Kingdoms of Amalur: Reckoning - Test
Ich weiß nicht wohin mit diesem. Außer, dass es in meinem Laufwerk bleibt
Dass der Kampf so viel Spaß macht, ist gut, denn wie schon erwähnt, ist er in Ermangelung wirklich relevanter Dialoge oder Entscheidungen das Herzstück. Das und Looten, denn selbst wenn das Menüsystem bestenfalls suboptimal genannt werden kann - und wenn das Inventar mal wieder sortiert werden muss, dürfen auch noch ganz andere Begriffe herhalten - bietet Amalur Schätze am laufenden Band. Ständig stolpert ihr über Waffen und Rüstungen, spielt zahlenorientierte Anziehpuppe und freut euch über jeden +5 Feuerschaden-Bonus extra. Masse und Klasse im Inventar sind eine schöne Sache, aber wie gesagt, wer schon das gepflegte Chaos in Skyrim nicht mochte, darf Amalur herzhaft hassen. Langsam, hässlich und beinahe frei jeder Komfortfunktionen, die man in einem Loot-orientiertem System in 2012 erwarten kann. So setzt man sich also alle Stunde gezwungen ruhig bleibend hin, ordnet sich neu und packt alles in die Kategorie "zu verkaufen", was nicht gebraucht wird. Nur, damit das Chaos im Rucksack nicht überhand nimmt. Zumindest das Verkaufen geht fix, denn die Karte mit ihrer Schnellreise erlaubt es immer mal wieder, zum Händler der Wahl hin- und zum Dungeoneingang zurückzuspringen.
Die Karte zeigt auch schön, wie geschlossen diese eigentlich offene Welt wirklich ist. Was auf den ersten Blick wie weites Land erscheint, unterteilt sich in der Detailansicht in ein Labyrinth aus kleinen Arealen und unsichtbaren Mauern. Springen geht nicht und kleine Flüsse und Wurzeln sind mal wieder von den großen, mächtigen Helden nicht zu bezwingen. Einen Drachen töten sie, aber wehe, da kommt das Gestrüpp von übermäßiger Dichte +3. Dann ist Schluss. Interessanterweise kann ich nach Salvatore und McFarlane damit Celebrity Nummer 3 anzweifeln. Ken Rolston, Lead Designer von Morrowind UND Oblivion, bastelte hier eine große, schöne, aber eben alles andere als offene Welt. Es fühlt sich wiederum wie die Bruchstücke des Fable-Universums an. Jedes für sich klasse, aber von der Weite und Freiheit der Elder-Scrolls-Spiele weit entfernt. Und wieder, es macht trotzdem Spaß. Es ist wieder eine Sache, über die ich mich aufregen könnte. Die Schlauchdungeons meist undefinierter Höhligkeit würde ich sonst mit Wonne abstrafen, aber hier spielt es sich einfach so flüssig, so routiniert und unterhaltsam, dass der Mangel gar nicht richtig zur Geltung kommt.
Die entwicklerseitig angekündigte Spielzeit von 20 Stunden für die Hauptquest und 180 für Nebentätigkeiten ist einerseits gelogen und andererseits übertrieben. Oder geht zumindest davon aus, dass ihr bei ersterem unfähig und beim Zweiten genügsam sein müsst, um diese Zeiten zu erreichen. Halbiert die Werte einfach und ihr habt das reale Terrain, das immer noch durchaus beeindruckend ist. Ja, die Haupthandlung mag nicht die umfangreichste sein, aber ihr werdet ihr eh selten direkt folgen. Zu viel passiert um euch herum, Crafting und Alchemie locken, die nächste Nebenquest ist nie weit entfernt, damit der nächste Level und vielleicht mal wieder eine Neu-Sortierung des Charakters. Über die Spielzeit braucht ihr euch also wirklich nicht die Sorgen zu machen.
"Interessanterweise kann ich nach Salvatore und McFarlane damit Celebrity Nummer 3 anzweifeln. Ken Rolston, Lead Designer von Morrowind UND Oblivion, bastelte hier eine große, schöne, aber eben alles andere als offene Welt. "
Müsst ihr euch überhaupt beim Kauf Sorgen machen? Weiß ich nicht. Seid ihr auf komplexe Welten und Storys aus, dann haltet euch an Dragon Age oder Witcher 2. Nicht an Amalur. Entscheidungen und Konsequenzen? Wiederum Dragon Age oder Fable. Sicher nicht Amalur. Die Welt soll endlos und weit sein, Freiheit ist das Ziel? Dann ist es wohl Skyrim, das ihr wollt. Nicht Amalur. Aber wer will Amalur? Ich!
Kingdoms of Amalur: Reckoning macht einfach Spaß. Und widersetzt sich einer simplen Einsortierung. Vielleicht ist der passendste Vergleich wirklich der eines MMOs, nur, dass ihr es halt allein spielt. Es sieht ein wenig aus wie eines, es fühlt sich ein wenig an wie eines, die Motivation, einfach nur noch ein wenig zu looten und zu leveln, kommt einem durchaus aus solchen bekannt vor. Amalurs Kampf- und Skill-Systeme sind so flexibel, dass es sich nie alt anfühlt, auch nach 50 oder 60 Stunden nicht. Ihr seid, was ihr euch vorstellen könnt. Ihr kämpft, wie ihr es für richtig haltet und habt ihr keine Lust mehr darauf, dann baut ihr halt von Grund auf um. Praktisch kein anderes Rollenspiel bietet das in diesem Umfang.
Und ich muss auch die Aussagen von eben natürlich noch relativieren. In jeder Einzeldisziplin stößt Amalur noch auf seinen Meister, das heißt aber nicht, dass es ein schlechter Schüler wäre. Das Design der Welt und der Monster kann sich sehen lassen, es bietet viel Auslauf für echte Helden und die Geschichte bleibt interessant genug. Nur der Celebrity-Faktor, der zieht halt nicht. Egal. Kingdoms of Amalur: Reckoning gelingt es, mehr als die Summe seiner Teile zu sein. Nichts an ihm ist perfekt und es verwirrt mich, indem es Aspekte, die mich sonst in den Wahnsinn treiben würden, oft genug einfach irrelevant scheinen lässt.
Mit anderen Worten, ich weiß selbst nach dem Test nicht so richtig, wohin mit Amalur, aber eines weiß ich genau: Ich hatte sehr viel Spaß dabei, bei seiner exakten Einordnung zu scheitern. Und ich werde mich weiter daran versuchen, eben weil es so viel Freude macht.
Kingdoms of Amalur: Reckoning ist für PC, Xbox 360 und PlayStation 3 erhältlich.