King Arthur 2 - Test
Excalibur hat Scharten.
In dunkler Vorzeit, als der Heimrechner seinen Siegeszug noch vor sich hatte, waren Spielbücher ein beliebter Zeitvertreib für Fantasy-Freunde. Seitenweise Textschnipsel mit Nummern, an denen man sich von Entscheidung zu Entscheidung hangelte: "Du kommst an eine Kreuzung. Willst du nach Norden, lies weiter bei 264. Willst du nach Süden, lies weiter bei 154." So blätterte man sich tagelang durch wechselnde Abenteuer. Dann kamen die ersten Text-Adventures am Computer in Mode, was einem die wunden Fingerkuppen vom Seitenwechseln ersparte. Das waren Zeiten...
Warum ich mich gleich im ersten Absatz derart schamlos der Nostalgie hingebe? Der Grund ist King Arthur 2 von Neocore Games und Paradox Interactive. Im Prinzip haben die Entwickler schlicht eines der alten Spielbücher mit dem Strategiepart der Total-War-Reihe kombiniert. Eine Prise Artus-Sage dazu, alles fein säuberlich vertonen, mit Rollenspielelementen und Helden-Management abschmecken und voilà: Fertig ist ein Genre-Mix, der an die Tugenden des Überraschungsknüllers King Arthur von 2010 anknüpft. Sollte man jedenfalls meinen.
Aber in diesem Fall kam es anders. Die Verkaufsversion strotzte vor Bugs, KI-Aussetzern, Quest-Sackgassen, Performanceproblemen und Abstürzen. Seit der Veröffentlichung vor knapp einem Monat sind sagenhafte sechs Updates erschienen, um die gröbsten Scharten auszuwetzen. Doch noch immer genügen die Ladezeiten für ausgedehnte Kaffeepausen, die eigenen Armeen stehen manchmal herum wie die Ölgötzen, weil die Wegfindung schlampt und zu allem Überfluss fällt die Framerate, trotz potentem Rechner, regelmäßig auf Daumenkino-Niveau. Besonders übel nehmen die deutschen Fans dem Spiel, dass es noch immer keine lokalisierte Fassung gibt. In Britannien wird ausschließlich Englisch gesprochen. Bei einem Spiel, dessen Handlung so manchem Hörbuch Konkurrenz machen könnte, ist das eine Todsünde. Man muss sich außerdem damit anfreunden, dass bei der ganzen Textflut ein einziger Sprecher die Hauptarbeit stemmt. Mit stramm-britischem Akzent schlüpft dieser Erzähler in praktisch alle Rollen - auch die weiblichen. Leider nicht immer mit Erfolg.
Doch mal abgesehen von seinem holprigen Verkaufsstart, der nicht vorhandenen Übersetzung und den verbliebenen technischen Unzulänglichkeiten hat das Spiel eine Menge Unterhaltungswert zu bieten. Ihr schlüpft in die Rüstung von William Pendragon, dessen Vater, König Arthur, nach einem mysteriösen Zwischenfall verwundet dahinsiecht, während in den Dörfern des Umlands eine geheimnisvolle Seuche wütet und sich die führerlosen Fürsten gegenseitig die Köpfe einschlagen. Auch sonst steht es schlimm um die britische Insel: Der heilige Gral wurde zerbrochen, Merlin ist verschwunden und die dämonischen Fomorians fallen durch dutzende Höllentore ins Land des warmen Bieres ein. Genug zu tun also für den jungen Königsspross.
"Es ist erstaunlich, wie viel Zeit für die Entwicklung der Story und die diplomatischen Beziehungen drauf geht."
So zieht ihr mit eurer wachsenden Armee im Schlepptau durch die Provinzen, erledigt Text-Quests im Multiple-Choice-Stil, sucht neue Verbündete und stürzt euch ins Gefecht, falls sich mal eine feindliche (meist fomorische) Streitmacht in euer Territorium verirrt. Das hält einen ordentlich auf Trab und bei Laune. Es ist erstaunlich, wie viel Zeit für die Entwicklung der Story und die diplomatischen Beziehungen drauf geht. Hier ein Bündnis, dort ein Rätsel, ab und zu ein Labyrinth mit reichen Schätzen, dann wieder ein Kampf und dazwischen jede Menge ethischer Zwickmühlen, deren Ausgang über das Wohlwollen der Fürsten oder euren moralischen Kompass entscheiden. Eure Gesinnung schaltet nämlich zusätzliche Skills und Attribute frei. Weitere Boni gibt es für Artefakte, die ihr erbeutet, handelt oder sogar selbst schmieden könnt. Ihr und eure Helden dürft heiraten und profitiert dann von den Eigenschaften eurer Ehefrauen. In Sachen Rollenspiel könnt ihr euch also wirklich austoben.
Anders als der Vorgänger erspart euch King Arthur 2 dabei viel fitzeliges Klein-Klein beim Verwalten eures Königreichs. Um Nahrung als Ressource müsst ihr euch nicht scheren, es zählt nur Gold. Mit jeder Runde verstreicht ein Vierteljahr. Frühling, Sommer und Herbst gehen fürs Reisen, Verhandeln und Kämpfen drauf, im Winter werden Gebäude konstruiert, Forschungen angestoßen oder eure Truppen verbessern nach einem Stufenanstieg einige Werte und erhalten neue Fähigkeiten. Weite Strecken des Spiels seid ihr mit einer einzigen Armee unterwegs. Erst gegen Ende zieht ihr mit drei unabhängigen Streitkräften über die Karte. Ansonsten ist das Macro-Management nicht der Rede wert.
Das eigentliche Zugpferd von King Arthur 2 wäre sowieso der Strategieteil. Und um im Bild zu bleiben: Dieser Gaul stolziert daher wie ein edler Araber, wirft Anfänger gern ein paar Mal freundschaftlich aus dem Sattel und beherrscht die Pflichtkür wie ein routinierter Dressur-Schimmel. Dabei lahmt er aber auch des Öfteren wie eine alte Märe und zickt in seinen schlimmsten Launen sogar herum, wie ein störrischer Esel.
Die Einheiten und Animationen sind ausgesprochen detailliert und die Landschaften könnten so manchen Postkartenstand bereichern. Wenn die Engine einmal in Fahrt ist und die Hundertschaften aufeinander zu stürmen, kommt richtiges Braveheart-Feeling auf. Die Perspektive ist frei drehbar und der Zoom der Kamera stufenlos, wobei ein wenig mehr Abstand der Übersichtlichkeit sehr geholfen hätte, aber Schwamm drüber. Ernüchternd ist bei aller Grafikpracht, dass das Spiel dem ein Jahr alten Platzhirsch Total War: Shogun 2 frappierend ähnelt, ohne ihn optisch wesentlich zu übertrumpfen. Peinlich, denn den angestaubten Primus plagen - im Gegensatz zu King Arthur 2 - keinerlei Performanceprobleme.
Absolute Neueinsteiger tun gut daran, sich für den ersten Ausflug an den Casual- oder Normal-Schwierigkeitsgrad zu halten, denn man wird ohne nennenswerte Anleitung gleich bei der ersten Schlacht ins kalte Wasser geworfen. Damit bleibt sich Paradox Interactive treu, denn mit Tutorials hatte es der New Yorker Publisher noch nie so recht. Allenfalls im virtuellen Handbuch (lustigerweise als "Tutorial" betitelt) erfahrt ihr etwas über grundlegende Manöver wie das Anhalten oder Beschleunigen der Zeit oder welches die Vor- und Nachteile der verschiedenen Einheitentypen sind.
"Nach ein, zwei Scharmützeln habt ihr dann aber die Grundlagen drauf und merkt, dass ihr selbst bei groben taktischen Schnitzern kaum das Zeitliche segnet. Irgendwann spart man sich die komplexe Schlachtordnung und schmeißt einfach alles an die Front."
Als Gelegenheits-Feldherrn können einen die theoretischen Möglichkeiten zunächst ganz schön einschüchtern. Nach ein, zwei Scharmützeln habt ihr dann aber die Grundlagen drauf und merkt, dass ihr selbst bei groben taktischen Schnitzern kaum das Zeitliche segnet. Dazu sind die gegnerischen Einheiten zu doof, eure Helden zu langlebig und die Zaubersprüche der einnehmbaren Sieg-Gebäude zu mächtig. Irgendwann spart man sich die komplexe Schlachtordnung und schmeißt einfach alles an die Front. Jetzt wäre ein Neustart in höherem Schwierigkeitsgrad nicht verkehrt, der allerdings nichts an der strunz-dummen KI verbessert. Bis auf wenige Ausnahmen könnt ihr die Gefechte auf der Übersichtskarte sowieso automatisch auswürfeln lassen. Dass ihr dabei fast immer gewinnt, dürfte jedoch nicht im Sinne des Erfinders sein. Leider war das zumindest bei mir der Fall. Da fragt man sich, wofür das Kampfsystem mit seinen Massenschlachten, Manövern und taktischen Möglichkeiten überhaupt nötig ist. Wer sich den Spielspaß erhalten will, sollte daher lieber die Finger von dem Auto-Battle -Button lassen.
Bedenkt man jetzt noch die langen Ladezeiten und die Einbrüche der Bildwiederholrate und addiert die zeitweiligen Probleme mit der Wegfindung der eigenen Truppen hinzu, muss man den Strategieteil von King Arthur 2 tadelnd in die Ecke schicken. Updates hin oder her: Gerade auf diesem Gebiet dürfen passionierte Strategen mehr erwarten. Nur dem enorm unterhaltsamen Rollenspielteil ist es zu verdanken, dass der Titel nicht völlig gen Tartarus' Tiefen abrutscht. Bei aktuell 35 Euro Kaufpreis ist das leider zu wenig. Wer trotzdem zuschlagen will, sei der Vollständigkeit halber auf das DLC-Paket Dead Legions hingewiesen, das man für zehn Euro bei Steam ersteht. Hier spielt ihr den Aufstieg des römischen Feldherrn Septimus Sulla und dessen Schlachten gegen die blutrünstigen Pikten nach. Diesen Prolog zur Hauptkampagne gab es für Vorbesteller noch Gratis - wirklich Neues bietet er allerdings nicht und dürfte nur etwas für unerschrockene Enthusiasten sein.
Wenn ihr zur Spezies der Hardcore-Taktiker gehört oder ihr allein beim Gedanken an ein Hörbuch Ausschlag bekommt, macht ihr besser einen weiten Bogen um King Arthur 2. Selbst durchschnittlichen Echtzeitstrategen wird der Kampf-Part des Genre-Mixes zu einfach sein (zumal ein Mehrspielermodus fehlt) und wenn ihr ausuferndes Macro-Management eures Königreichs bevorzugt, ist der Titel ebenfalls nichts für euch. Wer hingegen jede Woche einen Fantasy-Roman verschlingt, ellenlange Text-Adventures liebt und zwischendurch mal den Feldherrn heraushängen lässt, kann einen Blick riskieren. Ihr solltet dann aber warten, bis die restlichen Dellen per Update ausgebeult wurden und eine deutsche Sprachfassung verfügbar ist. Bis dahin dürfte auch der Ladenpreis nochmals gesunken sein.