Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning Test - Von den Toten zurück
Neue Level bringen mehr als neue Texturen.
Kingdoms of Amalur: Reckoning: Test. Das war eine interessante Rückkehr nach... wie? Nur 8 Jahre? 2012? Es kommt mir vor wie ein halbes Leben, dass ich dieses Solo-Rollenspiel gespielt habe, das ein wenig so tut, als wäre es ein 2008er-MMO. Damit ist Kingdoms of Amalur: Reckoning, so der volle Name, noch mal ein Jahr jünger als Skyrim in seiner Urform. Witcher 2 erschien auch 2011. Skyrim wird heute noch gepflegt, der Witcher bekam seinen mittlerweile noch legendäreren Nachfolger, nur Amalur bliebt auf der Strecke.
Es ist zwar alles schon ferne Historie, aber hier noch mal im Schnelldurchlauf: Es war einmal, da wurde ein vielversprechendes Studio namens Big Huge Games von 90er-Legende Brian Reynolds gegründet. Das Studio hatte ein paar kleine Hits, aber nie den großen Durchbruch und so ging es 2008 an THQ. Die wussten auch nicht so recht, was sie damit sollten und brauchten eh immer Geld, also wanderte mittlerweile BHG an einen sehr unwahrscheinlichen Käufer: Curt Schilling, in den 90ern Baseball-Star und heute QAnon-Fan, gehörte das Studio "38 Studios". Dieses wiederum arbeitete wirklich an einem MMO, zu dem der Fantasy-Autor R.A. Salvatore die Welt von Amalur schuf. Das wurde dann von dem neuen Studio in ein Solo-RPG umgemünzt. Nur drei Monate nach dem Release von Amalur erklärten sich Curt Schilling und 38 Studios pleite, entließ alles und jeden und die verschiedenen Rechte wanderten an die höchsten Bieter. Amalur fand keinen solchen und somit verschwanden die Rechte an dem Spiel für Jahre im Limbo. Nun also kehrte auf welchen exakten Wegen auch immer das Spiel zu THQ zurück. Nun, in gewisser Weise schließlich ist es mittlerweile THQ Nordic, aber irgendwie schließt sich ein Kreis. Oder so.
Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning - Neue Level braucht das Fantasyland!
Die Frage ist natürlich, ob es das alles immer noch wert war. Damals war Kingdoms of Amalur: Reckoning zwar ein kleiner Achtungserfolg, mit wohl etwas über einer Million verkauften Exemplaren. Aber die Marke an sich ist heute so unbekannt wie eh und je. Gibt es viele, die Amalur in guter Erinnerung haben - außer meiner Wenigkeit? Ist es immer noch ein gutes Spiel? War es das je?
Ich kann zumindest sagen, dass das Spiel sich heute unabhängig von der Technik beweisen muss. Damals fiel es zwar im direkten Vergleich gegen seine eingangs genannten großen Konkurrenten ab, aber sie war immer noch sehr ansehnlich, die Welt, die Herr Salvatore sich einfallen ließ - selbst wenn ich dessen Bücher immer als zu kitschig empfand. Das hat sich jetzt mit dem Update nicht unbedingt geändert, aber dann wiederum gilt das auch für die genannten anderen Titel, wenn man ihnen eine höhere Auflösung und einen halbwegs elegant angewendeten Filter gönnt. Es wirkt dadurch zwar alles ein wenig durch den Weichzeichner gezogen, aber der Welt voller absurd hoher Bäume, Felsen und anderer zahlreicher Begrenzer kommt das in ihrem Design durchaus entgegen. Die Texturqualität scheint sich jetzt auf "hoch" nicht wirklich vom Original zu unterscheiden, wobei ich hier jetzt Xbox-Original gegen PC-Remake halte. Alles ist ein wenig schärfer und sauberer gezeichnet, alles sieht ein wenig nach "nicht-so-viel-Budget"-2020 aus, aber trotzdem und ganz ehrlich: hübsch! Man darf halt kein Witcher 3 erwarten, mehr ein Risen 3 in schön, dann passt das schon.
Erstaunlicherweise gab man sich an anderer Stelle sehr viel mehr Mühe als bei der schnöden Technik: Das Level-System wurde geradegezogen! Hätte ich nie mit gerechnet, aber die Lösung scheint am Ende so einfach wie genial zu sein. Früher hatten alle Gebiete einen Minimal- und Höchstlevel, in dem sich der Held bewegen sollte, wenn er nicht entweder komplett über- oder unterfordert sein sollte. Dummerweise war man, wenn man die Myriade an Nebenquests brav abarbeitete, schon im dritten oder vierten Gebiet viel zu hoch gelevelt, um im Rest des Spiels noch eine echte Herausforderung zu finden. Das hat man nun gelöst, indem sich die Gebiete dynamisch eurem Level anpassen, wenn ihr sie betretet, das aber nicht nach dem Skyrim-Schema. Dort war alles immer gleich schwer, ausgehend vom eingestellten Basis-Schwierigkeitsgrad. Hier werden Hochlevel-Gebiete immer so gesetzt, dass ihr mehr oder weniger das Minimum erfüllt, aber ordentlich was zu tun habt, während die Anfangsgebiete euch zwar ein wenig nachziehen, aber ihr immer noch relativ klar dominiert. Ich bin jetzt noch nicht durch - und angesichts der 60 oder 70 Stunden mit allen Inhalten wird das auch nicht so schnell passieren - aber die ersten Anzeichen dessen habe ich schon mit größtem Wohlwollen zur Kenntnis nehmen können und diese Änderung hat Kingdoms of Amalur zu einem weit besseren Spiel gemacht.
Eine weitere Änderung betrifft das Loot-System. Nein, ihr findet immer noch Tonnen an Loot, das euch herzlich wenig bringt und ihr alle 20 Minuten aus dem Inventar zumindest recht bequem direkt verschrotten könnt. Aber es ist nicht mehr so, dass ihr nach dem ersten Drittel gefühlt nur noch Müll findet, weil das Spiel das Loot ausgehend von seinen eigenen Level-Vorstellungen verteilte und nicht eurem erreichten Spielerlevel. Jetzt wird das Loot "ausgewürfelt", sobald ihr eine Kiste findet und oder einen Ork-Hintern durchsucht und das auf Basis eures aktuellen Levels. So war häufig genug mal was dabei, das ich wirklich brauchen konnte, und das ist ja der Sinn der ganzen Übung.
Kingdoms of Amalurs Action-Kampf macht vor allem eines: Spaß!
Das war es auch so ziemlich mit den Neuerungen, aber ich bin schon sehr dankbar, dass man diese Punkte anging, denn der Rest des Spiels hat es verdient. Die Geschichte um den Helden ohne "Schicksal" in einer Welt, in der eines jeden Schicksal sonst vorherbestimmt ist, gehört jetzt nicht zu den großen Klassikern, aber passt schon. Was nach wie vor nicht ganz alltäglich ist, ist das ""sei was du willst"-System. Es gibt im Grunde den Kämpfer, Magier und Dieb/Bogenschützen, aber alles lässt sich auch ein wenig kombinieren und jederzeit neu zusammenstellen und zurück-skillen, falls ihr lieber mal was anderes probieren möchtet.
Das Kampfsystem ist nach wie vor eher simpel, aber sehr effektiv und fühlt sich befriedigend an. Es spielt sich dabei klar wie ein Action-Spiel mit Kombo-Attacken, der Fernkampf ist eine Ergänzung und taktisches Element, um - ganz vage - im Stile eines Devil May Cry die Distanzen zu überbrücken, bevor man dann dem Gegner auch mit dem Zauberstab eins überbretzelt. Es gibt eine solide Auswahl an verschiedenen Waffen, von schnellen Dolchen bis zu unhandlichen Riesenschwertern, die sich alle unterschiedlich spielen und die Bewegungen mit Ausweichrollen und Schlägen mit hohen Reichweiten haben eine solide Dynamik. Mit anderen Worten: Fast egal auf welche der vielen Arten ihr hier Feinde niederdrescht, es macht Spaß! Und das sogar für lange Zeit, wie ich mit ein wenig Erstaunen feststellte. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob ich zu den bisherigen 10 oder 12 noch die restlichen 50 Stunden hier investieren kann, aber ich würde es zumindest gerne.
Es ist aber auch mitunter ein wundervolles Ablaufen von Quests. Sicher, da sind mehr als nur ein paar zu viel von der Sorte "Finde 10 mal X"., wobei X von Leichenteilen über Pilze bis zu Kisten alles Mögliche aus dem Reich der Simpel-Fantasy sein kann. Aber dann wiederum war die Gießkanne reichlich gefüllt und so gibt es an jeder Ecke der Welt immer was zu tun, immer einen Punkt zum ansteuern und immer ein kleines Problem zu lösen. Ich betone noch einmal, nichts, aber auch gar nichts, ist hier mit einer guten Witcher-Quest vergleichbar. Selbst die wenigen semi-moralischen Fragen lassen ich in der Regel schnell klären und Kindoms of Amalur: Re-Reckoning ist definitiv das Brot und die Butter des Fantasy-Quest-Designs. Aber dann wiederum ist das manchmal genau das, was man haben möchte. Man muss halt nur wissen, worauf man sich einlässt.
Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning Test Fazit
Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning war jetzt nicht der wahrscheinlichste Kandidat für eine Wiederauferstehung im Jahr 2020, aber jetzt, wo ich es gespielt habe, bin ich glücklich, dass es von den Toten zurückkam. Manchmal will man nicht viel mehr als Brot und Butter - siehe Quest-Design -, die farbenfrohe Welt mit ihrem MMO-Comic-Look bringt immer noch mehr als genug Charme mit und die wenigen Änderungen haben sehr große Auswirkungen. Die Anpassungen vom Level-System der Welt und des Loots bringen das Spiel sehr viel weiter nach vorn als es ein paar neue Texturen geschafft hätten und so bin ich froh, dass hier die Energie investiert wurde. Sicher, es hat nicht die historische Relevanz seiner genannten Konkurrenten, aber was den schieren Spaß an diesem sicher etwas generischen, aber auf seltsame Weise eben doch einzigartigen Spiel angeht, legt Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning sehr viel weiter vor, als ich es je erwartet hätte. Vielleicht ist es sogar Zeit, doch mal länger über eine Fortsetzung nachzudenken.
Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning in der Box für PC nur 19,99 (Amazon.de)
- Entwickler / Publisher: THQ Nordic (technisch gesehen hat wohl EA immer noch irgendwelche Publishing-Rechte, aber sie stehen nicht auf der Box drauf)
- Plattformen: PS4, Xbox One, PC
- Release-Datum: erhältlich
- Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
- Preis: ca. 40 Euro Konsole, ca. 25 Euro PC