Kingdom Come: Deliverance 2 vergreift sich auf ganz seltsame Art im Ton
The most seltsam Mix of alle Zeiten.
Leute, Leute! Ich habe ja schon viel gesehen. Aber bei dem, was mir auf der gamescom in Kingdom Come: Deliverance 2 unters Gamepad gekommen ist, da ist mir glatt die sprichwörtliche Kinnlade auf die Knie gefallen. Und zwar mit dreifacher Erdanziehungskraft.
Bevor ich ins Detail gehe, lasst mich eins klar sagen: Das hier ist keine Vorschau, wie sie Ulrich geschrieben hat. Wenn ihr wissen wollt, wie das Spiel insgesamt aussieht, dann lest die. Vier Stunden war er in Böhmen unterwegs – ich habe davon gerade mal eine Nebenmission gespielt, die im mittelalterlichen Kuttenberg spielt, einer größeren Stadt und neben der weitläufigen dörflichen Landschaft das zweite große Areal, das der Fortsetzung als Schauplatz dient.
Dass die Anwohner dort durch die Körper ihrer Mitmenschen und überhaupt mitunter wild im Zickzack hin und her laufen, dass Wachen beim Verfolgen teilweise nicht nachvollziehbare Wege oder sich gar am Fleck festlaufen und dass sowohl Animationen als auch Kulisse eher an die letzte als die aktuellen Technikgeneration erinnern… Ich hoffe einfach mal, dass bis zur Veröffentlichung im kommenden Februar noch Zeit genug ist, um vor allem in Sachen KI Feinschliff zu betreiben.
Im Gegenzug beschweren sich die NPCs immerhin, wenn man sie anrempelt und weisen einen vom Hof, wenn man dort nichts zu suchen hat. Außerdem muss man nicht erst ein Dialogfenster öffnen, um manche Interaktionen auszuführen. Hat man es sich zum Beispiel mit einer Wache verscherzt, sodass die mit gezogener Klinge auf einen zu kommt, kann man eine Schultertaste gedrückt halten und hat dann, während die Situation ganz normal weiterläuft, die Option sich zu ergeben oder auf andere Art zu reagieren.
Und auch den Zuruf mancher Nebencharaktere kann man so erwidern, ohne dass dafür erst ein Dialog initiiert wird. An der Stelle macht Kingdom Come: Deliverance 2 etwas richtig, auch wenn da sicherlich ein anderes Spiel, nämlich Rockstars Red Dead Redemption 2 Pate stand.
Nur führte die darauffolgende Unterhaltung – dann als klassischer Dialog mit zahlreichen Multiple-Choice-Optionen sowie entsprechenden Verzweigungen – zu einigen der schlimmsten Sprachfetzen, die ich je in einem Spiel gehört habe. Tatsächlich weiß ich nicht, wann ich überhaupt jemals so das Gesicht verzogen haben, und zwar bei gefühlt jeder gesprochenen Zeile.
Die Person, die diese Zeilen von sich gab, heißt Menhard von Frankfurt, der sich für den größten Fechtmeister hält und eine Fechtschule in Kuttenberg eröffnen möchte. Wobei er sich zunächst beweisen will und mich beziehungsweise Alter Ego Heinrich zum Duell herausfordert – worauf ich ohnehin schon keine Lust habe, weil mir die pampige Persönlichkeit dieses Hau-Degens (ha!) ziemlich schnell auf den Keks geht.
Hauptsächlich will ich aber deshalb nichts mit ihm zu tun haben, weil er einen ausgesprochen ulkigen Mix aus Deutsch und Englisch spricht, bei dem „I challenge you to a Duell der Langschwerter!“ nur der Anfang ist. Spätestens als er sagt, Heinrich solle sich wieder bei ihm melden wegen des Duells, „when you find your eggs in the Hose“, gingen bei mir dann die Lichter aus. Und das ist noch längst nicht das Schlimmste, was in dieser Unterhaltung gesprochen wurde.
Das ging ja die ganze time so! Der würfelt doch glatt German and English words together, so wie es junge, in Deutschland grown up Menschen mit Migrationshintergrund often do. Was zumindest von daher Sinn ergibt, als dass in Böhmen lebende Deutsche ihren Nachwuchs tatsächlich zweisprachig aufgezogen haben. Nur sprechen die einen solchen Cocktail doch nicht Fremden gegenüber, sondern untereinander. Weil sie genau wissen, dass man sie sonst nicht versteht.
Zugegeben: Letzteres kenne ich nur von der heutigen Verwendung dieser linguistischen Besonderheit. Es ergibt in meinen Augen aber keinen Sinn, dass Menhard nicht verstanden werden will, wo er doch ein dringendes Anliegen hat. Und falls er tatsächlich ein Kind deutscher Migranten ist, spricht er ja fließend Tschechisch (im Spiel vertreten durch den englischen O-Ton). Die Mischung funktioniert für mich deshalb gar nicht.
Was auch daran liegt, dass Menhard auch in Sachen Tonfall und Auftreten nicht ganz normal agiert, sondern wie die stark überzeichnete Karikatur eines pikierten Fechtmeisters wirkt. Dazu dann seine drollige Ausdrucksweise und einer der seltsamsten Momente meiner gamescom war perfekt. Wie auch immer: Für mich hat dieser Charakter überhaupt nicht funktioniert. Er fiel komplett aus dem Rahmen und bescherte mir ein Fragezeichen über dem Kopf, um das mich Hideo Kojima schwer beneiden dürfte.
Hinzu kam zu allem Überfluss noch eine Unart, die ich ohnehin nicht ausstehen kann; dass Charaktere nämlich vor einem historischen Hintergrund so sprechen, als würden sie in unserer Gegenwart leben. Dass jemand „Fick dich, du Metzgerschwein!“ schimpft, ergibt jedenfalls nicht den geringsten Sinn, da es diese Beleidigung Anfang des 15. Jahrhunderts mindestens noch nicht in der heutigen Form gegeben hat. Für ein „Fuck you!“ gilt dasselbe – bemüht rüde Umgangssprache hin oder her.
Ob sich Entwickler Warhorse seinen Menhard von Frankfurt noch mal durch den Kopf gehen lässt und seiner eigentlich guten Stimme passende Worte in den Mund legt? Zumindest war mein Eindruck nach dem Anspielen dieser Nebenmission, dass die Interaktion mit den Charakteren noch ein wenig Zeit braucht, um aus Kingdom Come: Deliverance 2 das immersive Rollenspielerlebnis zu machen, das es sein soll und das es denen zufolge, die es länger gespielt haben, abgesehen davon auch zu werden scheint.