Kinect Sports, Sonic Free Riders & Kinectimals
The Good, The Bad and The Super-Cute
Kinectimals
Entwickler: Frontier Developments
Publisher: Microsoft
Ich wusste ungefähr, was kommt und ich hatte Zeit, mich vorzubereiten. Den ganzen Tag hörte ich abwechselnd This Mortal Coil und Bleeding Like Me, kleidete den Raum mit schwarzen Vorhängen aus und ließ Lustmord-Videos auf Stumm geschaltet laufen. Nach zwölf Stunden dachte ich, dass nichts mich jemals wieder erfreuen konnte. Außer vielleicht der 28. Durchgang von Song To The Siren, weil der ja so schön poppig und lebensbejahend ist. Relativ gesehen. Dann legte ich Kinectimals ein.
Acht Sekunden später kauerte ich auf den Knien, meine innere Welt in Plüschrosa ausgekleidet, starrte mit großen Kulleraugen auf den Bildschirm und rief voller Verzückung: "NEIN, IST DER NIEDLICH! SOOOOOO SÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜßßß!". Nicht schlecht, Kinectimals, nicht schlecht. Ich bin beeindruckt im Angesicht der ultimativen Süßness. Gegen das hier hat die Affenratte aus Eye Pet nicht den Hauch einer Chance.
Das heißt aber nicht, dass das Löwen-, Tiger-, Leopard-Gestreichele mir auch als Spiel übertrieben gefallen hätte. So viel Offenheit für kindliche Freude an einem virtuellen Stofftier, wie hier nötig wäre, werden wohl nur die wenigsten Erwachsenen aufbringen. Auf einer einsamen Insel übernehmt ihr die Patenschaft für eines von fünf oberknuffigen Tierbabys - später kommen noch weitere dazu - und erkundet mit ihm die Insel. Inklusive Piraten, Schatz und Gold. Zu viel sollte man von dieser Story nicht erwarten, aber als Aufhänger, um nicht komplett unstrukturiert über die Insel zu streifen, erfüllt sie ihre Aufgabe adäquat.
Eigentlich geht es jedoch natürlich um die Interaktion mit dem erstaunlich detaillierten und vorbildlich animierten Spielgefährten. Im gesunden Tempo werden immer neue Spielzeuge wie Bälle oder Fernlenkautos freigeschaltet, neue Teile der Insel kommen dazu, neue Herausforderungen, neue Tricks, die das Tier lernen kann, und neue Tiere treten auf den Plan. Ein konstantes "Es gibt immer was zu entdecken", das jedes Kind über die Weihnachtsfeiertage und darüber hinaus im Bann halten wird. Und dabei wird es sich über nichts beschweren. Es wird glücklich sein. Ich würde ja immer noch sagen, dass es erzieherisch wertvoller ist, ein stinkendes und bei näherer Betrachtung nicht mal annähernd so süßes Meerschwein zu kaufen, aber hey, Kinectimals kommt nah genug ran, besonders wenn der Vermieter vielleicht keine Haustiere erlaubt.
Der Ablauf bleibt dabei stets in einem angenehmen Fluss und wisst ihr gerade mal nicht, was ihr so tun sollt, dann bringt das Viech halt selbst sein Lieblingsspielzeug an. Sucht ihr jedoch selbst das Beschäftigungsmittel der Wahl, ein Leckerli oder den Putzhandschuh, offenbart sich, dass die Designer noch nicht genug Kinect dachten. Die Steuerung wurde komplett über ein Menü gelöst. Zeigt mit der Hand und es poppt auf. Wischt links und rechts, um die gewünschte Kiste zu finden. In dieser angekommen, wischt ihr noch mehr herum, um dann endlich das Gesuchte auswählen zu können. Dieser Prozess ist schlicht noch zu umständlich und würde besser zu einer Controller-Steuerung passen.
Auch die Erkennung der Gesten läuft etwas zwiespältig ab. Das Kraulen hinter den Ohren oder das Steuern der Fernlenkfahrzeuge mit einem imaginären Lenkrad macht keinerlei Probleme. Genau so sollte Kinect sein. Das eigentlich ganz billige Werfen eines Balls klappt nur irgendwie. Erst gar nicht und dann so halbwegs, wenn man kapiert, dass man nur Unterhandwürfe machen sollte und die Hand an dem Punkt stoppen muss, in dem der Ball fliegen soll. Kinectimals scheint das Öffnen der Hand nicht erkennen zu können. Schade, denn so fühlt sich das Ganze einfach nicht richtig an. Man gewöhnt sich an alles, nur wäre es hier schöner, wenn man das nicht müsste.
Kindern ist das tendenziell komplett egal, und zwar so was von. Im Angesicht des Haustieres, das die Natur niemals erschaffen konnte und das jedes noch so süße Katzenbaby locker aussticht, haben die kein Problem damit, ein wenig in Menüs zu kramen und den Ball seltsam zu werfen. Für Videospieler gehobenen Alters - in diesem Falle würde ich spätestens ab 12 oder 14 sagen - ist Kinectimals eh nicht gedacht und so repräsentiert die Wertung unten auch den Wert des Spiels für alle Erwachsenen, die den Kauf eines streng riechenden und ohne tägliche Aufsicht etwas verhungerungsanfälligen Hamsters lieber noch ein Weihnachten aufschieben wollen. Mit Kinectimals erkauft ihr euch dieses eine Jahr. Es ist auf Dauer dann doch kein echter Ersatz, aber für eine ganze Weile werden eure Kleinen diese digitalen Stofftierträume mehr lieben als euch, ihre Freunde und den möglicherweise schon vorhandenen Wellensittich. Ich bin mir von einem ethischen Standpunkt nicht sicher, was ich davon halten soll, aber aus Sicht der Entwickler kann man wohl sagen: Mission accomplished, Kinderherzen erobert!