Kolumne: Das Casual-Problem
Gibt es das überhaupt?
Ist das Casual?
Wortspielereien helfen nicht weiter. „Die“ Bedeutung von Casual gibt es einfach nicht. Dass es den Trend dazu gibt, kann man aber auch nicht bestreiten. Schließlich reden alle darüber. Vielleicht kann man genauer erkennen, was Casual ist und was nicht, indem man sich die Spiele anschaut?
Peggle
Peggle ist das Ausnahmespiel von PopCap. Der Entwickler macht keinen Hehl aus seiner vollständigen Casual-Ausrichtung und hat mit Peggle ein Spiel abgeliefert, das zwischen Breakout, Flipper und Pachinko eine Nische findet. Auf den ersten Blick ist es wirklich einfach: In eine Richtung zielen, klicken, und die Kugel fliegt. Mehr Interaktion ist gar nicht möglich. Aber wenn man gut spielen will, dann ist Peggle eine ganz andere Angelegenheit.
Oft muss man versuchen, den zweiten und dritten Aufprallwinkel im Blick zu behalten, und dazu noch den richtigen Augenblick abpassen, zu dem man die Kugel abfeuert. Die meisten werden das nicht können und spielen Peggle wirklich als Casual-Spiel. Gut möglich jedoch, dass Billardprofis und Physikstudenten Peggle als Denkspiel mit Tiefgang erleben.
Minesweeper
Wer auf hohem Niveau Minesweeper spielt, der weiß: Das hat mit lässig nichts zu tun. Trotzdem ist die Steuerung einfach, das Prinzip schnell erklärt und eine der Hauptzielgruppen sind Windows-Nutzer (also fast alle). Ist das ein Casual-Spiel? Wenn man drauflos klickt, schon. Wenn man Rekorde brechen will, sicher nicht.
Wii Sports
Bei Wii Sports habe ich schon erfolgreich Leuten den Controller in die Hand gedrückt, und sie haben ohne Erklärungsbedarf Tennis gespielt, oder geboxt. Viele glauben, Wii Sports besitze deswegen keinen Tiefgang. Aber warum schlage ich dann jeden vernichtend, der neu dazukommt? Weil ich weiß, wie man beim Tennis Bälle anschneidet, an der Linie entlang spielt, und wie der schnelle Aufschlag funktioniert.
Wii Sports wird auf Verdacht ins Casual-Lager gesteckt: Weil die Steuerung neu, das Spiel verständlich und die Umsetzung rudimentär sind. Aber Tiefgang besitzt Wii Sports durchaus. Und zurückgelehnt kann man gar nicht spielen. Man muss sogar aufstehen. Wii Sports ist zwar das Paradebeispiel für Casual, aber es ist ein ebenso gutes Gegenbeispiel für viele Vorurteile gegen Casual-Spiele.
Beyond Good & Evil
Ich mag Beyond Good & Evil sehr. Und ich glaube, der zweite Teil darf ruhig noch lockerer werden. Das ändert nämlich nicht viel: Den ersten Teil habe ich nur wegen der Story und der Abwechslung gespielt. Kaum etwas musste wirklich beherrscht werden. Schleichen, Kämpfen und Fahren waren immer nur Interaktionshäppchen. Vor lauter Neuem konnte man sich nie darüber ärgern, dass Beyond Good & Evil gar nichts für Hardcorespieler ist. Ich kenne Leute, die an einem Abend durch den Titel gejagt sind. Gekoppelt mit der einladenden Cartoon-Optik ist Beyond Good & Evil damit je nach Definition äußerst Casual.
Grand Theft Auto
Egal, von welchem Teil wir reden: Grand Theft Auto ist ein Paradies für Casual-Spieler. Und hier gehöre ich auch dazu. Ich habe es bei noch keinem Teil geschafft, mich von der gut erzählten, aber sehr gewöhnlichen Story fesseln zu lassen. Und dann fällt doch auf, wie stark die Qualität der Missionen schwankt, und wie unbrauchbar vor allem alle Teile bis zum vierten sind, wenn es um Präzision beim Kämpfen, Autofahren oder sonst einer Aktivität geht. Ich huste mich durch die Missionen, bis ein Großteil des Sandkastens freigeschaltet ist. Und dann mache ich irgend einen Stuss, zurückgelehnt im Sessel und mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Ich kann meine Daumen nicht mehr spüren.
Also: Casual gibt es, aber nicht als Verschwörung der Spielebranche, uns immer dümmer zu machen. Kaum ein Spiel ist hundertprozentig Casual oder ausschließlich für die ganz Harten gedacht. Die Grenzen verlaufen fließend, und könnten auch ganz anders gezogen werden. Nach Länge, nach Genre, oder nach dem Maß, indem um Highscores gekämpft wird.
Verschiedene Spiele werden von verschiedenen Spielern verschieden gespielt. Die ständigen Aufreger um vermeintliche Zumutungen, die wir Gamer ertragen müssen, halte ich für reichlich überzogen. Vielleicht führt die Kostenexplosion bei Entwicklern zu kürzeren Titeln. Vielleicht sieht man PC-Spielen am Interface an, dass sie auch für die Konsolen erscheinen. Und Spiele für Konsolen waren vor vielen Jahren vielleicht schwerer. Aber früher war auch die Steuerung einfacher und Controller hatten nur ein paar Knöpfe.
Es gibt gute Gründe, vieles einfacher und zugänglicher zu gestalten. Wenn wir uns um eine klare Linie bemühen, die wir zwischen den guten Hardcore- und den bösen Casual-Titeln ziehen können, dann sorgen wir selbst dafür, dass komplexe Spiele mit hohen Anforderungen ein reines Nischenschauspiel werden, während sich der Rest der Welt mit Gehirntraining und Browserspielen vergnügt. Und wir setzen immer mehr Gamer zwischen die Stühle, statt irgend jemanden für unser Hobby zu begeistern. Ich will persönlich weder Casual noch Hardcore genannt werden. Ich will einfach spielen.