leiter des Spiels, versprochen, dass etwa Polizisten im Gegensatz zu Gaunern nicht mehr auf eure Spielfigur schießen, sobald er einen ihrer Kollegen als Schutzschild missbraucht. In der Vorabversion war davon nichts zu sehen.

Die Polizeibeamten in Shanghai ballern ohne Rücksicht auf Verluste alles über den Haufen. Genau wie ihr selbst auch, wenn ihr euch an die schwache Trefferresonanz eurer Waffen gewöhnt habt – manchmal wartet man noch eine Weile vergeblich darauf, dass der KI-Angreifer seinen Kopf wieder hinter eine Kiste hervorstreckt, da man ihn schon erledigt hat.

Zum Glück setzt euch das Spiel pausenlos unter Strom. An jeder Ecke lauert neues Kanonenfutter und ihr hechtet von Betonpfeiler zu Betonpfeiler und von Auto zu Auto. Mit Befehlen für euren Kompagnon braucht ihr euch nicht mehr herumzuärgern, diese Quälerei aus dem Vorgänger gibt es nicht mehr.

Atempausen bieten nur kleine Laufabschnitte und Zwischensequenzen. Die „Getroffen, aber nicht tot"-Einlage, die die herkömmliche Energieanzeige ersetzt, funktioniert dabei prächtig. Sofern ihr nicht frontal in eine Salve rennt, gibt euch das Spiel nach einem Treffer eine zweite Chance. Ihr liegt verwundet am Boden und könnt entweder einfach weiterballern oder ihr schleppt euch zur nächsten Deckung und regeneriert dort.

Neben BioShock zählt der erste Teil von Kane & Lynch zu den am passendsten synchronisierten Spielen der vergangenen Jahre. Dieser Tradition scheint sich der Nachfolger anzuschließen. „Lynch, wir müssen zum Notausgang. Siehst du ihn?", versucht Kanes Stimme Kugelhagel, Hundebellen und Polizeisirenen zu übertönen. Wenn Lynch ein trockenes „Ja" zurückbellt, und sich zum nächsten Auto vorarbeitet, klingt das einfach gut.

Die Stimmen der Zwei-Mann-Armee machen erneut den Eindruck, als hätten ihre Besitzer mehrere Reibeisen und eine Familienpackung John-Wayne-Filme verschluckt. An einigen Stellen in der Vorabversion fehlten allerdings noch Sprachdateien und Ambiente-Sounds. Auch deshalb bleibt zu hoffen, dass die dänischen Entwickler IO Interactive generell noch etwas an der Feinabstimmung arbeiten. Es wäre schade, wenn dieses potentielle Spitzenspiel nur als „Gut gemeint" in die Annalen der Videospiel-Geschichte eingeht.

Was für enorme Spielspaß-Infusionen sorgen könnte, ist der Kooperations-Modus. Der war in der vorliegenden Version aber noch nicht wählbar. Entweder am geteilten Bildschirm oder online darf hierbei ein Spieler Kane und ein anderer Lynch übernehmen. Über den übrigen Mehrspieler-Modus mit seinen neuen Varianten „Räuber und Gendarm" sowie „Undercover Cop" haben wir bereits berichtet.

Sobald das Spiel erschienen ist, finden sich hier bestimmt genug Gleichgesinnte für eine Partie. Wer nur offline spielt, darf mit „Fragile Alliance Arcade" zumindest an der Mehrspieler-Luft schnuppern. Hier spendiert IO-Interactive computergesteuerte Kumpane für die bereits aus dem Vorgänger bekannte Bankraub-Geschichte.

Der überragende Ersteindruck von Kane & Lynch 2 verblasst, je mehr ich von dem Spiel sehe und selbst ausprobiere. Jetzt zeigt sich auch noch, dass Teil 2 im Gegensatz zum ungeschnittenen Vorgänger in der deutschen Fassung doch deutlich Federn lässt. Erwartet euch letztendlich nur eine Durchschnitts-Ballerei mit neuartiger Kameraführung? Ganz so schlimm kommt es hoffentlich nicht. Ein Meilenstein der Action-Spiel-Kunst wird euch allerdings wohl ebenfalls nicht serviert.

Mit Dog Days scheint mir ein überholter Teil 1 mit allen seinen Höhen und Tiefen zu entstehen, der mehr von dem charismatischen Duo Infernale erzählt. Auf YouTube wären Realfilme der beiden Haudegen vermutlich die am stärksten frequentierten Videos auf dem Portal: So viel herzhafte Macho-Sprüche und Maschinengewehr-Stakkato findet sich nicht mal in alten Schwarzenegger-Filmen. Der Grafikstil verlässt definitiv allzu breit getretenen Präsentationspfade, das Spiel selbst zeigt sich geradlinig, rätselfrei, bleihaltig. Ob das reicht, muss die finale Version inklusive Koop-Modus noch beweisen.